Vorhofflimmern – Operative Therapie
Vorhofflimmern – Katheterbasierte und chirurgische Therapieoptionen
Vorhofflimmern (VHF, unregelmäßiger Herzrhythmus) ist die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung und erhöht das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen (Herz-Kreislauf-Erkrankungen), insbesondere für thromboembolische Ereignisse (Gefäßverschlüsse durch Blutgerinnsel) wie den ischämischen Schlaganfall (Hirninfarkt). Neben der medikamentösen Therapie stehen interventionelle (minimalinvasive) und chirurgische Verfahren zur Verfügung.
Katheterbasierte und chirurgische Therapieoptionen erster Ordnung
Radiofrequenzablation (Katheterablation)
Die Katheterablation (Verödung mittels Katheter) ist ein etabliertes Verfahren zur dauerhaften Beseitigung des Vorhofflimmerns mittels eines Herzkatheters. Dabei wird die Erregungsleitungsbahn (elektrische Signale des Herzens), die zu den Rhythmusstörungen führt, selektiv verödet (gezielt zerstört).
Indikationen (Anwendungsgebiete):
- Symptomatische Patienten mit paroxysmalem (anfallsweise auftretendem) oder persistierendem (andauerndem) Vorhofflimmern, bei denen mindestens ein medikamentöser Therapieversuch mit Antiarrhythmika (Arzneimittel zur Rhythmusstabilisierung) gescheitert ist.
- Erste-Linien-Indikation (Therapie der ersten Wahl) bei jungen Patienten mit isoliertem Vorhofflimmern ohne strukturelle Herzerkrankung (organisch gesundes Herz).
Empfehlung gemäß ESC-Leitlinien (European Society of Cardiology, Europäische Gesellschaft für Kardiologie):
- Klasse-I-Empfehlung (starke Empfehlung), Evidenzgrad A für die Second-Line-Indikation (Therapie der zweiten Wahl) nach Versagen medikamentöser Therapie.
- Klasse-IIa-Empfehlung (bedingt empfohlen) für die First-Line-Therapie (Therapie der ersten Wahl) bei bestimmten Patientengruppen mit hoher Erfolgswahrscheinlichkeit und niedriger Komplikationsrate [1].
Langzeitergebnisse:
- Erfolgsrate nach Erstablation liegt bei ca. 70 %, nach Zweitablation bei bis zu 80-85 %.
- Reduktion des Schlaganfallrisikos und der Herzinsuffizienzprogression (Verschlechterung der Herzschwäche) bei struktureller Herzerkrankung [2].
Katheterbasierte und chirurgische Therapieoptionen zweiter Ordnung
Verschluss des linken Vorhofohrs (LAA-Verschluss)
Der LAA-Verschluss (Verschluss der linken Vorhoftasche) mittels eines Vorhofohr-Okkluders (left atrial appendage closure, LAAC, Implantat zur Vorhoftaschenverschließung) ist eine interventionelle Alternative zur oralen Antikoagulation (blutverdünnende Therapie) bei Patienten mit hohem Blutungsrisiko.
Indikationen (Anwendungsgebiete):
- Patienten mit Vorhofflimmern und hohem thromboembolischem Risiko (Gefäßverschlüsse durch Blutgerinnsel) bei Kontraindikationen (Gegenanzeigen) oder relevanten Komplikationen unter oraler Antikoagulation (z. B. gastrointestinale Blutungen, Magen-Darm-Blutungen oder intrakranielle Blutungen, Hirnblutungen) [3].
- Alternative zu direkten oralen Antikoagulantien (DOAKs, moderne blutverdünnende Medikamente) bei Hochrisikopatienten mit nachgewiesener Gleichwertigkeit in der Schlaganfallprävention [4].
Empfehlungen gemäß ESC/EACTS-Leitlinien (Leitlinien der Europäischen Kardiologie- und Herzchirurgie-Gesellschaften):
- Klasse-IIb-Indikation (Kann-Erwägung) für den LAA-Verschluss bei Patienten mit Kontraindikationen für orale Antikoagulation.
- Klasse-IIa-Indikation (bedingt empfohlen) für den chirurgischen Vorhofohrverschluss (Verschluss der linken Vorhoftasche) im Rahmen einer Herzklappenoperation (Eingriff an den Herzklappen) bei Patienten mit Vorhofflimmern und erhöhtem Schlaganfallrisiko.
Evidenzlage und Studien:
- Patienten mit Vorhofflimmern und vorheriger intrakranieller Blutung (ICB, Hirnblutung):
- Das relative Risiko für klinische Ereignisse war in der Okkluder-Gruppe um 81 % niedriger als in der Gruppe mit Standardversorgung. Der primäre Endpunkt umfasste die Kombination von Tod, ischämischem Schlaganfall (Hirninfarkt) und schweren Blutungen [1].
- Effekt des chirurgischen Vorhofohrverschlusses bei Vorhofflimmern-Patienten [2]:
- Analyse von 10.524 Patienten aus über 1.000 Institutionen, durchschnittliches Alter 76 Jahre, 39 % weiblich.
- Signifikante Reduktion der Gesamtmortalität (Gesamtsterblichkeit) um 15 % (7 % vs. 10,8 %, adjustierte Hazard Ratio [HR]: 0,85).
- Signifikante Risikoreduktion um 30 % für den kombinierten sekundären Endpunkt (Gesamtmortalität, Thromboembolie oder hämorrhagischer Insult, Schlaganfall mit Blutung) (8,7 % vs. 13,5 %, adjustierte HR: 0,70).
- Kein signifikanter Unterschied bei hämorrhagischen Insulten (0,2 % vs. 0,3 %) [6].
- PRAGUE-17-Studie: LAA-Verschluss war in Bezug auf den primären Endpunkt nicht unterlegen gegenüber NOAK-Therapie (blutverdünnende Therapie) [3].
- Metaanalyse (n = 10.524 Patienten): Signifikante Reduktion der Gesamtmortalität um 15 % und Reduktion des thromboembolischen Risikos um 30 % [6].
- Hochrisiko-Patienten: LAA-Verschluss zeigte eine niedrigere Rate schwerer Blutungen (HR: 0,62; 95 % CI: 0,49-0,79) und eine reduzierte Mortalität (HR: 0,53; 95 % CI: 0,43–0,64) im Vergleich zu DOAKs [4].
- LAA-Verschluss als Alternative zur Antikoagulation: Dies zeigen die 3-Jahres-Ergebnisse einer randomisierten Studie; es besteht keine Nichtunterlegenheit [5]
Postoperative Maßnahmen:
- Patienten nach chirurgischer Okklusion (Verschluss) oder Exzision (Entfernung) des linken Vorhofohrs sollen bei bestehender Risikokonstellation dauerhaft antikoaguliert (blutverdünnt) werden (Klasse-IB-Empfehlung) [1].
Fazit
Die Katheterablation stellt die bevorzugte interventionelle Therapieoption bei symptomatischem Vorhofflimmern dar und ist in vielen Fällen der medikamentösen Therapie überlegen. Der LAA-Verschluss ist eine wichtige Alternative zur Antikoagulation bei Patienten mit hohem Blutungsrisiko. Zukünftige Entwicklungen wie Carotis-Filter (Halsarterien-Filter) könnten weitere Optionen für Hochrisikopatienten bieten.
Literatur
- Nielsen-Kudsk JE. LAA occlusion vs. standard care in patients with atrial fibrillation and intracerebral hemorrhage: A propensity score matched follow-up study. Vorgestellt beim Kongress EuroPCR 2016, 17.–20. Mai 2016, Paris
- Friedman DJ: Comparative Effectiveness of Left Atrial Appendage Occlusion among Patients with Atrial fibrillation undergoing concomitant Cardiac Surgery. Late-Breaking Clinical Trials IV, Kongress des American College of Cardiology (ACC) 2017, 17. - 19. März 2017, Washington DC.
- Osmancik P et al.: Left Atrial Appendage Closure Versus Direct Oral Anticoagulants in High-Risk Patients With Atrial Fibrillation. JACC 2020;75,25 doi: 10.1016/j.jacc.2020.04.067
- Nielsen-Kudsk JE et al.: Clinical Outcomes Associated With Left Atrial Appendage Occlusion Versus Direct Oral Anticoagulation in Atrial Fibrillation. JACC Cardiovascular Interventions 2021;14(1):69-78.
- Wazni OM et al.: Left Atrial Appendage Closure after Ablation for Atrial Fibrillation N Engl J Med. Published November 16, 2024 doi: 10.1056/NEJMoa2408308
Leitlinien
- Kirchhof P et al.: 2016 ESC Guidelines for the management of atrial fibrillation developed in collaboration with EACTS. European Association of Cardio-Thoracic Surgery, EACTS. doi: http://dx.doi.org/10.1093/eurheartj/ehw210 ehw210. First published online: 27 August 2016
- S2e-Leitlinie: Kryptogener Schlaganfall und offenes Foramen ovale. Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) und Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK). Online August 2018
- Gelder Van IC et al.: 2024 ESC Guidelines for the management of atrial fibrillation developed in collaboration with the European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS): Developed by the task force for the management of atrial fibrillation of the European Society of Cardiology (ESC), with the special contribution of the European Heart Rhythm Association (EHRA) of the ESC. Endorsed by the European Stroke Organisation (ESO). European Heart Journal, ehaa176, 30 August 2024. doi.org/10.1093/eurheartj/ehaa612