Rheumatisches Fieber – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Das rheumatische Fieber ist eine autoimmunvermittelte Systemerkrankung, die als Folge einer Infektion mit beta-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A (Streptococcus pyogenes) entsteht. Die Erkrankung tritt typischerweise 2-3 Wochen nach einer Streptokokkeninfektion des Rachens (meist Tonsillopharyngitis) auf und führt zu einer Entzündungsreaktion in verschiedenen Organen wie dem Herz, Gelenken, Haut und dem Zentralnervensystem (ZNS).

Pathophysiologische Mechanismen

Die Entstehung des rheumatischen Fiebers beruht auf einer aberranten Immunantwort des Körpers auf die Streptokokkeninfektion, die durch das Phänomen des molekularen Mimikrys vermittelt wird. Dabei greift das Immunsystem fälschlicherweise körpereigene Gewebe an, da bestimmte bakterielle Antigene den Strukturen in Herz-, Gelenk- und Nervengewebe ähnlich sind.

  • Infektion durch beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A:
    • Die primäre Infektion manifestiert sich häufig als akute Pharyngitis (Rachenentzündung) oder Tonsillitis (Mandelentzündung).
    • Streptokokken der Gruppe A besitzen auf ihrer Zelloberfläche verschiedene Antigene (z. B. das M-Protein), die eine starke Immunantwort induzieren. Diese Antigene ähneln bestimmten Proteinen im menschlichen Körper, insbesondere in der Herzklappenstruktur, den Gelenkknorpeln und im Gehirn.
  • Molekulares Mimikry und Kreuzreaktion:
    • Das bakterielle M-Protein weist strukturelle Ähnlichkeiten zu körpereigenen Proteinen wie Myosin (ein Muskelprotein im Herz), Tropomyosin und anderen Proteinen der Herzklappen auf.
    • Die Immunantwort gegen das M-Protein führt zur Bildung von Antikörpern und T-Zellen, die fälschlicherweise auch körpereigene Gewebe angreifen (Kreuzreaktion). Dabei richten sich die Abwehrmechanismen gegen Herzklappen, Gelenke, Haut und das ZNS.
  • T-Zell-vermittelte Autoimmunreaktion:
    • Aktivierte T-Lymphozyten wandern in die entzündeten Gewebe ein und setzen proinflammatorische Zytokine frei, was zur Rekrutierung weiterer Entzündungszellen führt.
    • In der Folge entstehen in den betroffenen Geweben granulomatöse Entzündungen (z. B. die sogenannten Aschoff-Knötchen im Myokard), die zu strukturellen und funktionellen Veränderungen führen.
  • Folgen der Autoimmunreaktion:
    • Herz: Die entzündliche Reaktion betrifft insbesondere die Herzklappen (meist Mitral- und Aortenklappe) und kann zu einer Endokarditis (Herzinnenhautentzündung, Myokarditis (Herzmuskelentzündung) oder Perikarditis (Herzbeutelentzündung) führen. Im Verlauf kommt es zu Fibrosierung und Vernarbung der Klappen, was eine Klappenstenose (Verengung) oder eine Klappeninsuffizienz (Schlussunfähigkeit) zur Folge haben kann.
    • Gelenke: Die Autoimmunreaktion verursacht eine schmerzhafte, wandernde Polyarthritis, die vorwiegend die großen Gelenke (Knie, Ellenbogen) betrifft. Die Arthritis ist meistens selbstlimitierend, hinterlässt jedoch keine dauerhaften Schäden.
    • ZNS: Eine Beteiligung des ZNS führt zu einer Chorea minor (Sydenham-Chorea), einer Störung mit unwillkürlichen Bewegungen aufgrund der Entzündung in den Basalganglien des Gehirns.
    • Haut: Es treten flüchtige Hautveränderungen wie Erythema marginatum (ringförmige Rötungen) und subkutane Knötchen auf.

Zusammenfassung der klinischen Manifestationen

  • Karditis: Entzündung des Herzens, die Endokard (Herzinnenhaut), Myokard (Herzmuskel) und/oder Perikard (Herzbeutel) betrifft; oft mit bleibenden Klappenschäden.
  • Polyarthritis: Wandernde Entzündung der großen Gelenke, typischerweise selbstlimitierend.
  • Chorea minor (Sydenham-Chorea): Unkontrollierte Bewegungen als Folge der ZNS-Beteiligung.
  • Erythema marginatum: Ringförmige Rötungen, die sich vorwiegend am Rumpf und den Extremitäten manifestieren.
  • Subkutane Knötchen: Kleine, schmerzlose Knötchen, die vorwiegend über knöchernen Vorsprüngen liegen.

Aktuelle Hypothesen

  • Es wird vermutet, dass genetische Faktoren das Risiko für die Entwicklung eines rheumatischen Fiebers nach einer Streptokokkeninfektion erhöhen. Verschiedene genetische Marker, darunter bestimmte HLA-Genotypen, wurden mit einer erhöhten Krankheitsanfälligkeit in Verbindung gebracht.
  • Neuere Studien legen nahe, dass eine veränderte Regulation der T-Zell-Antwort und eine fehlgeleitete Antikörperproduktion entscheidende Faktoren in der Pathogenese des rheumatischen Fiebers sind.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung: Die Gefahr, nach einer Infektion mit β-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A an einem rheumatischen Fieber zu erkranken, wird von einer Genvariante für die lange Kette des Immunglobulins beeinflusst [1].

Krankheitsbedingte Ursachen

Atmungssystem (J00-J99)

  • Tonsillitis (Mandelentzündung) durch A-Streptokokken
  • Pharyngitis (Rachenschleimhautentzündung) durch A-Streptokokken

Literatur

  1. Parks T et al.: Association between a common immunoglobulin heavy chain allele and rheumatic heart disease risk in Oceania. Nature Communications 8, Article number: 14946 (2017) doi:10.1038/ncomms14946