Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) – Operative Therapie

Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK): Leitlinienempfehlungen (S3-Leitlinie)

Revaskularisation

  • Der endovaskulären Behandlung (minimal-invasive Gefäßbehandlung) (interventionelle Therapie durch das Gefäßsystem) soll der Vorzug gegeben werden, wenn kurzfristig und langfristig eine gleichwertige symptomatische Verbesserung erzielt werden kann wie mit einem gefäßchirurgischen Eingriff. (Empfehlungsgrad A, Evidenzklasse 1).
  • TASC-A- und TASC-B-Läsionen: Eine endovaskuläre Behandlung wird aufgrund guter Offenheitsraten empfohlen [3].
  • TASC-C- und TASC-D-Läsionen: Eine offen-chirurgische Therapie ist vorzuziehen [3].
  • Bei Patienten mit kritischer Ischämie (schwere Durchblutungsstörung) sollten primär die Einstrom- und nachfolgend die Ausstromläsionen, soweit möglich, durch eine interventionelle Therapie behandelt werden (Empfehlungsgrad A, Evidenzklasse 2).
  • Die Implantation von Stents in gelenküberschreitende Gefäßsegmente (Gefäßabschnitte, die ein Gelenk überqueren) (A. femoralis communis, A. poplitea) ist in der Regel nicht indiziert (Konsensusempfehlung).
  • Bei kritischer Extremitätenischämie mit drohendem Extremitätenverlust und fehlenden weiteren Therapieoptionen kann eine gelenküberschreitende Stent-Implantation erwogen werden (Konsensusempfehlung).
  • Bei Patienten mit Claudicatio intermittens (Schaufensterkrankheit) sind überwachte Gehtraining-Programme zur Verbesserung der Gehstrecke ähnlich wirksam wie endovaskuläre oder gefäßchirurgische Eingriffe (Evidenzklasse 1).
  • Bei Patienten mit kritischer Extremitätenischämie (CLI) soll die endovaskuläre Behandlung bevorzugt werden, wenn kurz- und langfristig eine vergleichbare Verbesserung wie durch einen gefäßchirurgischen Eingriff erreicht werden kann (Empfehlungsgrad A, Evidenzklasse 2).

Bypass-Chirurgie (Gefäßumgehungsoperation)

  • Bei Patienten mit chronischer kritischer Extremitätenischämie kann eine drohende Amputation (chirurgische Abtrennung eines Körperteils) durch eine Bypass-Operation (operative Umgehung eines verschlossenen Gefäßes) – sofern ein geeignetes Eigentransplantat zur Verfügung steht – häufiger verhindert werden als durch eine endovaskuläre Behandlung [9].
  • Bei der Anlage eines femoro-poplitealen Bypasses soll bevorzugt die Vena saphena magna (möglichst in einem Segment) verwendet werden, sowohl bei Claudicatio intermittens (Schaufensterkrankheit) als auch bei kritischer Ischämie (schwere Durchblutungsstörung), da sie gegenüber synthetischem Bypassmaterial überlegen ist (Supragenual: Empfehlungsgrad A, Evidenzklasse 1; Infragenual: Empfehlungsgrad A, Evidenzklasse 4).
  • Bei kritischer Ischämie (schwere Durchblutungsstörung) sollen suprapopliteale Bypasses bevorzugt aus körpereigener Vene bestehen, da sie eine signifikant höhere Haltbarkeit aufweisen als Prothesenbypasses (Empfehlungsgrad A, Evidenzklasse 1).

Antithrombotische Therapie bei Revaskularisation

  • Mit der Gabe von Thrombozytenfunktionshemmern (Medikamente zur Hemmung der Blutplättchenaggregation) soll präoperativ begonnen werden. Diese sollte nach operativen Eingriffen oder Hybridverfahren fortgesetzt und – sofern keine Kontraindikationen bestehen – langfristig weitergeführt werden (Empfehlungsgrad A, Evidenzklasse 1).
  • Die Gabe von unfraktioniertem Heparin (blutverdünnendes Medikament zur Verhinderung von Blutgerinnseln) soll direkt vor Anlage der Gefäßklemmen erfolgen. Eine perioperative Antikoagulation soll durch wiederholte Bolusgaben aufrechterhalten werden (Konsensusempfehlung).
  • Nach einer perkutanen Revaskularisation (Gefäßwiedereröffnung durch die Haut hindurch) wird eine initial einmonatige Duale Thrombozytenaggregationshemmung (DAPT) empfohlen, während nach chirurgischer Revaskularisation eine Monotherapie mit einem Plättchenhemmer begonnen werden kann [2017 ESC Guidelines].

Indikationen zur Operation (revaskularisierende Eingriffe)

pAVK im Stadium III und IV

  1. Perkutane transluminale Angioplastie (PTA, Ballonerweiterung eines verengten Gefäßes) – Das betroffene Gefäß wird mittels Ballonkatheter aufgeweitet und ggf. mit einem Stent stabilisiert.

    • Indikation: Längerstreckige femoro-popliteale Läsionen.
    • Ergebnisse: Bei Einhaltung der TASC II-Kriterien sind die mittelfristigen interventionellen Ergebnisse vergleichbar mit den gefäßchirurgischen Resultaten [1,2].
  2. Bypass-Operation (operative Umgehung eines verschlossenen Gefäßes) – Schaffung eines Umgehungskreislaufs mit einer zuvor entnommenen körpereigenen Vene oder einem synthetischen Transplantat.

  3. Amputation (chirurgische Abtrennung eines Körperteils) – Ultima Ratio, falls keine revaskularisierenden Maßnahmen möglich oder erfolgversprechend sind.

Zusammenfassung der Leitlinienempfehlungen

  • Die endovaskuläre Therapie soll bevorzugt werden, wenn eine gleichwertige kurz- und langfristige Verbesserung im Vergleich zu einer offenen chirurgischen Behandlung erzielt werden kann.
  • Bypass-Chirurgie (Gefäßumgehungsoperation) ist besonders bei kritischer Ischämie (schwere Durchblutungsstörung) mit hohem Amputation (chirurgische Abtrennung eines Körperteils)srisiko vorteilhaft, wenn ein geeignetes körpereigenes Transplantat verfügbar ist.
  • Eine antithrombotische Therapie ist essenziell vor und nach Revaskularisationsverfahren, um Gefäßverschlüsse zu vermeiden.
  • Bei Claudicatio intermittens (Schaufensterkrankheit) sind Gehtraining-Programme oft genauso wirksam wie interventionelle oder operative Eingriffe.
  • Die Wahl zwischen endovaskulärer und chirurgischer Therapie erfolgt anhand der TASC-Klassifikation sowie der individuellen klinischen Situation.

Diese Empfehlungen basieren auf den aktuellen S3-Leitlinien zur Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) und den ESC-Richtlinien zur vaskulären Intervention.

Abschätzung des Amputationsrisikos durch Bestimmung des transkutanen Sauerstoffpartialdrucks (pO2)

pO2 Beurteilung
 ca. 60 mmHg  normal
 < 30 mmHg  kritische Ischämie
 < 10 mmHg  Amputationsrisiko ca. 70 %

Beachte: Information der FDA zu Paclitaxel-beschichteten Ballonen und Paclitaxel-freisetzenden Stents zur Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit: erhöhte Mortalität (Sterberate) [4].
Die FDA hat in den abschließenden Empfehlungen nicht festlegt, was die Größenordnung der Mortalitätssteigerung ist; neue Paclitaxel-freisetzenden Stents außerhalb von Studien können nur in Ausnahmefällen und nach individueller Abwägung und Aufklärung eingesetzt werden [6]. Hinweis: Der BfArM beurteilt dieses gleichermaßen.
In einer Versorgungsforschungsanalyse auf Basis deutscher Krankenkassendaten der BEK war die Langzeitsterblichkeit unter Paclitaxel-beschichteten Stents und Ballons nicht erhöht [7].

Weitere Hinweise

  • Bei Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit (PAVK) und kritischer Extremitätenischämie (Minderdurchblutung der Extremitäten) bewahrt eine endovaskuläre Intervention den Patienten ebenso vor einer Amputationen wie eine offene-chirurgische Revasku­larisation (offener Gefäßbypass).
    Die endovaskuläre Intervention hatte dabei folgende Vorteile [5]:
    • Patienten waren nach endovaskulärer Ersttherapie
      • länger amputa­tionsfrei und überlebten auch länger
      • weniger häufig eine Majoramputation/Amputation oberhalb der Knöchelregion (über oder unter dem Knie) 
  • Bei Claudicatio-intermittens-Patienten, die Raucher sind, ist die Rate früher Komplikationen nach endovaskulärer oder gefäßchirurgischer Behandlung fast um die Hälfte höher als bei Nichtrauchern: "Nieraucher" hatten im Vergleich zu aktiven Rauchern ein um 65 Prozent, Exraucher ein um 29 Prozent geringeres Risiko [8].

Literatur

  1. Adam DJ, Beard JD, Cleveland T et al.: Bypass versus angioplasty in severe ischaemia of the leg (BASIL): multicentre, randomised controlled trial. Lancet 2005; 366: 1925-34
  2. Bradbury AW, Adam DJ, Bell J et al.: Bypass versus Angioplasty in Severe Ischaemia of the Leg (BASIL) trial: A survival prediction model to facilitate clinical decision making. J Vasc Surg 2010; 51: 52S-68S
  3. Norgren L, Hiatt WR, Dormandy JA, Nehler MR, Harris KA, Fowkes FG et al.: Inter-society consensus for the management of peripheral arterial disease (TASC II). J Vasc Surg 2007 Jan;45 Suppl S:S5-67
  4. FDA: Treatment of peripheral arterial disease with paclitaxel-coated balloons and paclitaxel-eluting stents potentially associated with increased mortality – Letter to health care providers vom 17.01.2019.
  5. Lin JH et al.: Endovascular-First Treatment Is Associated With Improved Amputation-Free Survival in Patients With Critical Limb Ischemia Cardiovascular Quality and Outcomes. 2019;12 https://doi.org/10.1161/CIRCOUTCOMES.118.005273
  6. FDA: August 7, 2019 UPDATE: Treatment of Peripheral Arterial Disease with Paclitaxel-Coated Balloons and Paclitaxel-Eluting Stents Potentially Associated with Increased Mortality. FDA August 7, 2019
  7. Freisinger E et al.: Mortality after use of paclitaxel-based devices in peripheral arteries: a real-world safety analysis European Heart Journal, ehz698, published 8 October 2019 https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehz698
  8. Reitz KM et al.: Association of Smoking With Postprocedural Complications Following Open and Endovascular Interventions for Intermittent Claudication JAMA Cardiol. Published online October 6, 2021. doi:10.1001/jamacardio.2021.3979
  9. Farber A et al.: Surgery or Endovascular Therapy for Chronic Limb-Threatening  N Engl J Med. November 7, 2022 doi: 10.1056/NEJMoa2207899

Leitlinien

  1. Aboyans V, Ricco JB, Bartelink MEL et al.: 2017 ESC Guidelines on the Diagnosis and Treatment of Peripheral Arterial Diseases, in collaboration with the European Society for Vascular Surgery (ESVS). Document covering atherosclerotic disease of extracranial carotid and vertebral, mesenteric, renal, upper and lower extremity arteries. European Heart Journal 2017; doi:10.1093/eurheartj/ehx095
  2. S3-Leitlinie: Diagnostik, Therapie und Nachsorge der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit. (AWMF-Registernummer: 065-003), September 2024 Langfassung