Diphtherie – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beschreibung des Erregers

Erreger: Corynebacterium diphtheriae ist ein grampositives, stäbchenförmiges Bakterium, das meist keulenförmig erscheint. Es gehört zur Familie der Corynebacteriaceae. Neben C. diphtheriae können auch C. ulcerans und C. pseudotuberculosis ähnliche Erkrankungen verursachen, wenn sie das Diphtherietoxin tragen. Die wichtigsten Biotypen von C. diphtheriae sind Gravis, Mitis, Intermedius und Belfanti.

Pathogenität: Die Virulenz (Infektionskraft) wird durch das Diphtherietoxin vermittelt, welches durch Bakteriophagen-kodierte Gene (tox+) synthetisiert wird. Nur Toxin-produzierende Stämme führen zur klassischen Diphtherie, die durch Nekrosen (Gewebeabsterben) charakterisiert ist. Das Toxin hemmt die Proteinsynthese der Zellen und führt somit zum Zelltod.

Epidemiologie und Übertragungsweg

Verbreitung: Diphtherie ist weltweit verbreitet, aber in Ländern mit hoher Durchimpfungsrate selten geworden. In Regionen mit geringen Impfraten, wie in Teilen von Afrika und Asien, tritt die Erkrankung jedoch vermehrt auf. Epidemische Ausbrüche werden meistens in Verbindung mit Kriegen, schlechten hygienischen Verhältnissen und Migration beobachtet.

Übertragungsweg:

  • Tröpfcheninfektion: Übertragung erfolgt durch Husten, Niesen oder Sprechen. Besonders in Gemeinschaftseinrichtungen und engen Kontaktbereichen ist das Übertragungsrisiko hoch.
  • Direkter Kontakt: Hautdiphtherie kann durch direkten Kontakt mit infizierten Wunden oder Hautläsionen übertragen werden, insbesondere bei unhygienischen Verhältnissen.

Infektiosität: Die Infektiosität (Ansteckungsfähigkeit) ist hoch, besonders bei engen Kontaktbedingungen. Der Erreger kann auf kontaminierten Oberflächen oder durch Schmierinfektionen weiterverbreitet werden.

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Atemwege (Nasopharynx/Nasenrachenraum, Oropharynx/Mundrachenraum) bei Rachendiphtherie.
  • Nebeneintrittspforte: Haut (besonders bei Hautdiphtherie, die durch direkte Inokulation (Einbringen von Krankheitserregern) in Wunden verursacht wird).

Pathogenese des Erregers

Initiale Vermehrung und Ansiedlung:
Nach dem Eindringen in die Schleimhaut der Atemwege oder in Hautläsionen haftet Corynebacterium diphtheriae mithilfe von Adhäsinen (Anheftungsstrukturen) an die Epithelzellen. Eine Invasion in tiefere Gewebeschichten erfolgt in der Regel nicht. Die Hauptvermehrung findet lokal statt.

Toxinproduktion:
Nach erfolgreicher Ansiedlung bildet Corynebacterium diphtheriae das Diphtherietoxin. Dieses Toxin wird ins umliegende Gewebe freigesetzt und hemmt die Proteinsynthese der betroffenen Zellen, was zu einer Nekrose (Gewebeuntergang) führt.

Ausbreitungsmechanismus:
Das Toxin kann in die Blutbahn gelangen und systemische Effekte hervorrufen, insbesondere an Herz, Nerven und Nieren. Es kommt zu einer hämatogenen (über das Blut) Ausbreitung des Toxins, während die Bakterien selbst lokal begrenzt bleiben.

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort: Es kommt zu einer Aktivierung der Immunzellen (Makrophagen/Fresszellen und neutrophile Granulozyten/weiße Blutkörperchen), die eine entzündliche Reaktion am Infektionsort bewirken. Die Gewebeschäden führen zur Ausbildung von Pseudomembranen (weiße, fibrinhaltige Beläge), die fest mit dem Gewebe verbunden sind.
  • Systemische Immunantwort: Die systemische Immunantwort zielt hauptsächlich auf das Diphtherietoxin ab. Neutralisierende Antikörper werden gebildet, die die Toxizität des Toxins reduzieren können.
  • Anpassungsmechanismen des Erregers: Das Bakterium besitzt Mechanismen zur Umgehung der Immunabwehr, insbesondere durch die Bildung von Biofilmen und durch die Modifikation von Oberflächenproteinen, die das Erkennen durch das Immunsystem erschweren.

Organaffinität und Gewebeschäden

Bevorzugte Zielorgane:
Primäre Zielorgane sind die oberen Atemwege, insbesondere die Schleimhäute des Rachens und der Nase. Bei schwerem Krankheitsverlauf sind auch Herzmuskel (Myokard), Nerven (periphere Neuronen) und Nieren betroffen.

Resultierende Gewebeschäden:
Lokale Nekrosen im Bereich der Schleimhäute führen zur Ausbildung der typischen Pseudomembranen. Systemisch bewirkt das Diphtherietoxin Myokarditis (Herzmuskelentzündung), Polyneuropathien (mehrere Nervenentzündungen) und eine akute Tubulusnekrose (Nierenschädigung).

Klinische Manifestation

  • Symptomatologie:
    • Rachendiphtherie: Plötzlich auftretende Halsschmerzen, Fieber, Heiserkeit, Schwierigkeiten beim Schlucken. Typisch ist die Ausbildung von grau-weißen Pseudomembranen im Rachenbereich.
    • Larynxdiphtherie: Husten, Atemnot und Heiserkeit bis hin zur Erstickungsgefahr.
    • Hautdiphtherie: Chronische, schlecht heilende Hautulzerationen (Hautgeschwüre) mit festsitzenden Belägen.
  • Komplikationen:
    • Myokarditis (Herzmuskelentzündung)
    • Polyneuropathie (Nervenschädigung)
    • Atemwegsobstruktion durch Pseudomembranen
    • Niereninsuffizienz (gestörte Nierenfunktion)

Verläufe und Schweregrade:

Die Schwere der Diphtherie hängt von der Toxinproduktion und der Immunität des Wirts ab. Bei vollständig ungeimpften Personen kann es zu lebensbedrohlichen Verläufen kommen.

Prognosefaktoren

  • Wirtsfaktoren: Alter, Impfstatus, Immunstatus, Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus.
  • Erregerfaktoren: Virulenz der Erregerstämme, Toxingenexpression, Dosis der initialen Erregerbelastung.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Diphtherie ist eine akute, potenziell lebensbedrohliche Infektionskrankheit, die durch das Corynebacterium diphtheriae verursacht wird. Der Haupterkrankungsmechanismus ist das Diphtherietoxin, welches lokal und systemisch gravierende Gewebeschäden verursacht. Die Erkrankung wird durch Tröpfcheninfektion oder direkten Kontakt übertragen. Typisch sind schwere Verläufe bei ungeimpften Personen und erhebliche Komplikationen wie Myokarditis, Atemwegsverlegung und Neuropathien. Eine frühzeitige Therapie mit Antitoxin und Antibiotika ist entscheidend. Vorbeugend sind konsequente Impfprogramme und Hygienemaßnahmen von großer Bedeutung.

Ätiologie (Ursachen)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Kontakt zu Infizierten (direkter Kontakt oder durch Tröpfcheninfektion)