Schock – Einleitung

Ein Schock bezeichnet ein Kreislaufversagen, bei dem es zu einer unzureichenden Durchblutung der Organe kommt, was zu einer Sauerstoffunterversorgung (Hypoxie) und in der Folge zu einer Beeinträchtigung der Organfunktionen führt.

Synonyme und ICD-10: Akute Kreislaufinsuffizienz; Akutes peripheres Kreislaufversagen; Aseptischer Schock; Blutungsschock; Endotoxinschock; Hypovolämischer Schock; Hämatologischer Schock; Hämorrhagischer Schock; Kardialer Schock; Kardiogener Schock; kardiorespiratorischer Kollaps; Kardiovaskulärer Kollaps; Kardiovaskulärer Schock; Kreislaufkollaps; Kreislaufversagen; Peripherer vaskulärer Kollaps; peripheres Kreislaufversagen; Schock durch Blutung; Vasomotorischer Anfall; Volumenmangelschock; ICD-10-GM R57: Schock, andernorts nicht klassifiziert

Pathophysiologie des Schocks

Ein Schockzustand entsteht, wenn es zu einem Missverhältnis zwischen dem Bedarf und der tatsächlichen Versorgung des Körpers mit Sauerstoff und Nährstoffen kommt. Dies kann durch eine Vielzahl von Ursachen ausgelöst werden, wie zum Beispiel durch einen massiven Blutverlust bei einem Verkehrsunfall, der zu einem hypovolämischen Schock führt. In einem solchen Fall versucht der Körper, den Blutfluss auf lebenswichtige Organe wie das Herz und das Gehirn zu konzentrieren, was jedoch bei anhaltender Dauer zu einer unzureichenden Versorgung anderer Organe und Gewebe führen kann, wodurch deren Funktion beeinträchtigt wird oder sie geschädigt werden.

Hämodynamisch wird ein Schock oft durch einen systolischen Blutdruck von weniger als 90 mmHg oder einen arteriellen Mitteldruck (MAP) von weniger als 65 mmHg definiert. Diese Werte sind wichtige Indikatoren für eine unzureichende Organperfusion, was sofortige medizinische Interventionen erforderlich macht.

Charakteristische Laborbefunde

Bei einem Schock, unabhängig von der Ursache, können verschiedene charakteristische Laborbefunde auftreten, die auf die systemische Beeinträchtigung hinweisen. Hier sind einige der typischen Laborparameter, die bei einem Schock beobachtet werden:

  • Lactat: Erhöhte Laktatwerte (> 2 mmol/L) weisen auf eine Gewebehypoperfusion (Gewebeminderdurchblutung) und anaerobe Stoffwechselprozesse hin.
  • Kreatinin: Erhöhter Kreatininspiegel aufgrund einer Niereninsuffizienz (Nierenschwäche), die durch verminderte Nierendurchblutung verursacht wird.
  • Leukozytose oder Leukopenie: Abnormale Leukozytenzahlen (weiße Blutkörperchen) können auf eine zugrunde liegende Infektion oder Entzündungsreaktion hinweisen.
  • Metabolische Azidose: Erniedrigter pH-Wert und erniedrigter Bikarbonatspiegel im Blut durch Ansammlung von Säuren (z. B. Lactat).
  • Hyperglykämie: Erhöhter Blutzucker durch Stressreaktionen und Freisetzung von Stresshormonen (z. B. Adrenalin, Cortisol).
  • Elektrolytstörungen: Natrium-, Kalium- und Calcium-Ungleichgewichte können durch eine unzureichende Durchblutung der Organe und den Einfluss von Medikamenten auftreten.
  • Thrombozytopenie: Verminderte Thrombozytenzahl (Blutplättchen), insbesondere bei septischem Schock, aufgrund einer disseminierten intravasalen Koagulopathie (DIC).
  • Erhöhte Entzündungsmarker: CRP (C-reaktives Protein) und Procalcitonin können erhöht sein, insbesondere bei infektiösem/septischem Schock.
  • Erhöhte Transaminasen (AST, ALT): Weisen auf eine Leberschädigung hin, die durch die verminderte Leberdurchblutung oder Hypoxie (Sauerstoffunterversorgung) verursacht wird.

Diese Laborparameter helfen bei der Diagnose, der Beurteilung des Schweregrads und der Überwachung des Verlaufs eines Schockzustands.

Formen des Schocks

Der Schock wird in vier Kategorien klassifiziert:

  • Hypovolämischer Schock (= unzureichenden Durchblutung von Organen aufgrund eines meistens akuten intravasalen Volumenverlustes/akuter Volumenmangel); dieser unterteilt sich in vier Untergruppen [1]
    • Hämorrhagischer Schock: Infolge akuter Blutung ohne wesentliche Gewebeschädigung 
    • Traumatisch-hämorrhagischer Schock – infolge akuter Blutung mit Gewebeschädigung (→ Freisetzung von Aktivatoren des Immunsystems)
    • Hypovolämischer Schock im engeren Sinne: kritische Abnahme des zirkulieren Plasmavolumens ohne akute Blutung
    • Traumatisch-hypovolämischer Schock: kritische Abnahme des zirkulieren Plasmavolumens ohne akute Blutung mit Gewebeschädigung  (→ Freisetzung von Mediatoren)
  • Distributiver Schock – relative Hypovolämie infolge pathologischer (krankhafter) Umverteilung des absoluten intravasalen Volumens (häufigste Schockform); dieser unterteilt sich in drei Untergruppen:
    • Anaphylaktischer Schock (Anaphylaxie) und anaphylaktoider Schock: Schock infolge einer schweren allergischen Reaktion (in der Regel als mastzellabhängige allergische Sofortreaktion (Typ I, IgE-vermittelt; vor allem durch Insektengifte, Nahrungsmittel und Medikamente), die zu einer Störung der peripheren Kreislaufregulation mit relativem Volumenmangel durch erhöhte Kapillarpermeabilität entsteht, d. h. Verschiebung von intravasalen Volumen nach extravasal (s. u. anaphylaktischer Schock)
    • Septischer Schock: Schock aufgrund einer schweren generalisierten Infektion (Blutvergiftung), die zu einer Störung der peripheren Kreislaufregulation mit relativem Volumenmangel durch Gefäßdilatation (Gefäßerweiterung) entsteht (s. u. Sepsis)
    • Neurogene Schock: Schock aufgrund einer Reizung des vegetativen Nervensystems infolge einer schmerzhaften Verletzung
  • Kardiogener SchockSchock aufgrund eines akuten Pumpversagens (akute Rechtsherzversagen (RHV), akute Linksherzversagen (LHV): z. B. Myokardinfarkt (Herzinfarkt) (infarktbedingter kardiogener Schock (IkS)) (s. u. kardiogener Schock)
  • Obstruktiver Schock: Flussbehinderung vor oder hinter dem Herzen, d. h. Zustand, der durch die Obstruktion (Verengung) großer Gefäße oder des Herzens verursacht wird; ähnelt in der Symptomatik dem kardiogenen Schock, muss aber wegen der grundsätzlich anderen notwendigen Therapiemaßnahmen von diesem abgegrenzt werden

Ein Schock kann Symptom vieler Erkrankungen sein (siehe unter "Differentialdiagnosen").

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.

Häufigkeitsgipfel:
Erhöhtes Risiko in der älteren Bevölkerung und bei Patienten mit Grunderkrankungen wie Herzinsuffizienz oder schweren Infektionen.

Prävalenz
(Krankheitshäufigkeit): Variiert je nach Population und Risikofaktoren.

Inzidenz
(Häufigkeit von Neuerkrankungen): Daten zur genauen Inzidenz sind variabel, jedoch ist der Schock eine häufige Komplikation bei schwerkranken Patienten.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Initiale Phase: Symptome wie Tachykardie (Herzrasen), Hypotonie (niedriger Blutdruck), kalte und blasse Haut, Bewusstseinsstörungen (Verwirrtheit oder Benommenheit).
  • Progressive Phase: Verschlechterung der Organfunktionen, Laktatazidose (Übersäuerung des Blutes durch Milchsäure), Multiorganversagen (Versagen mehrerer Organe).
  • Irreversible Phase: Anhaltende Hypoperfusion (unzureichende Blutversorgung) führt zu irreversiblen Organschäden und Tod.

Prognose

  • Früherkennung und Behandlung: Eine frühzeitige Erkennung und adäquate Behandlung sind entscheidend für die Prognose.
  • Abhängigkeit von der Schockart:
    • Hypovolämischer Schock: Gute Prognose bei schneller Volumen- und Bluttransfusion (Flüssigkeits- und Blutgabe).
    • Kardiogener Schock: Hohe Mortalität (Sterberate), abhängig von der Ursache und der schnellen Intervention (Behandlung).
    • Septischer Schock: Hohe Mortalität, abhängig von der rechtzeitigen Antibiotikatherapie und intensivmedizinischen Betreuung (Behandlung auf der Intensivstation).
    • Anaphylaktischer Schock: Gute Prognose bei schneller Gabe von Adrenalin (Notfallmedikament) und Antihistaminika (Medikamente gegen allergische Reaktionen).

Literatur

  1. Adams HA, Baumann G, Cascorbi I et al.: Interdisziplinäre Behandlungspfade: Hypovolämischer Schock. Eine Empfehlung der IAG Schock der DIVI. Monographie Deutscher Ärzteverlag, Köln, 2010.

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Anaphylaxie, Akuttherapie und Management. (AWMF-Registernummer: 061-025), Dezember 2013 Langfassung
  2. Muraro et al.: Anaphylaxis: Guidelines from the European Academy of Allergy and Clinical Immunology, Allergy 2014 Aug;69(8):1026-45. doi: 10.1111/all.12437. Epub 2014 Jun 9.
  3. S3-Leitlinie: Intraaortale Ballongegenpulsation in der Herzchirurgie. (AWMF-Registernummer 011 - 020) Mai 2015 Langfassung
  4. S3-Leitlinie: Infarkt-bedingter kardiogener Schock – Diagnose, Monitoring und Therapie. (AWMF-Registernummer 019-013) Februar 2019 Kurzfassung Langfassung