Oberflächliche Venenentzündung (Thrombophlebitis) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Thrombophlebitis ist eine Entzündung oberflächlicher Venen, die in der Regel zur Bildung eines Thrombus (Blutgerinnsel) innerhalb der Vene führt. Sie wird als oberflächliche Venenthrombose (OVT) bezeichnet und tritt sowohl in gesunden Venen als auch in bereits veränderten oder vorgeschädigten Venen (z. B. Varizen/Krampfadern) auf.

Einteilung der Thrombophlebitis

  • Thrombophlebitis in gesunden Venen: Diese Form kann z. B. nach einer intravenösen Infusion oder Injektion entstehen, wenn das Endothel (die Gefäßinnenwand) geschädigt wurde.
  • Varikophlebitis: Entzündung und Thrombose von Varizen (Krampfadern). Durch den gestörten Blutfluss in den erweiterten Venen kommt es zu einer höheren Stase und damit zu einem erhöhten Risiko der Thrombusbildung.
  • Transfasziale Phlebitis: Bei dieser Form der Thrombophlebitis breitet sich die Entzündung und der Thrombus in das tiefe Venensystem aus. Insbesondere bei einer mündungsnahen OVT der Vena saphena magna oder bei großen Astvenen mit weniger als drei Zentimeter Crossenabstand besteht ein erhöhtes Risiko für das Übergreifen der Thrombose in tieferliegende Venengebiete, was eine venöse Thromboembolie (VTE) begünstigen kann. Hier ist eine Vollkoagulation erforderlich, um das Risiko einer Lungenembolie zu reduzieren.

Pathophysiologische Mechanismen der Thrombophlebitis

Die Pathogenese der Thrombophlebitis lässt sich durch die Virchow-Trias erklären, die drei grundlegende Faktoren beschreibt, die zur Thrombusbildung führen:

  • Endotheliale Schädigung (Gefäßwandveränderung):
    • Eine Schädigung der inneren Gefäßwand durch mechanische Verletzungen, wie bei Operationen, Infusionen oder durch Traumen (Verletzungen).
    • Entzündungsprozesse (z. B. durch Infektionen) oder arteriosklerotische Veränderungen (z. B. durch Atherosklerose/Arterienverkalkung) können ebenfalls die Endothelzellen schädigen und so die Thrombusbildung begünstigen.
  • Stase des Blutes (verlangsamte Blutströmung):
    • Immobilisation (z. B. bei langer Bettruhe oder nach Operationen) und lokale Abflussbehinderungen (z. B. durch Tumoren oder langes Sitzen) führen zu einer verlangsamten Blutströmung, insbesondere in den unteren Extremitäten.
    • Erkrankungen wie Varizen (Krampfadern), postthrombotisches Syndrom (PTS) oder eine Herzinsuffizienz (Herzschwäche) erhöhen ebenfalls das Risiko einer Stase und damit die Thrombusbildung.
  • Veränderungen der Blutzusammensetzung (Hyperkoagulabilität):
    • Eine erhöhte Gerinnungsneigung kann entweder erblich (hereditäre Thrombophilien) oder erworben sein. Beispiele hierfür sind:
      • Hereditäre Thrombophilien: Angeborene Defekte in Gerinnungsproteinen (z. B. Faktor-V-Leiden-Mutation).
      • Erworbene Thrombophilien: Erkrankungen wie das Antiphospholipid-Syndrom oder Malignome (bösartige Tumorerkrankungen).
  • Weitere Faktoren, die eine Hyperkoagulabilität begünstigen, sind erhöhte Blutviskosität (z. B. bei Polycythaemia vera oder Dehydratation).

Besonderheit: Thrombophlebitis als Risikofaktor für tiefe Venenthrombosen (TVT)

In bestimmten Fällen, insbesondere bei der transfaszialen Phlebitis, besteht ein erhöhtes Risiko, dass der Thrombus von den oberflächlichen in die tiefen Venen übergeht und somit das Risiko einer Lungenembolie stark erhöht. Bei Vorliegen von Risikofaktoren ist daher eine intensive Überwachung und gegebenenfalls eine medikamentöse Antikoagulation indiziert.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung
    • Genetisches Risiko abhängig von Genpolymorphismen:
      • Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
        • Gene: F2, F5, LPL, SELE
        • SNP: rs6025 (Faktor V Leiden) im Gen F5
          • Allel-Konstellation: AG (5-10-fach)
          • Allel-Konstellation: AA (50-100-fach)
        • SNP: rs1799963 (Prothrombin-Mutation (Faktor-II-Mutation) im Gen F2
          • Allel-Konstellation: AG (5,0-fach)
          • Allel-Konstellation: AA (> 5,0-fach)
        • SNP: rs5361 im Gen SELE
          • Allel-Konstellation: CC (4,0-fach)
          SNP: rs268 im Gen LPL
          • Allel-Konstellation: AG (3,0-fach)
          • Allel-Konstellation: GG (> 3,0-fach)
    • Genetische Erkrankungen
      • Antithrombin III-Mangel (AT-III) – autosomal-dominanter Erbgang
      • APC-Resistenz (Faktor V-Leiden) – autosomal-dominanter Erbgang (sehr häufig)
      • Faktor VIII (antihämophiles Globulin A); – autosomal-rezessive Erbgang
      • Hyperhomocysteinämie – Prävalenz für Träger der homozygoten MTHFR-Mutation (Methylen-Tetrahydrofolat-Reduktase (MTHFR)-Mangel) beträgt in der Normalbevölkerung 12-15 %, bei Patienten mit tiefen Venenthrombosen sogar bis zu 25 %. Der Anteil heterozygoter Träger kann bis zu 50 % ausmachen.(sehr häufig)
      • Prothrombinmutation (Faktor II-Mutation) – autosomal dominanter Erbgang (sehr häufig)
      • Protein-C-Mangel – autosomal-dominanter Erbgang
      • Protein-S-Mangel – in der Regel mit autosomal-dominantem Erbgang; verursacht durch Mutationen im PROS1-Gen
      • Sichelzellenanämie (med.: Drepanozytose; auch Sichelzellanämie, engl.: sickle cell anemia) – genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang, die die Erythrozyten (rote Blutkörperchen) betrifft; sie gehört zur Gruppe der Hämoglobinopathien (Störungen des Hämoglobins; Bildung eines irregulären Hämoglobins, dem sogenannten Sichelzellhämoglobin, HbS)
  • Lebensalter – höheres Lebensalter (> 60 Jahre)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Genussmittelkonsum
    • Tabak (Rauchen)
  • Adipositas (Übergewicht)

Krankheitsbedingte Ursachen

Blut, blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)

  • Thrombophilie (Thromboseneigung) – z. B. heterozygote Faktor V-Mutation (65 %), Protein C-Mangel (15 %), Protein S-Mangel (10 %), Hyperhomocysteinämie (10 %), Antiphospholipidantikörper (5 %)

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • asymptomatische Lungenembolie (2-13 %; gesichert durch systematische Lungenscans)
  • Kann assoziiert auftreten mit einer tiefen Venenthrombose (TVT; vorwiegend distal; 6-36 %)
  • Morbus Mondor (Synonyme: Mondor-Krankheit; Eisendrahtphlebitis, Phlebitis Mondor) – Thrombophlebitis der Venae thoracoepigastricae oder deren Äste an der Vorderseite des Thorax (Brustkorb). Dabei können auch die Mammae (Brüste) betroffen sein.
  • Thrombangiitis obliterans (Synonyme: Endarteriitis obliterans, Morbus Winiwarter-Buerger, Von-Winiwarter-Buerger-Krankheit, Thrombangitis obliterans) ‒ Vaskulitis (Gefäßerkrankung), die mit rezidivierenden (wiederkehrenden) arteriellen und venösen Thrombosen (Blutgerinnsel (Thrombus) in einem Blutgefäß) einhergeht; Symptome: belastungsabhängige Schmerzen, Akrozyanose (Blaufärbung der Körperanhänge) und trophische Störungen (Nekrose/ Gewebeschäden, die durch das Absterben von Zellen entstehen und Gangrän der Finger und Zehen im fortgeschrittenen Stadium)
  • Varikosis (Krampfadern)

Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)

  •  Kann assoziiert auftreten mit einem Malignom (Lunge, Prostata)

Labordiagnosen – Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten

  • Hyperhomocysteinämie – erhöhte Konzentration der Aminosäure Homocystein im Blut

Medikamente

  • Hormonersatztherapie (HET)
  • Orale Kontrazeptiva (Antibabypille)

Weitere Ursachen

  • Immobilität
  • Krankenhausaufenthalt
  • Schwangerschaft und Wochenbett; Risikofaktoren:
    • Mütterliches Alter > 35 Jahre
    • Adipöse Patientin
    • Mehrlinge
    • Präeklampsie – schwangerschaftsinduzierte Hypertonus (Bluthochdruck) und Proteinurie (erhöhte Ausscheidung von Eiweiß mit dem Urin)
    • Traumata
    • Hoher peripartaler Blutverlust – Blutung, die bei der Mutter kurz vor, während oder kurz nach der Geburt (peripartal) auftritt
    • Notkaiserschnitt
  • Trauma (Verletzungen)
  • Venenwandverletzung (lokale Trauma) und ggf. auch bakterielle Infektion mit Entzündung der Venenwand (= sekundärer Thrombus/Blutpfropf) → Infusionsthrombophlebitis (häufigste Form der OVT in nichtvarikösen Venen)
    • Intravenöse Katheter (Venenverweilkanüle)
    • Intravenöse Infusionen mit venenreizenden Medikamenten wie Kalium oder Zytostatika (Medikamente zur Behandlung von bösartigen Neubildungen)
  • Zust. n. Operationen