Schlaganfall (Apoplex) – Anamnese

Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik des Apoplexes (Schlaganfall) dar.

Familienanamnese

  • Gibt es in Ihrer Familie häufig Herz-KreislaufErkrankungen, neurologische Krankheiten?

Soziale Anamnese

  • Gibt es Hinweise auf psychosoziale Belastungen oder Belastungen auf Grund Ihrer familiären Situation?

Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)

  • Lag eine Bewusstlosigkeit vor?* (Fremdanamnese)
  • Haben Sie Symptome wie Lähmungen, Sensibilitätsausfälle, Schwindel, Sehstörungen oder Sprachstörungen bemerkt?*
  • Haben Sie Beschwerden wie Übelkeit und Erbrechen?
  • Haben Sie ggf. weitere Beschwerden wie
    • Kopfschmerzen
    • Schwindel
    • Augenzittern mit langsamer Bewegung in der einen und schneller nachfolgender Bewegung in der entgegengesetzten Richtung
    • Gangunsicherheit*
  • Wenn ja, wie lange bestehen diese Symptome schon?*
  • Sind diese Symptome früher schon einmal aufgetreten?*

Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese

  • Sind Sie übergewichtig? Geben Sie uns bitte Ihr Körpergewicht (in kg) und Ihre Körpergröße (in cm) an.
  • Ernähren Sie sich ausgewogen?
    • Ernähren Sie sich salzreich? (Salz als Geschmacksgeber, salzige Knabbereien, Räucher- und Pökelwaren, Fertiggerichte, Restaurantessen, Konserven, Wurst, Käse)
    • Essen Sie viele Nahrungsmittel, die gesättigte Fettsäuren enthalten? (tierische Fette, enthalten in Wurst, Fleisch, Käse)
    • Essen Sie viele zuckerhaltige Lebensmittel?
  • Bewegen Sie sich täglich ausreichend?
  • Rauchen Sie? Wenn ja, wie viele Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen pro Tag?
  • Trinken Sie Alkohol? Wenn ja, welches Getränk bzw. welche Getränke und wie viele Gläser pro Tag?
  • Nehmen Sie Drogen? Wenn ja, welche Drogen (Amphetamine, Cannabis, Kokain) und wie häufig pro Tag bzw. pro Woche?

Eigenanamnese inkl. Medikamentenanamnese

  • Vorerkrankungen (Herz-Kreislauf-Erkrankungen, arterielle Hypertonie (Bluthochdruck), Herzrhythmusstörungen (Vorhofflimmern), Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen)
    Vorerkrankungen die auf die Wahrscheinlichkeit von Stroke mimics hinweisen: Bekannte Epilepsie, psychiatrische Vorerkrankung, Migraine in der Vorgeschichte, Leberzirrhose und Alter < 50 Jahre.
  • Operationen (Perkutane Koronarintervention (PCI)  → ischämische Schlaganfälle nach PCI/Verfahren, das zur Erweiterung von stenosierten (verengten) oder vollständig verschlossenen Koronarien (Arterien, die kranzförmig das Herz umgeben und den Herzmuskel mit Blut versorgen) dient (= Post-PCI-Schlaganfälle) (relativ seltene Komplikation))
  • Allergien

Medikamentenanamnese

  • Alphablocker:
    • In den ersten 21 Tagen nach der ersten Verordnung von Alfuzosin, Doxazosin, Tamsulosin oder Terazosin kam es zu einem Anstieg der ischämischen Apoplexe (Schlaganfälle) um 40 % kommt [37]
    • Patienten, die gleichzeitig neben einem Alphablocker ein weiteres Antihypertensivum (Medikament zur Blutdrucksenkung) einnahmen, hatten in der Postexposition-1-Periode ( ≤ 21 Tage danach) kein erhöhtes Apoplexrisiko und die Inzidenz in der Postexposition-2-Periode (22-60 Tage danach) sank noch weiter (IRR 0,67) [37]
      Fazit: Möglicherweise reagieren Normotoniker empfindlicher gegenüber dem First-dose-Effekt der Alphablocker.
    • ALLHAT-Studie: Doxazosin-Patienten hatten ein höheres Risiko für Schlaganfälle und kombinierte kardiovaskuläre Erkrankungen als Chlorthalidon-Patienten. Das Risiko für KHK war verdoppelt [10].
  • Antidopaminerge Antiemetika – Domperidon, Metopimazin* und Metoclopramid* (*stärkste Risikoerhöhung) [79]
  • L-α-Glycerylphosphorylcholin (Alpha-GPC) (Nootropikum) [77]
  • Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR; z. B. Ibuprofen, Diclofenac) inkl. COX-2-Hemmer (Synonyme: COX-2-Inhibitoren; allgemein: Coxibe; z. B. Celecoxib, Etoricoxib, Parecoxib) – erhöhtes Risiko bei aktueller Einnahme von Rofecoxib und Diclofenac [9]; erhöhtes Risiko eines ischämischen Infarkts bei Einnahme von Diclofenac und Aceclofenac bis 30 Tage vor dem Ereignis [22] 
  • Aceclofenac ist ähnlich wie Diclofenac und die selektiven COX-2-Inhibitoren mit einem erhöhten Risiko arterieller thrombotischer Ereignisse assoziiert [Quelle: Rote-Hand-Briefe; BfArM].
  • Paracetamol (Gruppe der nichtsauren Analgetika) erhöhte als Schmerztherapie bei Altenheimbewohnern (N = 5.000; 2.200 Probanden nahmen täglich Paracetamol ein, die durchschnittliche Dosis betrug 2.400 mg) die Rate für Apoplexe im Mittel auf das Dreifache [67].
  • Die Einnahme von oralen Kontrazeptiva (Antibabypille) der neuen Generation stehen mit einem erhöhten Risiko eines erstmaligen Hirninfarkts in Verbindung. Bei hormonellen Kontrazeptiva mit niedrigerer Östrogenkonzentration war das Hirninfarktrisiko im Vergleich zu denen mit normaler Östrogenkonzentration niedriger.
    Alle vier Generationen von Gestagenen wurden mit einem erhöhten Risiko für einen ischämischen Schlaganfall assoziiert. Das Risiko für einen ischämischen Schlaganfall schien bei den Nutzern der vierten Generation etwas geringer zu sein als bei denen der Vorläufergenerationen von Gestagenen [29].
    Hinweis: Eine transdermale Östrogentherapie (Pflastertherapie) erhöht nicht das Risiko für ischämische zerebrovaskuläre Ereignisse.
  • Regadenoson (selektiver koronarer Vasodilatator), der nur zu diagnostischen Zwecken angewendet werden darf (Stressauslöser für Myokardperfusionsaufnahmen; myocardial perfusion imaging, MPI), erhöht das Apoplexrisiko; Kontraindikationen (Gegenanzeigen): Vorhofflimmern in der Vorgeschichte oder bestehendes Risiko einer schwerwiegenden Hypotonie (niedriger Blutdruck); Cave. Aminophyllin wird zur Beendigung von Regadenoson-bedingten Anfällen nicht empfohlen! [20]
  • Statine – medikamentöse Senkung von LDL-Cholesterin geht mit einer absoluten Risikoerhöhung um 0,3 % für hämorrhagische Infarkte einher [85]
  • Therapie mit rekombinanten Wachstumshormonen (STH) in der Kindheit – im Erwachsenenalter: Faktor 3,5 bis 7,0 erhöhte Inzidenzrate von hämorrhagischen Schlaganfällen; Faktor 5,7 bis 9,3 erhöhte Rate von Subarachnoidal­blutungen [18]

Umweltanamnese

  • Lärm:
    • Straßenlärm: Im Vergleich zu Straßenlärm < 55 db erhöht Straßenlärm > 60 db das Apoplexrisiko bei Erwachsenen um signifikante 5 % und bei über 75-Jährigen um signifikante 9 % [34]
    • Fluglärm:  Anstieg des durchschnittlichen Lärmpegels um 10 Dezibel erhöht das Schlaganfallrisiko um 1,3 % [65]
  • Luftschadstoffe
    • Feinstaub [25, 43] durch Umwelt, Haushalt (durch Kohleofen und Herd)
      • Feinstaub (Partikel mit einer Masse von < 2,5 μm Durchmesser, PM2,5), Stickstoffdioxid (NO2), Ruß und Ozon (O3) [9]
    • Smog (Feinstaub, Stickstoffdioxid, Schwefeldioxid) [28] 
  • Wetter
    • Temperaturstürze (Risikoerhöhung; das Risiko bleibt 2 weitere Tage erhöht; Temperaturabfall um je etwa 3 °C erhöht das Apoplexrisiko um 11 %) [36]
    • Schneller Wechsel der Luftfeuchtigkeit sowie des Luftdrucks [36]
    • Tropische Nächte [86]
  • Schwermetalle (Arsen, Cadmium, Blei, Kupfer) [61] 

* Falls diese Frage mit "Ja" beantwortet worden ist, ist ein sofortiger Arztbesuch erforderlich! (Angaben ohne Gewähr)

Literatur

  1. Literatur zur Medikamentenanamnese und Umweltanamnese s. u. Ursachen