Lungenhochdruck (Pulmonale Hypertonie) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die pulmonale Hypertonie (PH) ist ein komplexes Syndrom, das durch einen erhöhten Druck in den Lungenarterien (Pulmonalarterien) gekennzeichnet ist. Sie wird je nach Ursache in verschiedene Gruppen eingeteilt:

Primäre (idiopathische) pulmonale Hypertonie

Die idiopathische pulmonale Hypertonie (früher: primäre pulmonale Hypertonie) ist eine seltene, fortschreitende Erkrankung, deren genaue Ursache nicht bekannt ist. Man geht von einer genetischen Prädisposition und einer veränderten Funktion des vaskulären Endothels aus, die zu einer Proliferation der glatten Muskelzellen und der Fibroblasten sowie zur Intimaproliferation (Vermehrung der inneren Gefäßwandschicht) führt. Dadurch kommt es zu einer Verengung der Pulmonalgefäße und einem Anstieg des pulmonal-arteriellen Drucks.

Zusätzlich wurde in einigen Fällen eine Mutation im BMPR2-Gen (Bone Morphogenetic Protein Receptor Type II) gefunden, die die Apoptose (programmierter Zelltod) von glatten Muskelzellen verhindert und somit die Gefäßverengung begünstigt.

Pulmonale Hypertonie bei Linksherzerkrankungen (Gruppe 2)

Diese Form der PH ist mit bis zu 50 % die häufigste Form der pulmonalen Hypertonie und wird durch Linksherzerkrankungen verursacht, insbesondere:

  • Linksventrikuläre Dysfunktion (LV-Dysfunktion): Durch eine verminderte Pumpfunktion des linken Ventrikels staut sich das Blut zurück in die Lungenvenen, was zu einem erhöhten Druck in den Lungenarterien führt.
  • Mitral- oder Aortenklappenfehler: Die gestörte Funktion der Herzklappen verursacht einen Rückstau des Blutes im Lungenkreislauf.
  • Linksatriale Vergrößerung: Eine Vergrößerung des linken Vorhofs kann zu einer pulmonalvenösen Stauung führen, die sich auf die Lungenarterien überträgt.

In der Folge entwickelt sich eine postkapilläre pulmonale Hypertonie, die durch einen erhöhten Druck in den Pulmonalvenen gekennzeichnet ist.

Pulmonale Hypertonie infolge von Lungenerkrankungen und/oder Hypoxie (Gruppe 3)

Diese Form der PH ist die zweithäufigste und macht etwa 30-45 % der Fälle aus. Sie tritt in Zusammenhang mit chronischen Lungenerkrankungen auf, insbesondere:

  • Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD): Die Verengung der Atemwege und die Zerstörung des Lungenparenchyms (Lungengewebe) führen zu einem erhöhten Widerstand in den Pulmonalgefäßen.
  • Interstitielle Lungenerkrankungen (ILD): Die fibrotische Veränderung der Lunge verursacht eine Erhöhung des pulmonalen Widerstands.
  • Hypoxie (Sauerstoffmangel): Eine chronische Hypoxie, z. B. bei Höhenaufenthalten oder Schlafapnoe, führt zur Vasokonstriktion (Gefäßverengung) der Pulmonalgefäße und damit zu einem Anstieg des pulmonal-arteriellen Drucks.

Diese Form der PH wird als präkapilläre pulmonale Hypertonie bezeichnet und ist durch eine Erhöhung des pulmonalen Gefäßwiderstands gekennzeichnet.

Pulmonale Hypertonie infolge chronischer Thromboembolien (Gruppe 4)

Eine PH infolge chronischer thromboembolischer Erkrankungen (CTEPH) entsteht durch rezidivierende Lungenembolien, die zu einer Verlegung der Pulmonalgefäße und damit zu einem erhöhten Druck führen. Das verbleibende Lungengewebe muss dann eine größere Blutmenge transportieren, was eine Drucksteigerung in den betroffenen Gefäßen zur Folge hat.

Pulmonale Hypertonie infolge unklarer oder multifaktorieller Mechanismen (Gruppe 5)

Die PH in dieser Gruppe wird durch eine Vielzahl von Faktoren verursacht, die nicht in die vorherigen Kategorien passen. Mögliche Mechanismen umfassen:

  • Hämatologische Störungen (z. B. Polycythaemia vera)
  • Systemische Erkrankungen (z. B. Sarkoidose)
  • Metabolische Erkrankungen (z. B. Speicherkrankheiten)

Zusammenfassung

Die Pathogenese der pulmonalen Hypertonie ist multifaktoriell und hängt stark von der jeweiligen Grundursache ab. Gemeinsam ist allen Formen die Erhöhung des Drucks im Lungenkreislauf, was zur Umbildung und Verdickung der Lungengefäße, einer erhöhten Gefäßsteifigkeit und letztlich zur Rechtsherzbelastung bis hin zur Entwicklung eines Rechtsherzversagens (Cor pulmonale) führt.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung: > 80 % der familiären und > 25 % der sporadischen PAH können Mutationen/Deletionen des bone morphogenetic protein receptor 2-Gens (BMPR2) sowie 9 weiterer Gene seines Signalweges identifiziert werden; ALK1, Endoglin-Mutationen (mit und ohne hereditäre hämorrhagische Telangiektasie)
    • Genetische Erkrankungen
      • Glykogenspeicherkrankheiten – Gruppe von Erkrankungen mit sowohl autosomal-dominantem als auch autosomal-rezessivem Erbgang, bei denen das in Körpergeweben gespeicherte Glykogen nicht oder nur unvollständig wieder abgebaut oder zu Glucose umgewandelt werden kann
      • Morbus Gaucher – genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang; Lipidspeicherkrankheit durch den Defekt des Enzyms Beta-Glukozerebrosidase, die zu einer Speicherung von Cerebrosiden vor allem in der Milz und den markhaltigen Knochen führt; klinisches Bild: Splenomegalie (Milzvergrößerung), kombiniert mit einer Anämie (Blutarmut) und/oder Thrombozytopenie (krankhafte Verminderung der Thrombozyten/Blutplättchen)
      • Neurofibromatose – genetische Erkrankung mit autosomal-dominantem Erbgang; zählt zu den Phakomatosen (Erkrankungen der Haut und des Nervensystems); es werden drei genetisch unterschiedliche Formen unterschieden: 
        • Neurofibromatose Typ 1 (Morbus von Recklinghausen) – Patienten bilden während der Pubertät multiple Neurofibrome (Nerventumoren), die häufig in der Haut auftreten, jedoch auch im Nervensystem, Orbita (Augenhöhle), Gastrointestinaltrakt (Magen-Darm-Trakt) und Retroperitoneum (Raum, der hinter dem Bauchfell am Rücken in Richtung der Wirbelsäule liegt) auftreten; typisch ist das Auftreten von Café-au-Lait-Flecken (hellbraune Makulae) und multiplen benignen (gutartigen) Neubildungen 
        • [Neurofibromatose Typ 2 – charakteristisch sind ein bilateral (beidseitig) vorliegendes Akustikusneurinom (Vestibularisschwannom) und multiple Meningeome (Hirnhauttumoren)
        • Schwannomatose – hereditäres Tumorsyndrom]
      • Sichelzellenanämie (med.: Drepanozytose; auch Sichelzellanämie, engl.: sickle cell anemia) – genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang, die die Erythrozyten (rote Blutkörperchen) betrifft; sie gehört zur Gruppe der Hämoglobinopathien (Störungen des Hämoglobins; Bildung eines irregulären Hämoglobins, dem sogenannten Sichelzellhämoglobin, HbS)

Die sekundäre pulmonale Hypertonie kann durch die folgenden Erkrankungen bedingt sein.

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung
    • Genetische Erkrankungen (s. o.)

Verhaltensbedingte Ursachen 

  • Genussmittelkonsum
    • Tabak (Rauchen) – Gruppe der Raucher mit extrem eingeschränkter Diffusionskapazität ähneln der Gruppe mit pulmonaler Hypertonie im Zusammenhang mit Lungenerkrankungen in fast allen wichtigen Punkten: dazu gehören die Alters- und Geschlechtsverteilung, das schlechte Ansprechen auf medikamentöse Therapien und die Lebenserwartung.
      Patienten mit einer idiopathische pulmonalarterielle Hypertonie (iPAH) und Raucheranamnese sowie stark eingeschränkter Diffusionskapazität sollten von der Gruppe mit klassischer iPAH unterschieden [4]. 
  • Drogenkonsum
    • Amphetamine (indirektes Sympathomimetikum)

Krankheitsbedingte Ursachen

Angeborene Fehlbildungen, Deformitäten und Chromosomenanomalien (Q00-Q99)

  • Kongenitale Vitien (angeborene Herzfehler) [Kindesalter am häufigsten]

Atmungssystem (J00-J99)

  • Asthma bronchiale
  • Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) – ca. 1 % der COPD-PatientInnen entwickeln eine schwere, rein pulmonal bedingte PH mit einem Mitteldruck > 40 mmHg.
  • Interstitielle Lungenerkrankungen
  • Lungenemphysem – Zustand, bei dem vermehrt Luft in der Lunge vorkommt. Die Gasaustauschfläche ist allerdings vermindert. Grund dafür ist eine Zerstörung des Parenchyms (Lungengewebes)
  • Lungenfibrose ‒ bindegewebiger Umbau der Lunge, der zur Zerstörung der Lungenstruktur führt

Bestimmte Zustände, die ihren Ursprung in der Perinatalperiode haben (P00-P96)

  • Persistierende pulmonal-arterielle Hypertonie des Neugeborenen

Blut, blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)

  • Sarkoidose (Synonyme: Morbus Boeck; Morbus Schaumann-Besnier) – systemische Erkrankung des Bindegewebes mit Granulombildung (Haut, Lunge und Lymphknoten)
  • Sichelzellenanämie (med.: Drepanozytose; auch Sichelzellanämie, engl.: sickle cell anemia) (s. u. "Genetische Erkrankungen")

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Schilddrüsenerkrankungen, nicht näher bezeichnet

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Linksherzerkrankungen, nicht näher bezeichnet
  • Lungenembolie – partielle (teilweise) oder vollständige Verlegung einer Lungenarterie
  • Chronische Thromboembolien ‒ chronische Verschlüsse von Lungengefäßen durch Thromben (Blutgerinnsel)
  • Familiäre pulmonal-arterielle Hypertonie
  • Idiopathische pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH) ‒ Form der Erkrankung, deren Ursache unbekannt ist [Kindesalter am häufigsten]
  • Mitral-/Aortenklappenfehler, nicht näher bezeichnet
  • Pulmonale venookklusive Erkrankung (PVOD für engl. pulmonary veno-occlusive disease) und/oder pulmonal kapilläre Hämangiomatose (PCH)

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Bilharziose (Schistosomiasis) – durch Trematoden (Saugwürmer) der Gattung Schistosoma (Pärchenegel) verursachte Wurmkrankheit (tropische Infektionskrankheit) 
  • HIV-Infektion/AIDS

Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse) (K70-K77; K80-K87)

  • Portale Hypertonie (portale Hypertension; Pfortaderhochdruck) ‒ Erhöhung des Blutdrucks durch eine Lebererkrankung wie z. B. Leberzirrhose

Muskel-Skelett-System und Bindegewebe (M00-M99)

  • Kollagenosen (Gruppe von Bindegewebserkrankungen, die durch Autoimmunprozesse bedingt sind) – systemischer Lupus erythematodes (SLE), Polymyositis (PM) bzw. Dermatomyositis (DM), Sjögren-Syndrom (Sj), Sklerodermie (SSc) und Sharp-Syndrom ("mixed connective tissue disease", MCTD)
  • Vaskulitiden –  entzündlich-rheumatische Erkrankungen, die durch eine Neigung zu Entzündungen der (meist) arteriellen Blutgefäße gekennzeichnet sind

Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)

  • Bronchialkarzinom (Lungenkrebs) [3]
  • Histiozytose/Langerhans-Zell-Histiozytose (Abkürzung: LCH; früher: Histiozytose X; engl. histiocytosis X, langerhans-cell histiocytosis) – systemische Erkrankung mit Proliferation von Langerhans-Zellen in unterschiedlichen Geweben (Skelett 80 % der Fälle; Haut 35 %, Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) 25 %, Lunge und Leber 15-20 %); in seltenen Fällen können auch neurodegenerative Zeichen auftreten; in 5-50 % der Fälle tritt bei Befall der Hypophyse ein Diabetes insipidus (Hormonmangel-bedingte Störung im Wasserstoffwechsel, die zu einer extrem hohen Harnausscheidung) auf; die Erkrankung tritt disseminiert ("über den ganzen Körper oder bestimmte Körperregionen verteilt") häufig bei Kindern zwischen 1-15 Jahren auf, bei Erwachsenen seltener, hier vorwiegend mit einem isolierten pulmonalen Befall (Lungenbefall); Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) ca. 1-2 pro 100.000 Einwohner 
  • Lymphangiomatosis seltener Krankheitszustand, der durch eine diffuse Wucherung von Lymphgefäßen charakterisiert ist. Dies kann interne Organe, Knochen, Weichgewebe und die Haut betreffen.
  • Myeloproliferative Erkrankungen
  • Pulmonale kapilläre Hämangiomatosis (PCH) ‒ Auftreten zahlreicher gutartiger Gefäßtumoren

Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)

  • Schlafapnoe-Syndrom ‒ Schlafstörung, die mit Schnarchen und Atempausen einhergeht

Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)

  • Chronisches Nierenversagen mit Hämodialyse (Blutwäsche)

Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)

  • Chronische Höhenkrankheit 

Medikamente

  • Appetitzügler, nicht näher bezeichnet
  • Diazoxid (Neonatologie/Lehre vom Neugeborenen und dessen Erkrankungen zur Behandlung von Hypoglykämien/Unterzuckerungen) – kann in Einzelfällen bei Kindern zu einer pulmonalen Hypertonie führen [1]
  • Medikamente und Substanzen, die eine PAH induzieren können (angeordnet nach Risikopotential):
    • Sicher: Aminorex, Fenfluramin, Dexfenfluramin, Canola (Rapssamen-) Öl, Benfluorex
    • Wahrscheinlich: Amphetamine, L-Tryptophan, Metamphetamine
    • Möglich: Kokain, Norephedrin, Echtes Johanniskraut, Chemotherapien, Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), Pergolid
    • Unwahrscheinlich: Orale Kontrazeptiva, Östrogen, Zigarettenrauch
  • Medikamente, die eine interstitielle Lungenerkrankungen (DILD) induzieren können [2]:
    • Antibiotika und Fungizide: Amphotericin B, Isoniazid, Nitrofurantoin, Sulfasalazine
    • Antiinflammatorische Medikamente: Acetylsalicylsäure (ASS), Etanercept, Gold, Methotrexat, Nonsteroidal antiinflammatory drugs (NSAIDs), Penicillamine
    • Biologika: Adalimumab, Alemtuzumab, Bevacizumab, Cetuximab, Rituximab, Trastuzumab, Tumor necrosis factor- (TNF-) Blocker, Infliximab
    • Kardiovaskuläre Medikamente: ACE-Hemmer, Amiodaron, Coumarinderivate, Betablocker, Flecainid, Hydrochlorothiazid (HCT), Procainamid, Statine, Tocainid
    • Immunsuppressiva und Chemotherapeutika: Azathioprin, BCNU, Bleomycin, Bortezomib, Busulfan, Carmustin, Chlorambucil, Cyclophosphamid, Cytarabin, Deferoxamin, Docetaxel, Doxorubicin, Erlotinib, Etoposid, Fludarabin, Flutamid, Gefitinib, Gemcitabin, Hydroxyurea, Imatinib, Interferon, Lomustin, Melphalan, Methotrexat, Methyl-CCNU, Mitomycin-C, Paclitaxel, Procarbazine, Thalidomid, Vinblastin
    • Varia: Bromocriptin, Carbamazepin, Cabergolid, Methysergid, Penicillamin, Phenytoin, Sirolimus (Rapamycin)

Weitere Ursachen

  • Kompression der Pulmonalgefäße ‒ durch Tumoren, Fremdkörper, Parasiten etc.
  • Zustand nach Splenektomie (Milzentfernung)

Literatur

  1. U.S. Food and Drug Administration: FDA warns about a serious lung condition in infants and newborns treated with Proglycem (diazoxide)U.S. Food and Drug Administration, 07/16/2015
  2. Schwaiblmair M, Behr W, Haeckel T, Märkl B, Foerg W, Berghaus T: Drug induced interstitial lung disease. Open Respir Med J 2012; 6: 63-74 doi:  10.2174/1874306401206010063
  3. Pullamsetti SS et al.: Lung cancer-associated pulmonary hypertension: Role of microenvironmental inflammation based on tumor cell-immune cell cross-talk. Science Translational Medicine 15 Nov 2017: Vol. 9, Issue 416, eaai9048 doi: 10.1126/scitranslmed.aai9048