Ventrikuläre Tachykardie – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die ventrikuläre Tachykardie (VT) ist eine Herzrhythmusstörung, die durch eine schnelle und unkontrollierte elektrische Aktivierung der Ventrikel (Herzkammern) gekennzeichnet ist. Diese entsteht in der Regel bei einer Herzfrequenz von > 100 Schlägen pro Minute. Bei einer VT handelt es sich häufig um eine gleichförmige (monomorphe) oder variable (polymorphe) Erregung des Myokards (Herzmuskels). Ursächlich sind meist Reentry-Mechanismen (Kreiserregungen) oder abnorme Erregungsbildungen. Je nach Struktur des Herzens und zugrundeliegender Erkrankung kann die Entstehung einer VT unterschiedlich ablaufen.

Hauptentstehungsmechanismen

  • Reentry-Mechanismus: Der häufigste Entstehungsweg einer VT ist die kreisförmige Erregungsausbreitung innerhalb der Herzkammer. Diese Reentry-Schleifen können sich besonders in Bereichen mit Narbengewebe (z. B. nach einem Myokardinfarkt) oder an Grenzflächen zwischen gesundem und geschädigtem Herzgewebe bilden. Sie führen zu einer selbstunterhaltenden Erregung, die den normalen Herzrhythmus überlagert.
  • Abnorme Automatie: Durch eine autonome Erregungsbildung in Herzmuskelzellen, die normalerweise nicht als Schrittmacherzellen fungieren, kommt es zu abnormen elektrischen Impulsen. Diese entstehen häufig infolge von Elektrolytstörungen, Hypoxie (Sauerstoffmangel) oder toxischen Effekten und sind ein weniger häufiger Mechanismus.
  • Getriggerte Aktivität: Eine getriggerte Aktivität entsteht durch Nachpotentiale nach einer normalen Kontraktion. Diese können durch lange QT-Intervalle oder angeborene Ionenkanaldefekte begünstigt werden und zu unkoordinierten Kontraktionen führen.

Klassifikation der VT nach Ursprung und Erregungsbild

  • Monomorphe VT: Diese Form der VT ist durch eine gleichförmige und konstante elektrische Aktivität gekennzeichnet. Ursache ist in der Regel ein einzelner Reentry-Kreislauf oder eine einheitliche ektopische Quelle.
  • Polymorphe VT: Hierbei variiert die elektrische Aktivität in den Herzkammern. Die Ursache sind oft mehrere Erregungsquellen oder komplexe elektrische Instabilitäten, die typischerweise bei angeborenen Arrhythmiesyndromen auftreten.

Klassifikation nach struktureller Beteiligung

  • Strukturelle Herzkrankheiten (90 % der Fälle): Am häufigsten liegt eine zugrundeliegende strukturelle Herzerkrankung vor. Typische Ursachen sind:
    • Myokardinfarkt (Herzinfarkt): Narbenbildung und veränderte Erregungsleitung im betroffenen Bereich.
    • Kardiomyopathien (Herzmuskelerkrankung): Dilatative oder hypertrophe Veränderungen des Herzens, die zu abnormen elektrischen Erregungen führen.
    • Myokarditis: Entzündliche Veränderungen des Herzmuskels (Herzmuskelentzündung).
  • Idiopathische ventrikuläre Tachykardien (10 % der Fälle): Diese Form tritt ohne nachweisbare strukturelle Herzerkrankung auf und ist meist harmloser als die strukturell bedingten VTs. Sie entstehen häufig im rechtsventrikulären Ausflusstrakt (RVOT) und sind durch primäre elektrophysiologische Defekte gekennzeichnet.

Pathophysiologische Veränderungen bei ventrikulärer Tachykardie

  • Akute Myokardischämie (häufigste Ursache einer VT): Ein akuter Sauerstoffmangel des Herzmuskels (z. B. durch einen Myokardinfarkt/Herzinfarkt) kann zu elektrischer Instabilität führen. Dies begünstigt die Bildung von Reentry-Schleifen und anderen arrhythmogenen Mechanismen.
  • Fibrotische Veränderungen im Myokard: Durch Narbenbildung kommt es zu Unterbrechungen der normalen Erregungsleitung und zur Bildung von kreisförmigen Erregungspfaden. Dies führt zu einer störanfälligen elektrischen Ausbreitung.
  • Elektrische Instabilität bei genetischen Defekten: Angeborene Ionenkanalerkrankungen (z. B. Long-QT-Syndrom, Brugada-Syndrom) oder Mitochondriale Defekte führen zu einer gestörten elektrischen Aktivität, die auch in einem scheinbar gesunden Herzen VT auslösen kann.

Klinische Bedeutung und Komplikationen

  • VTs können in Kammerflimmern übergehen und somit zum plötzlichen Herztod führen.
  • Vor allem bei Patienten mit strukturellen Herzerkrankungen besteht ein erhöhtes Risiko für eine Progression in lebensbedrohliche Arrhythmien.
  • Bei idiopathischen VTs ist die Prognose meist günstiger, jedoch können auch diese Formen zu Synkopen (plötzliche Bewusstlosigkeit) und selten zu Herzversagen führen.

Typische Auslöser und Risikofaktoren

  • Akuter Myokardinfarkt und ischämische Herzerkrankungen.
  • Kardiomyopathien (dilatative und hypertrophe).
  • Elektrolytstörungen (z. B. Hypokaliämie/Kaliumsmangel, Hypomagnesiämie/Magnesiummangel).
  • Angeborene Arrhythmiesyndrome.
  • Medikamentös-toxische Ursachen (z. B. durch Antiarrhythmika).
  • Angeborene Herzfehler oder Ionenkanalerkrankungen.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die ventrikuläre Tachykardie ist eine schwerwiegende Herzrhythmusstörung, die meistens auf strukturelle Herzveränderungen zurückzuführen ist. Bei 90 % der Patienten besteht eine zugrundeliegende Herzerkrankung, während die übrigen 10 % der VTs als idiopathisch gelten. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind entscheidend, um das Risiko eines plötzlichen Herztodes zu minimieren.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Angeborene Herzfehler (Vitien)

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Herzerkrankungen unterschiedlicher Genese
  • Hypokaliämie (Kaliummangel)
  • Hypomagnesiämie (Magnesiummangel)
  • Kardiomyopathie (Herzmuskelschwäche) – insb. dilatative Kardiomyopathie (DCM)
  • Koronare Herzkrankheit (KHK) – Atherosklerose (Arteriosklerose, Arterienverkalkung) der Herzkranzgefäße
  • Myokardinfarkt (Herzinfarkt)
  • Myokarditis (Herzmuskelentzündung), nach abgelaufener
  • Tumorerkrankungen – bei Krebspatienten treten nicht anhaltende ventrikuläre Tachykardien häufiger auf als im Vergleich zu gesunden Patienten: ventrikuläre Extrasystolen ab einer Frequenz von 50/24 h stehen dabei für eine verschlechterte Prognose quoad vitam ("in Bezug auf das Leben"), die Mortalität (Sterberate) stieg dabei um das 2,3-Fache an (die Studienteilnehmer litten an Krebs der Bauchspeicheldrüse, des Darms oder an nicht kleinzelligem Lungenkrebs) [1]

Medikamente

Weitere Ursachen

  • Faszikuläre ventrikuläre Tachykardie, die bei Patienten ohne strukturelle Herzerkrankung auftritt; Differentialdiagnosen: substratbedingte ventrikuläre Tachykardien, supraventrikuläre Tachykardien

Literatur

  1. Anker MS et al.: Ventricular tachycardia, premature ventricular contractions, and mortality in unselected patients with lung, colon, or pancreatic cancer: a prospective study. Eur J Heart Fail 2020; https://doi.org/10.1002/ejhf.2059