Subduralhämatom (SDH) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Ein Subduralhämatom (SDH) ist eine pathologische Blutansammlung im Subduralraum, der sich zwischen der Dura mater (äußerste, dickste Hirnhaut) und der Arachnoidea mater (Spinnwebenhaut) befindet. Der Subduralraum enthält normalerweise nur eine geringe Menge Liquor cerebrospinalis (Hirn-Rückenmarks-Flüssigkeit, „Nervenwasser“), dient als mechanischer Schutz des Gehirns und ermöglicht die Bewegung des Gehirns innerhalb des Schädels. Ein Subduralhämatom entsteht durch eine Verletzung von Brückenvenen, die den Subduralraum durchziehen und das venöse Blut vom Gehirn zur Dura mater ableiten.

Ursprung der Blutung

Der häufigste Ursprung der Blutung sind Brückenvenen, die durch den Subduralraum verlaufen und aufgrund ihrer Lage bei bestimmten mechanischen Einwirkungen (z. B. Trauma, Scherkräfte) reißen können. Diese Brückenvenen verlaufen von der Oberfläche des Gehirns zur Dura mater, und eine Ruptur führt zur Einblutung in den Subduralraum.

Anatomische und physiologische Prädispositionen

  • Hirnatrophie (Hirnschrumpfung): Im Alter und bei chronischem Alkoholismus kommt es häufig zu einer Atrophie des Gehirns, was zu einer Vergrößerung des Subduralraums führt. Dadurch werden die Brückenvenen stärker unter Zug gesetzt, was das Risiko einer Ruptur erhöht.
  • Neomembran-Bildung bei chronischen Subduralhämatomen: Im chronischen Verlauf kann sich um die initiale Blutansammlung eine bindegewebige Membran bilden, die als Neomembran bezeichnet wird. Diese Membranen sind durchzogen von neu gebildeten Kapillaren, die sehr permeabel (durchlässig) sind. Aufgrund dieser hohen Durchlässigkeit kommt es häufig zu Nachblutungen, was die Größe des Hämatoms und den Druck auf das Gehirn weiter vergrößern kann.

Pathogenese nach zeitlicher Klassifikation

Es wird zwischen akuten und chronischen Subduralhämatomen unterschieden:

Akutes Subduralhämatom

  • Tritt in der Regel innerhalb von 72 Stunden nach einem schweren Kopftrauma auf.
  • Es entsteht durch eine rasche Ruptur der Brückenvenen durch direkte Scherkräfte.
  • In seltenen Fällen kann es auch durch Blutungen aus arteriellen Gefäßen, insbesondere aus der A. cerebri media, verursacht werden.
  • Aufgrund der schnell auftretenden Kompression des Gehirns kann das akute Subduralhämatom zu einem akuten Anstieg des intrakraniellen Drucks (ICP) führen, was potenziell lebensbedrohlich ist.

Chronisches Subduralhämatom

  • Entwickelt sich über Wochen bis Monate nach einem geringfügigen Trauma, das meist bereits vergessen ist.
  • Charakterisiert durch langsame und unbemerkte Blutungen, die typischerweise durch die Ruptur der bereits verlängerten Brückenvenen im Zusammenhang mit einer Hirnatrophie entstehen.
  • Die Neomembranbildung um das initiale Hämatom führt zur Angioneogenese (Neubildung von Blutgefäßen), was das Risiko für rezidivierende Blutungen erhöht.
  • Häufig bilaterale Lokalisation, insbesondere bei Patienten unter Antikoagulanzientherapie oder bei Koagulopathien (Gerinnungsstörungen).

Risikofaktoren

  • Alter: Die Prävalenz von Subduralhämatomen nimmt im Alter aufgrund der physiologischen Hirnatrophie und der damit verbundenen erhöhten Spannung auf die Brückenvenen deutlich zu.
  • Alkoholismus: Alkohol führt ebenfalls zu einer Hirnatrophie, was die Spannung auf die Brückenvenen erhöht und die Kapillarstabilität vermindert.
  • Antikoagulanzientherapie (Gerinnungshemmer): Patienten, die Antikoagulanzien (z. B. Warfarin, DOAKs) oder Thrombozytenaggregationshemmer (z. B. ASS, Clopidogrel) einnehmen, haben ein signifikant höheres Risiko für die Entwicklung von Subduralhämatomen.
  • Gerinnungsstörungen: Angeborene oder erworbene Koagulopathien (Blutgerinnungsstörungen) können das Risiko eines Subduralhämatoms erhöhen.
  • Trauma: Ein direkter Kopfaufprall oder eine Beschleunigungs-Dezeleration-Verletzung, z. B. bei Verkehrsunfällen oder Stürzen, sind die häufigsten auslösenden Mechanismen.

Klinische Auswirkungen

  • Akutes Subduralhämatom: Die plötzliche Blutung führt zu einer rapiden Verdrängung und Kompression des Gehirns, was eine schnelle Behandlung notwendig macht. Es kann zu einer Herniation (Hirnverlagerung) und einem akuten Hirndruckanstieg kommen.
  • Chronisches Subduralhämatom: Entwickelt sich langsamer, daher sind die Symptome oft unspezifisch und können Verwirrtheit, Kopfschmerzen, Gedächtnisstörungen, Gangunsicherheit und fokale neurologische Ausfälle umfassen.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Das Subduralhämatom ist eine potenziell lebensbedrohliche Erkrankung, die in akuter Form nach einem schweren Trauma und in chronischer Form nach leichten Verletzungen oder sogar spontan auftreten kann. Die Bildung einer Neomembran und die hohe Permeabilität der Kapillaren bei chronischen Subduralhämatomen führen zu häufigen Rezidivblutungen. Eine schnelle Diagnose und Behandlung sind entscheidend, um das Risiko einer dauerhaften neurologischen Schädigung zu minimieren.

Ätiologie (Ursachen)

Akutes Subduralhämatom

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Genussmittelkonsum
    • Alkoholabusus (Alkoholabhängigkeit) – Erhöht das Risiko für Stürze und Schädel-Hirn-Traumata, die sowohl chronische als auch akute SDHs begünstigen.
  • Körperliche Aktivität
    • Unzureichender Schutz bei Sturzgefahr – Fehlen von Sturzpräventionsmaßnahmen, insbesondere bei älteren Menschen, erhöht das Risiko für SDHs.
  • Psycho-soziale Situation
    • Unbehandelter Schwindel oder Gleichgewichtsstörungen – Führt zu einer erhöhten Sturzgefahr.

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Im Rahmen von schweren Schädel-Hirn-Traumata (SHT): Schlag oder Stoß gegen den Kopf, Verkehrsunfälle

Chronisches Subduralhämatom

Biographische Ursachen

  • Lebensalter – Alter (> 65 Jahre): Die Atrophie des Gehirns bei älteren Menschen begünstigt das Risiko für venöse Blutungen nach Bagatelltraumata.

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Genussmittelkonsum
    • Alkoholabusus (Alkoholabhängigkeit) – Erhöht das Risiko für Stürze und Schädel-Hirn-Traumata, die sowohl chronische als auch akute SDHs begünstigen.
  • Körperliche Aktivität
    • Unzureichender Schutz bei Sturzgefahr – Fehlen von Sturzpräventionsmaßnahmen, insbesondere bei älteren Menschen, erhöht das Risiko für SDHs.
  • Psycho-soziale Situation
    • Unbehandelter Schwindel oder Gleichgewichtsstörungen – Führt zu einer erhöhten Sturzgefahr.

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Diabetes mellitus – begünstigt die Entstehung eines Subduralhämatoms durch gefäßschädigende Wirkungen
  • Hypertonie (Bluthochdruck) – begünstigt die Entstehung eines Subduralhämatoms durch gefäßschädigende Wirkungen
  • Koagulopathien (Blutgerinnungsstörung)
  • Zerebrale Amyloidangiopathie (ZAA) – extrazelluläre Ablagerung von β‑Amyloid in die Gefäßwand kleiner bis mittelgroßer zerebraler und leptomeningealer Arterien, Arteriolen, Venen und Kapillaren; dieses führt zu Mikroaneurysmen (Ausweitungen der Gefäßwand der kleinen Blutgefäße), fibrinoiden Nekrosen (Absterben von Zellen), Gefäßverschlüssen und Aufsplitterungen [1]

Medikamente

  • Antikoagulantien
    • Cumarine (Phenprocoumon* (Produktnamen: Marcumar, Falithrom); Warfarin (Produktnamen: Coumadin, Marevan); Acenocumarol (Produktname: Sintrom))
    • Direkte Inhibitor des Thrombins (Argatroban, Lepirudin)
    • Heparin-Analoga (Fondaparinux)
    • Heparine (Certoparin, Dalteparin, Enoxaparin, Nadroparin, Reviparin, Tinzaparin)
    • Heparinoide (Danaparoid
    • Neue orale Antikoagulantien (NOAK; NOAC; direkte orale Antikoagulantien, DOAK)
      • Direkter Faktor Xa-Inhibitor (Apixaban, Edoxaban, Rivaroxaban)
      • Direkter und selektiver Faktor-Xa-Inhibitor (Apixaban)
      • Selektiver Thrombininhibitor (Dabigatran); Antidot: Idarucizumab kann die Wirkung des oralen Antikoagulans Dabigatran innerhalb von Minuten aufheben; Blutungsstopp innerhalb von 2,5 Stunden – es kann aber nach 12 bis 24 Stunden zu einem erneuten Anstieg der Blutungszeiten kommen, was bei einigen Patienten zu einer erneuten Blutung führte [2].
    • Thrombozytenaggregationshemmer (Abciximab, Acetylsalicylsäure (ASS), Kombination aus Acetylsalicylsäure und Dipyridamol, Clopidogrel, Eptifibatid, Ilomedin (Prostacyclin-Analogon), Prasugrel, Ticagrelor, Ticlopidin, Tirofiban)
      Eine niedrig dosierte (bis 300 mg/Tag) Dauermedikation mit Acetylsalicylsäure (ASS; Thrombozytenaggregationshemmer), wie sie im Rahmen der Primär- und Sekundärprävention von vaskulären Ereignissen verordnet wird, erhöht nicht das Risiko intrakranieller Blutungen [2].
  • Fibrinolytika (Arzneimittel zur akuten Behandlung von Erkrankungen, die durch einen Gefäßverschluss verursacht werden; sie führen zur Auflösung des Blutgerinnsels)

Weitere Ursachen

  • Im Rahmen von leichten bis mittelschweren Schädel-Hirn-Traumata (SHT) – Bagatelltraumata, z. B. durch Stürze (vor allem bei älteren Personen), Sportunfälle
  • Veränderungen des Hirndrucks – z. B. bei Druckentlastung bei epileptischen Anfällen (Krampfanfällen), Hydrocephalus (krankhafte Erweiterung der liquorgefüllten Flüssigkeitsräume (Ventrikel) des Gehirns/veraltet "Wasserkopf"), Liquordrainagen (zur Ableitung von Hirnwasser), Lumbalpunktion (Liquorpunktion)

Literatur

  1. Rivier CA et al.: Cerebral Amyloid Angiopathy and Risk of Isolated Nontraumatic Subdural Hemorrhage Author Affiliations JAMA Neurol. Published online December 26, 2023. doi:10.1001/jamaneurol.2023.4918
  2. Cea Soriano L, Gaist D, Soriano-Gabarró M, Bromley S, García Rodríguez LA: Low-dose aspirin and risk of intracranial bleeds: An observational study in UK general practice. Neurology 2017; 89: 2280-7