Ulcus cruris venosum – Einleitung

Das Ulcus cruris venosum (UCV), umgangssprachlich auch als "offenes Bein" bekannt, ist ein chronisches, venös bedingtes Hautgeschwür, das durch einen Substanzdefekt in der Haut und Unterhaut charakterisiert ist. Dieser Defekt kann oberflächliche Hautschichten betreffen, aber auch tieferliegende Strukturen wie die Muskulatur und in schweren Fällen bis zum Knochen reichen. Das UCV entsteht in der Regel als Folge einer chronischen venösen Insuffizienz (CVI), bei der der gestörte venöse Rückfluss zu einer dauerhaften Schädigung des Gewebes führt.

Thesaurussynonyme und ICD-10: atrophisches Ulkus der unteren Extremität; Beinulkus; chronisches Ulkus der unteren Extremität; Fersenulkus; Fußulkus; Hautulkus der unteren Extremität; indolentes Fußulkus; neurogenes Ulkus der unteren Extremität; perforiertes Fußulkus; perforiertes Ulkus der unteren Extremität; posttraumatisches Ulcus cruris; pyogenes Ulkus der unteren Extremität; Ulcus cruris (UC); Ulcus cruris nonvaricosum; venöse Beinulzera; venöses Ulcus cruris ohne Varizen; ICD-10-GM L97: Ulcus cruris

Das Ulcus cruris ist am Unterschenkel (meist im unteren Drittel) lokalisiert. Es ist die Folge eines fortgeschrittenen Venenleidens.
Bei ca. 60-80 % aller Ulzera (Geschwüre) an den Beinen handelt es sich um ein Ulcus cruris venosum, dem immer die chronisch-venöse Insuffizienz (CVI; Erkrankung der Beinvenen) zugrunde liegt.

Unabhängig von der Definition einer chronischen Wunde ist ein Ulcus cruris venosum als chronisch anzusehen.

Formen des Ulcus cruris venosum

  • Akutes Ulcus cruris venosum: Plötzlich auftretende, schmerzhafte Ulzeration (Geschwürbildung), meistens als Folge einer akuten Verschlechterung der chronisch-venösen Insuffizienz.
  • Chronisches Ulcus cruris venosum: Langsam fortschreitende, dauerhafte Ulzeration, die oft über Monate bis Jahre besteht und durch chronisch-venöse Insuffizienz bedingt ist.
  • Rezidivierendes Ulcus cruris venosum: Wiederkehrende Ulzerationen nach einer initialen Abheilung, häufig bedingt durch unzureichende Behandlung oder mangelnde Prävention.

Nachfolgend wird unter "Pathogenese – Ätiologie“ neben dem Thema "Ulcus cruris venosum" auch das Thema Ulcus cruris (UC) dargestellt.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.

Häufigkeitsgipfel: Das Ulcus cruris venosum tritt in der Regel im fortgeschrittenen Lebensalter auf.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Diese ist stark altersabhängig. So liegt sie in der Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen bei 0,2 % und steigt bis zum 70. Lebensjahr auf 1,1 % an (in Deutschland). Im 8. bis 9. Lebensjahrzehnt liegt die Prävalenz bei ca. 1-3 %.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Initialphase
    • Die Ulzeration beginnt häufig mit einer kleinen Verletzung oder Hautirritation im unteren Drittel des Unterschenkels.
    • Es kommt zu einer schmerzhaften, nässenden Wunde, die langsam größer wird.
  • Progression
    • Ohne adäquate Behandlung breitet sich das Ulcus cruris venosum weiter aus und kann tiefere Gewebsschichten, einschließlich der Unterhaut und des Knochens, erreichen.
    • Typische Symptome umfassen starke Schmerzen, Schwellungen, Exsudation (Austreten von Wundflüssigkeit) und Infektionen.
  • Chronische Phase
    • Die Erkrankung wird als chronisch angesehen, wenn das Ulkus länger als sechs Wochen besteht.
    • Häufig treten rezidivierende Episoden auf, wobei die Wunden nach initialer Abheilung wieder aufbrechen.
  • Diagnostik
    • Die Diagnose erfolgt durch klinische Untersuchung, Anamnese und ggf. bildgebende Verfahren wie Duplexsonographie zur Beurteilung der venösen Insuffizienz.
    • Eine Differenzialdiagnose ist wichtig, um andere Ursachen von Beinulzerationen auszuschließen.

Prognose

  • Therapie
    • Eine spontane Abheilung ist ohne Therapie nicht zu erwarten. Die klassische konservative Therapie umfasst das Exsudatmanagement und eine adäquate Kompressionsbehandlung.
    • Interventionelle und operative Venentherapien können erforderlich sein, um die venöse Insuffizienz zu behandeln und die Heilung zu fördern.
  • Heilungschancen
    • Die Aussicht auf Heilung ist grundsätzlich gut, insbesondere bei frühzeitiger und konsequenter Behandlung.
    • Zeigt das Ulkus nach drei Monaten Therapie keine Tendenz zur Heilung oder ist es nicht innerhalb von 12 Monaten abgeheilt, gilt es als therapieresistent.
    • Häufig sind lange Behandlungszeiten erforderlich, und es besteht eine hohe Rezidivrate (Rate des Wiederauftretens), die eine konsequente Prävention notwendig macht.
  • Komplikationen
    • Bei etwa 20 % der Patienten besteht eine Thrombophilie (Thromboseneigung), die das Risiko für tiefe Venenthrombosen (TVT) erhöht.
    • Etwa 56 % der Patienten berichten über neuropathische Schmerzen, die die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen können [1].
  • Langzeitprognose
    • Rezidivierende Ulzerationen (wiederkehrende Geschwürbildung) sind häufig, was eine kontinuierliche präventive Therapie erforderlich macht.
    • Regelmäßige Kontrollen und Anpassungen der Therapie sind notwendig, um das Auftreten neuer Ulzerationen zu verhindern und die Lebensqualität zu verbessern.

Literatur

  1. Eusen M et al.: Neuropathic pain in patients with chronic leg ulcers. J Eur Acad Dermatol Venereol 2016, online 7. Juni; doi: 10.1111/jdv.13647

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Diagnostik und Therapie des Ulcus cruris venosum. (AWMF-Registernummer: 037-009). Januar 2024 Langfassung