Hepatitis B – Medikamentöse Therapie
Therapieziele
- Bei der chronischen Hepatitis B
- Therapie hin auf eine Normalisierung der Transaminasen (spezielle Leberenzyme; GOT, GPT) und eine möglichst niedrige Viruslast (< 300 Kopien der HBV-DNA/ml); bei einer Viruslast < 200 sind bei Personen, die im Gesundheitswesen tätig sind, keine Einschränkung der Tätigkeit und keine zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen erforderlich.
- Verhinderung einer Leberzirrhose (Leberschrumpfung) und eines Hepatozelluläres Karzinoms (HCC)
- Partnermanagement, d. h. ggf. infizierte Partner müssen ausfindig gemacht und behandelt werden (Kontakte müssen abhängig vom geschätzten Zeitpunkt der Infektion oder bis zu zwei Wochen vor Einsetzen des Ikterus (Gelbsucht) rückverfolgt werden) [European Guidelines].
Therapieempfehlungen
- Akute Hepatitis B:
- im Regelfall keine Behandlung; sie heilt zu 99 % spontan aus
- falls Abfall des Quick-Wertes (Parameter der Blutgerinnung) unter 50 % oder Einschränkung der Lebersynthese: Therapie mit Hemmstoffen der HBV-DNA-Polymerase
- bei fulminantem Verlauf: Behandlung mit einem Nukleosid- bzw. Nukleotid-Analogon (Virostatika)
- bei geringer HBV-DNA: Lamivudin
- bei hoher HBV-DNA: Entecavir oder Tenofovir
- Chronische Hepatitis B: antivirale Therapie; Indikationsstellung [S3-Leitlinie]:
- Die Indikationsstellung zur antiviralen Therapie berücksichtigt in erster Linie die ALT-Aktivität (Alanin-Aminotransferase; Glutamat-Pyruvat-Transaminase, GPT) im Serum (wiederholt erhöht), die Höhe der Virusreplikation (Grenzwert 2.000 IU/ml) und den Entzündungs- und Fibrosestatus in der Biopsie oder den Fibrosestatus in der nichtinvasiven Leberelastographie.
- Bei hochvirämischer chronischer HBV-Infektion mit wiederholt normaler ALT besteht keine dringende medizinische Indikation für eine antivirale Behandlung.
- Patienten mit extrahepatischen ("außerhalb der Leber") Manifestationen einer Hepatitis-B-Virusinfektion sollten mit Nukleosid- oder Nukleotidanaloga behandelt werden.
- Eine antivirale Therapie zur Verhinderung einer Transmission (Übertragung) an Dritte kann erfolgen.
- Interferon bzw. Nukleosid- bzw. Nukleotid-Analoga
- Die Therapie mit pegyliertem Interferon alfa (PEG-IFN) sollte gegenüber Interferon alfa bevorzugt werden.
- Bei der Therapie mit Nukleos(t)idanaloga sollen Entecavir (ETV) oder Tenofovir (TDF oder TAF) bevorzugt werden.
- Bei persistierender HBV-DNA < 2.000 IU/ml unter Behandlung mit Tenofovir (TDF oder TAF) oder ETV braucht keine Anpassung der Behandlung zu erfolgen, wenn keine Zirrhose und kein Anhalt für Resistenz oder Nichtansprechen vorliegt.
- Eine antivirale Therapie mit Nukleosid- oder Nukleotidanaloga kann beendet werden, wenn ein HBsAg-Verlust erreicht ist.
- Bei HBeAg-negativen Patienten ohne fortgeschrittene Leberfibrose kann eine Therapie mit Nukleosid- oder Nukleotidanaloga vor HBsAg-Verlust beendet werden, wenn die HBV-DNA mindestens 3 Jahre negativ bzw. nicht quantifizierbar war und eine engmaschige Kontrolle nach Therapiestopp gewährleistet ist.
- Schwangerschaft: Bei Vorliegen einer HBV-DNA-Konzentration > 200.000 IU/ml sollte eine Therapie angeboten werden, um das Risiko einer vertikalen Transmission (Mutter-Kind-Übertragung) zu reduzieren.
- Ggf. symptomatische Therapie (Antiemetika/Arzneimittel gegen Übelkeit und Brechreiz)
- Postexpositionsprophylaxe (PEP) [s.u.]
- Siehe auch unter "Weitere Therapie".
Antiretrovirale Medikamente
Antiretrovirale Medikamente wirken gegen Retroviren, das ist eine bestimmt Untergruppe der Viren, zu denen auch die Viren zählen, die für die Hepatitis B verantwortlich sind.
Man unterscheidet die folgenden Gruppen der antiretroviralen Medikamente:
- Reverse Transkriptase-Inhibitoren
- Nukleosidanaloga
- Protease-Inhibitoren
- Fusionsinhibitoren
Bei der komplizierten akuten und der chronischen Hepatitis B wird Lamivudin eingesetzt, ein Nukleosidanalogon. Es ist relativ gut verträglich und wird deshalb häufig eingesetzt. Als Nebenwirkung treten Kopfschmerzen oder Übelkeit und/oder Erbrechen auf.
Eine Schwangerschaft stellt keine Kontraindikation (Gegenanzeigen) für eine Therapie mit Tenofovir (TDF), Lamivudin oder Telbivudin dar.
TDF ist der am häufigsten eingesetzte Wirkstoff in der Schwangerschaft [2].
Interferon alpha
Interferon sind Stoffe, die verschiedene Wirkungen innerhalb der Zelle auslösen, die einen antiviralen Effekt haben. Sie werden bei Hepatitis B und Hepatitis C eingesetzt. Als Nebenwirkungen werden häufiger grippeähnliche Symptome beobachtet. Auch können die Leberparameter erhöht werden.
Beachte: bei Vorliegen einer Indikation zu antiviralen Therapie, sollte grundsätzlich die Möglichkeit einer Therapie mit PEG- Interferon geprüft werden.
Postexpositionsprophylaxe (PEP)
Unter einer Postexpositionsprophylaxe versteht man die Versorgung mit Medikamenten zur Vermeidung einer Erkrankung bei Personen, die gegen eine bestimmte Krankheit nicht durch Impfung geschützt sind, dieser aber ausgesetzt waren.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Verletzungen mit möglicherweise kontagiösen (erregerhaltigen) Gegenständen wie Nadeln (Nadelstichverletzungen (NSV)) oder Skalpellen
- Blutkontakt mit Schleimhaut oder nicht-intakter Haut
- Neugeborene HBsAg-positiver Mütter oder von Müttern mit unbekanntem HBsAg-Status (unabhängig vom Geburtsgewicht)
Durchführung
- Bei Verletzungen mit möglicherweise kontagiösen Gegenständen:
- Sofortige Impfung und gleichzeitige Gabe eines Hepatitis-B-Immunglobulins (siehe Tabelle unten)
- Gemäß Mutterschaftsrichtlinien ist bei allen Schwangeren nach der 32. Schwangerschaftswoche (SSW), möglichst nahe der Geburt, das Serum auf HBsAg zu untersuchen.
- Bei Neugeborenen Hepatitis-B-positiv getesteter Mütter wird direkt nach der Geburt eine Dosis Hepatitis-B-Immunglobulin (Antikörper gegen Hepatitis-B-Viren) und die erste Dosis HB-Impfstoff verabreicht. Die komplette Grundimmunisierung wird dann im ersten Lebensjahr durchgeführt.
Hepatitis-B-Immunprophylaxe nach Exposition in Abhängigkeit vom aktuellen Anti-Hbs-Wert
Aktueller Anti-HBs-Wert | Erforderlich ist die Gabe von |
||
HB-Impfstoff | HB-Immunglobulin | ||
≥ 100 IE/l |
Nein | Nein | |
≥ 10 bis < 100 IE/l | Ja |
Nein | |
< 10 IE/l oder nicht innerhalb von 48 h zu bestimmen | und Anti-HBs war ≥ 100 IE/l zu einem früheren Zeitpunkt | Ja | Nein |
und Anti-HBs war nie ≥ 100 IE/l oder unbekannt | Ja | Ja |
Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel; Vitalstoffe)
Geeignete Nahrungsergänzungsmittel für die Lebergesundheit sollten die folgenden Vitalstoffe enthalten:
- Vitamine (D3, E)
- Fettsäuren (Omega-3-Fettsäuren: Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA))
- Sekundäre Pflanzenstoffe (Mariendistelfrucht-Extrakt (Silymarin))
- Weitere Vitalstoffe (Cholin, Probiotika)
Beachte: Die aufgeführten Vitalstoffe sind kein Ersatz für eine medikamentöse Therapie. Nahrungsergänzungsmittel sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung in der jeweiligen Lebenssituation zu ergänzen.
Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.
Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.
Literatur
- Robert Koch Institut (RKI): Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut. Epidemiologisches Bulletin. 4/2024
- Fan L et al.: Antiviral Treatment among Pregnant Women with Chronic Hepatitis B. Infectious Diseases in Obstetrics and Gynecology Volume 2014 (2014), Article ID 546165, 7 pages http://dx.doi.org/10.1155/2014/546165
Leitlinien
- Tiplica GS et al.: 2015 European guidelines for the management of partners of persons with sexually transmitted infections. JEADV 2015; online 7. Mai 2015
- S3-Leitlinie: Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-B-Virus-Infektion. (AWMF-Registernummer: 021-011), Juni 2021 Langfassung