Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die chronische periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) der unteren Extremitäten ist eine Form der Atherosklerose (Arteriosklerose, Arterienverkalkung), die in ca. 95 % der Fälle auf einer chronischen, progredienten (fortschreitenden) Gefäßverengung oder einem vollständigen Verschluss der arteriellen Gefäße der Beine beruht. Die pAVK wird durch eine Verengung der Arterien verursacht, die den Blutfluss in den betroffenen Extremitäten reduziert, was insbesondere bei körperlicher Belastung zu Sauerstoffmangel (Hypoxie) und schmerzhaften Beschwerden führt.

Ätiopathogenese der Atherosklerose

Die Atherosklerose ist die Hauptursache der pAVK und verläuft in mehreren Phasen, die durch spezifische zelluläre und molekulare Mechanismen gekennzeichnet sind:

  • Endotheliale Dysfunktion: Der Prozess beginnt mit einer Schädigung der Endothelzellen (Zellen, die die Gefäßinnenwand auskleiden), z. B. durch erhöhtes LDL-Cholesterin (Low-Density-Lipoprotein), oxidativen Stress, Hypertonie (Bluthochdruck) oder andere Risikofaktoren wie Nikotinabusus und Diabetes mellitus. Diese Endothelschädigung führt zu einer erhöhten Permeabilität (Durchlässigkeit) der Gefäßwand, sodass LDL-Partikel in die Intima (innere Gefäßschicht) eindringen können.
  • Lipidakkumulation und Entzündung: In der Intima kommt es zur Anreicherung von LDL, das durch oxidative Modifikationen verändert wird (oxidiertes LDL). Dieses oxidierte LDL wirkt als proinflammatorisches Signal und aktiviert Monozyten (Vorläufer der Makrophagen), die aus dem Blut in die Gefäßwand einwandern. Die Monozyten differenzieren zu Makrophagen und phagozytieren (verschlingen) das oxidierte LDL, wodurch sogenannte Schaumzellen (foam cells) entstehen.
  • Bildung atherosklerotischer Plaques: Die Schaumzellen setzen Zytokine und Wachstumsfaktoren frei, die weitere Monozyten und glatte Muskelzellen aus der Media (mittlere Gefäßschicht) in die Intima locken. Dies führt zur Proliferation (Vermehrung) und Migration von glatten Muskelzellen und zur Produktion von Kollagen, Elastin und anderen Bestandteilen der extrazellulären Matrix, was zur Bildung fibröser Plaques (Plaques, die aus einer Mischung von Lipiden, Bindegewebe und Schaumzellen bestehen) führt.
  • Plaque-Progression und -Komplikationen: Mit zunehmender Größe der Plaques kommt es zur Einengung des Gefäßlumens, was den Blutfluss behindert. In fortgeschrittenen Stadien können die Plaques nekrotische Kerne mit Cholesterinkristallen, Kalziumablagerungen und eine fibröse Kappe (caps) enthalten. Instabile Plaques mit dünnen Kappen sind anfällig für Rupturen, die zur Freisetzung von thrombogenen (Gerinnung fördernden) Substanzen führen und die Bildung eines Thrombus (Blutgerinnsel) initiieren.

Pathogenese der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK)

Bei der pAVK handelt es sich um eine spezielle Manifestation der Atherosklerose in den Arterien der unteren Extremitäten. Die Obstruktion (Verschluss) der Arterien führt zu einer Minderdurchblutung der betroffenen Gewebe, die insbesondere bei körperlicher Belastung (z. B. Gehen) zu einer Hypoxie (Sauerstoffmangel) führt. Dies äußert sich klinisch als Claudicatio intermittens ("Schaufensterkrankheit"), die durch belastungsabhängige Schmerzen in den Waden oder Oberschenkeln gekennzeichnet ist und durch eine kurze Ruhepause rasch wieder abklingt.

  • Hypoxie der Muskulatur: Bei einer Belastung übersteigt der Sauerstoffbedarf der Muskulatur den verfügbaren Sauerstoff, was zu einem lokalen Sauerstoffmangel führt. Dieser aktiviert anaerobe Stoffwechselwege, die zur Akkumulation von Lactat und anderen Metaboliten führen, welche die Schmerzen der Claudicatio intermittens verursachen.
  • Kollaterale Gefäßbildung: Bei chronischer pAVK kann es zur Bildung von Kollateralgefäßen kommen, die den Blutfluss teilweise kompensieren. Diese Gefäße sind jedoch meist nicht ausreichend, um die erhöhte Durchblutung während körperlicher Aktivität sicherzustellen.
  • Risikofaktoren und Progression: Typische Risikofaktoren für die Entwicklung der pAVK sind Hyperlipidämie (erhöhte Blutfette), Hypertonie (Bluthochdruck), Diabetes mellitus, Nikotinabusus und Alter. Die Progression der Krankheit führt von der initialen Claudicatio intermittens über Ruheschmerzen (Stadium III) bis hin zur kritischen Extremitätenischämie mit Gewebsverlust (Stadium IV).

Lokalisation der Atherosklerose bei pAVK

Die pAVK betrifft vorwiegend die Arterien der unteren Extremitäten. Bevorzugte Lokalisationen sind:

  • A. femoralis superficialis (häufigste Lokalisation)
  • A. poplitea
  • Infrapopliteale Arterien (Unterschenkelarterien)
  • A. iliaca communis und A. iliaca externa (Beckengefäße)

Die bevorzugte Lokalisation erklärt sich durch die Hämodynamik (Strömungsbedingungen des Blutes), die an den Aufzweigungen und Biegungen der Arterien zu einer erhöhten Scherbelastung führt, die die Endothelzellen schädigen und die Ansammlung von Lipoproteinen begünstigen kann.

Unterschiede zwischen Claudicatio intermittens und kritischer Ischämie

  • Claudicatio intermittens (Stadium II): Belastungsabhängige Schmerzen, die durch eine kurze Ruhepause gelindert werden. Die Betroffenen berichten über eine schmerzfreie Gehstrecke, nach der die Symptome einsetzen.
  • Kritische Extremitätenischämie (Stadium III-IV): Ruheschmerzen, die insbesondere nachts auftreten und durch eine Hängelage des Beines (Schwerkraft hilft dem Blut, in das Gewebe zu fließen) gelindert werden. In fortgeschrittenen Stadien kommt es zu trophischen Störungen wie Ulzerationen (Geschwüren) und Gangrän (Gewebsnekrose).

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Pathogenese der pAVK basiert primär auf der Entstehung und dem Fortschreiten atherosklerotischer Plaques in den großen Arterien der Beine, die zur kritischen Einengung oder zum Verschluss der Gefäße führen. Die klinischen Manifestationen reichen von belastungsabhängigen Schmerzen (Claudicatio intermittens) bis zur kritischen Ischämie mit Gewebsverlust. Die Erkrankung ist eng mit klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren wie Hyperlipidämie, Diabetes mellitus und Rauchen verknüpft. Eine frühzeitige Diagnostik und Risikofaktorenkontrolle sind entscheidend, um die Progression der pAVK zu verlangsamen und Komplikationen zu vermeiden.

Ätiologie (Ursachen) der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK)

Biographische Ursachen

  • Lebensalter – zunehmendes Alter: höchste Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) im sechsten und siebten Lebensjahrzehnt

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – siehe Prävention mit Mikronährstoffen
  • Genussmittelkonsum 
    • Tabak (Rauchen) – relative Risiko von Rauchern für pAVK war mehr als doppelt so hoch wie ihr Risiko für koronare Herzkrankheit (KHK) und Apoplex (Schlaganfall); beim pAVK-Risiko dauerte es ca. 30 Jahre bis sich das Risiko wieder normalisierte; beim KHK-Risiko nach zwanzig rauchfreien Jahren und das Apoplexrisiko normalisierte sich innerhalb von fünf bis zwanzig Jahren [2].
  • Psycho-soziale Situation
    • Negativer Stress am Arbeitsplatz erhöhtes Risiko für eine schwere pAVK in ähnlicher Weise wie für einen Apoplex (Schlaganfall) und Myokardinfarkt (Herzinfarkt) [3]

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Diabetes mellitus (88 % erhöhtes Risiko für eine pAVK [1])
  • Hyperfibrinogenämie – erhöhter Gehalt an Fibrinogen im Blut
  • Hypertonie (Bluthochdruck)
  • Niereninsuffizienz (Nierenschwäche)

Labordiagnosen – Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten 

  • C-reaktives Protein (CRP)
  • Glomeruläre Filtrationsrate (GFR)
  • Hypercholesterinämie – erhöhter Cholesterin-Blutfettspiegel
  • Hyperhomocysteinämie – erhöhte Konzentration der Aminosäure Homocystein im Blut

Ätiologie (Ursachen) der Claudicatio intermittens

Ursachen stenosierender ("verengender") und /oder okklusiver ("verschließender") arterieller Läsionen in den unteren Extremitäten, die zu einer Claudicatio intermittens führen können:

  • Atherosklerose (Arteriosklerose, Arterienverkalkung)
  • Aortenisthmusstenose (ISTA; Synonym: Koarktation der Aorta: Coarctatio aortae) – Einengung der Aorta (Körperhauptschlagader) im Bereich des Aortenbogens
  • Claudicatio spinalis – Schmerzsyndrom bei zu engem Spinalkanal im Bereich der Lendenwirbelsäule
  • Fibromuskuläre Dysplasie – Strukturveränderungen in der Wand der Arterien, die zu Verengungen des Gefäßdurchmessers führen
  • Kongenitale (angeborene) oder erworbene Gefäßmissbildungen
  • Kompressionssyndrome, z. B.: Entrapment-Syndrom (Synonym: Popliteakompressionssyndrom; engl.: popliteal artery entrapment syndrome, PAES) – Durchblutungsstörung des Unterschenkels, die auf einer Schädigung der Arteria poplitea (Kniekehlenarterie) beruht
  • Gefäßtumor
  • Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK)
  • Periphere Embolie (kann auch zur akuten Ischämie/Minderdurchblutung führen)
  • Poplitealzyste (Aussackung der Gelenkkapsel in die Kniekehle und den Unterschenkel hinein)
  • Popliteaaneurysma (krankhafte Erweiterung der Kniekehlenschlagader)
  • Pseudoxanthoma elasticum (PXE, Synonym: Grönblad-Strandberg-Syndrom) – autosomal-dominant oder -rezessiv vererbte Erkrankung, bei der die elastischen Fasern des Bindegewebes durch Einlagerung von Mineralstoffen (Calcium) verändert werden
  • Primäre Gefäßtumoren 
  • Thrombangiitis obliterans (Synonyme: Endarteriitis obliterans, Morbus Winiwarter-Buerger, Von-Winiwarter-Buerger-Krankheit, Thrombangitis obliterans) ‒ Vaskulitis (Gefäßerkrankung), die mit rezidivierenden (wiederkehrenden) arteriellen und venösen Thrombosen (Blutgerinnsel (Thrombus) in einem Blutgefäß) einhergeht; Symptome: belastungsabhängige Schmerzen, Akrozyanose (Blaufärbung der Körperanhänge) und trophische Störungen (Nekrose/ Gewebeschäden, die durch das Absterben von Zellen entstehen und Gangrän der Finger und Zehen im fortgeschrittenen Stadium)
  • Takayasu-Arteriitis (granulomatöse Vaskulitis des Aortenbogens und der abgehenden großen Gefäße; fast ausschließlich bei jungen Frauen)
  • Vaskulitis ( entzündlich-rheumatische Erkrankungen, die zu einer Entzündung der Gefäße führt)
  • Zystische Adventitiadegeneration – seltene Gefäßerkrankung, die vor allem in der Arteria poplitea zu Stenosen (Einengungen) oder Obstruktionen (Verschlüssen) durch zystische Formationen in der Adventitia führen kann
  • Trauma oder Strahlenschäden

Medikamente

  • Aceclofenac ist ähnlich wie Diclofenac und die selektiven COX-2-Inhibitoren mit einem erhöhten Risiko arterieller thrombotischer Ereignisse assoziiert [Quelle: Rote-Hand-Briefe; BfArM]. 

Literatur

  1. Fowkes FG, Rudan D, Rudan I, et al. Comparison of global estimates of prevalence and risk factors for peripheral artery disease in 2000 and 2010: a systematic review and analysis. Lancet 2013; 382: 1329-40
  2. Matsushita K et al.: Cigarette Smoking, Smoking Cessation, and Long-Term Risk of 3 Major Atherosclerotic Diseases. Journal of the American College of Cardiology 2019. https://doi.org/10.1016/j.jacc.2019.05.049
  3. Heikkilä K et al.: Job Strain as a Risk Factor for Peripheral Artery Disease: A Multi-Cohort Study. J Am Heart Assoc 2020;9:e013538