HPV-Infektion – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Humane Papillomaviren (HPV) sind DNA-Viren aus der Familie der Papillomaviridae. Es sind über 200 verschiedene HPV-Genotypen bekannt, von denen rund 40 die anogenitale Region betreffen können. Die Viren sind unbehüllte, ikosaedrische Partikel mit einem doppelsträngigen DNA-Genom.
  • Genom: Das HPV-Genom ist zirkulär und doppelsträngig, mit einer Länge von etwa 8.000 Basenpaaren. Es kodiert für 8 virale Proteine (6 frühe und 2 späte), darunter die Onkoproteine ("Krebsproteine") E6 und E7, die eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Krebs spielen.
  • Virulenz (Infektionskraft): Die Virulenz von HPV hängt stark von der Genotypvariante (genetische Ausstattung eines Individuums) und der Fähigkeit der Onkoproteine E6 und E7 ab, die Tumorsuppressorproteine p53 und Rb (Retinoblastomprotein) zu inaktivieren, was zu unkontrolliertem Zellwachstum und Tumorentstehung führen kann.

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: HPV ist weltweit verbreitet und zählt zu den häufigsten sexuell übertragbaren Infektionen. Eine Infektion erfolgt typischerweise im jungen Erwachsenenalter.
  • Hauptübertragungsweg: HPV wird vor allem durch direkten Haut- oder Schleimhautkontakt übertragen, am häufigsten durch vaginalen, analen oder oralen Geschlechtsverkehr. Kondome bieten nur einen begrenzten Schutz, da sie die umgebende Haut nicht vollständig abdecken.
  • Weitere Übertragungswege: Auch eine Übertragung durch kontaminierte Gegenstände oder während der Geburt von der Mutter auf das Kind (vertikale Übertragung) ist möglich, wenn auch selten.
  • Infektiosität (Ansteckungsfähigkeit): Die Infektiosität ist hoch, da das Virus durch minimale Haut- oder Schleimhautläsionen (Schleimhautverletzungen) in den Körper eindringen kann. Ein direkter Kontakt reicht häufig für die Infektion aus.

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Kleine Mikroläsionen (kleinste Verletzungen) in der Haut oder Schleimhaut sind die Hauptpforten für das Virus, da diese die Basalzellschicht des Epithels freilegen, welche das primäre Ziel der Infektion darstellt.
  • Nebeneintrittspforten: Eine seltenere Eintrittspforte ist die Übertragung von infizierten Schleimhautpartikeln durch kontaminierte Oberflächen.

Pathogenese des Erregers

  • Initiale Vermehrung und Ansiedlung:
    • Nach dem Eindringen in die Basalzellen des Epithels gelangt das Virus in den Zellkern und nutzt die zelluläre Maschinerie für seine Vermehrung.
    • In der unteren Basalzellschicht bleibt das Virus in einer episomalen Form (außerhalb des Wirtsgenoms), ohne das Genom in die DNA der Wirtszelle zu integrieren.
    • Während der Differenzierung der infizierten Zellen in die oberflächlichen Haut- oder Schleimhautschichten vermehrt sich das Virus und bildet infektiöse Viruspartikel.
  • Ausbreitung und Onkogenität:
    • Onkogene HPV-Typen (z. B. HPV 16 und 18) integrieren ihr Genom in das Wirtszellgenom, was zur Expression der viralen Onkoproteine E6 und E7 führt.
    • E6 bindet und deaktiviert das Tumorsuppressorprotein p53, während E7 das Retinoblastomprotein (pRb) inaktiviert. Dadurch wird die Zellproliferation (Zellvermehrung) gefördert und die Apoptose (programmierter Zelltod) verhindert.
    • Infolgedessen kommt es zur Entstehung von dysplastischen Veränderungen (Vorstufen von Krebs) und letztlich zu invasiven Karzinomen.

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort:
    • Nach der Infektion aktiviert das Virus die angeborene Immunantwort, wobei dendritische Zellen (effektivsten antigenpräsentierenden Zellen) und Makrophagen (Fresszellen) rekrutiert werden, um die Infektion zu bekämpfen.
    • Die Immunantwort ist häufig nicht ausreichend, um das Virus vollständig zu eliminieren, was zu einer persistierenden (anhaltenden) Infektion führen kann.
  • Systemische Immunantwort:
    • Die adaptive Immunantwort, insbesondere zytotoxische T-Zellen (Killerzellen), spielt eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung von HPV.
    • Ein erfolgreicher zellulärer Angriff auf infizierte Zellen kann zur spontanen Rückbildung von HPV-bedingten Läsionen (Gewebeveränderungen) führen.
  • Anpassungsmechanismen des Erregers:
    • HPV kann die Immunantwort durch Hemmung von Interferon-Signalwegen und Abbau von zellulären Tumorsuppressoren wie p53 und pRb umgehen.
    • Das Virus kann zudem in einem latenten Zustand verbleiben, ohne dass virale Partikel freigesetzt werden, was die Erkennung durch das Immunsystem erschwert.

Organaffinität und Gewebeschäden

  • Bevorzugte Zielorgane:
    • HPV infiziert vor allem Haut- und Schleimhautzellen der anogenitalen Region, des Oropharynx (Mund- und Rachenraum) und gelegentlich der Konjunktiva (Bindehaut).
  • Resultierende Gewebeschäden:
    • In der Haut führt die Infektion zu gutartigen Warzen (Papillome), die sich als flache oder exophytische (nach außen wachsende) Wucherungen präsentieren.
    • In Schleimhautbereichen können dysplastische Läsionen (zelluläre Fehlbildungen) entstehen, die als Präkanzerosen (Vorstufen von Krebs) gelten.
    • In fortgeschrittenen Stadien kann es zur Entwicklung invasiver Karzinome kommen, insbesondere im Cervix-, Anal- und Oropharynxbereich (Gebärmutterhals-, Anal- und Mund-Rachen-Karzinome).

Klinische Manifestation

  • Symptomatologie:
    • Die meisten HPV-Infektionen verlaufen asymptomatisch und heilen spontan ab.
    • Niedrigrisiko-HPV-Typen (z. B. HPV 6 und 11) verursachen Genitalwarzen (Kondylome), die gutartig sind.
    • Hochrisiko-HPV-Typen (z. B. HPV 16 und 18) führen zu dysplastischen Veränderungen und in einigen Fällen zu invasiven Karzinomen.
  • Komplikationen:
    • Persistierende Infektionen mit Hochrisiko-HPV-Typen sind Hauptfaktor für die Entwicklung von Zervixkarzinomen und anderen Anogenitaltumoren.
    • HPV-bedingte Kopf-Hals-Tumoren, insbesondere im Oropharynx (Mund-Rachen), können ebenfalls auftreten und sind häufig aggressiver.
  • Verläufe und Schweregrade:
    • Infektionen können in wenigen Monaten spontan abheilen oder über Jahre persistieren und zu bösartigen Entartungen führen.
    • Der Verlauf hängt von individuellen Wirtsfaktoren und der genauen HPV-Genotypvariante ab.

Prognosefaktoren

  • Wirtsfaktoren:
    • Geschwächtes Immunsystem (z. B. HIV-Infektion) erhöht das Risiko für persistierende Infektionen und schwere Verläufe.
    • Genetische Prädisposition kann ebenfalls das Risiko für die Entwicklung von HPV-assoziierten Karzinomen beeinflussen.
  • Erregerfaktoren:
    • Die onkogene Potenz des HPV-Typs (z. B. HPV 16, 18) ist entscheidend für das Risiko einer Karzinomentstehung.
    • Mutationen in den viralen Onkoproteinen können die Onkogenität zusätzlich verstärken.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Humane Papillomaviren sind hochinfektiöse, sexuell übertragbare Erreger, die gutartige Hautwarzen sowie maligne (bösartige) Tumoren verursachen können. Die Pathogenese ist geprägt durch die Interaktion der viralen Onkoproteine mit zellulären Tumorsuppressoren, was zu unkontrolliertem Zellwachstum und Krebsentstehung führt. Eine frühzeitige Impfung gegen die Hochrisiko-HPV-Typen ist die effektivste Präventionsmaßnahme. Regelmäßige zytologische und HPV-DNA-Screenings sind essenziell, um präkanzeröse Läsionen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Fehlbildungen der Geschlechtsorgane
  • Früher erster Geschlechtsverkehr (Kohabitarche)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Genussmittelkonsum
    • Tabak (Rauchen)
  • Drogenkonsum
    • Cannabis (Haschisch und Marihuana)
  • Sexuelle Übertragung 
    • Promiskuität (sexueller Kontakte mit relativ häufig wechselnden verschiedenen Partnern)
    • Prostitution
    • Männer, die Sex mit Männern haben (engl. men who have sex with men (MSM)) – hier: insb. der rezeptive Analverkehr/Analsex (der passive Partner nimmt den Penis in den After auf)
    • Sexuelle Kontakte im Urlaubsland
    • Ungeschützter Koitus
    • Oralverkehr (Oralssex)
  • Sexuelle Praktiken mit hohem Risiko der Schleimhautverletzung (z. B. ungeschützter Analverkehr)

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Andere sexuell übertragbare Erkrankungen wie HIV oder Herpes genitalis
  • Immunschwäche

Medikamente

  • Immunsuppressiva (Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken)/Immunsuppression 
  • Kombinierte hormonelle Kontrazeptiva (KHK; Verhütungsmittel) führen wahrscheinlich zu einer leichteren Transmission (Übertragung) und einer längeren Persistenz (Fortbestehen) von HPV [1]

Weitere Ursachen

  • Multiparität – Geburt vieler Kinder

Literatur

  1. Ludwig M, Böhmer G, Heizmann W (2012) Auswirkung hormoneller Kontrazeptiva an Vagina und Cervix uteri. Frauenarzt 53:638-642