Lungenembolie – Prävention

Zur Prävention der Lungenembolie muss auf eine Reduktion individueller Risikofaktoren geachtet werden.

Verhaltensbedingte Risikofaktoren

  • Ernährung 
    • Unzureichende Flüssigkeitszufuhr – führt zur Exsikkose (Austrocknung) und erhöht so die Thrombophilie (Gerinnungsneigung/Thromboseneigung)
  • Genussmittelkonsum
    • Tabak (Rauchen)
  • Körperliche Aktivität
    • Häufiges, langes Sitzen bzw. Immobilität (Bettlägerigkeit)
    • Langes Sitzen vor dem Fernsehgerät – ≥ 5 h/d vor dem TV-Gerät: doppelt so hohes Risiko, eine tödliche Lungenembolie zu entwickeln, als Menschen, die < 2,5 h fernsehen [1]
    • Langstreckenflüge ("economy-class-syndrome")
    • Intensives Training → sportassoziierte venöse Thromboembolie (VTE); obere TVT bei Kraft-/Ballsportarten/untere TVT bei Ausdauer-/Ballsportarten
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas) Übergewicht ab einem BMI (Body-Mass-Index; Körpermasse-Index) > 30 Risikoerhöhung um 230 % durch Steigerung der Gerinnung und Hemmung der Fibrinolyse (Hemmung der Auflösung von Blutgerinnseln)
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Präventionsfaktoren (Schutzfaktoren)

  • Medizinische Thrombosestrümpfe (MTKS) – Effektive Methode zur Thromboseprophylaxe bei immobilisierten Patienten. (Kann-Empfehlung) [2]
  • Intermittierende pneumatische Kompression (IPK) – therapeutisches Verfahren zur Kompressionsbehandlung von venösen und lymphatischen Erkrankungen. Von entscheidender Bedeutung für den Therapieeffekt des Verfahrens ist die sogenannte Wechseldruckmassage.
    Indikation: Einsatz zur Thromboseprophylaxe bei geringerem Risiko.
    Die IPK hat sich in Studien als Placebo und Thromboseprophylaxestrümpfen signifikant überlegen erwiesen [2].
  • Regelmäßige Bewegung – Vermeidung von Bewegungsmangel, insbesondere bei sitzenden Tätigkeiten oder Langstreckenflügen.
  • Gewichtsreduktion – Reduktion von Übergewicht zur Minimierung von Gerinnungs- und Komplikationsrisiken.

Sekundärprävention

Die Sekundärprävention zielt darauf ab, eine erneute Lungenembolie (Rezidiv) zu verhindern und zugrunde liegende Ursachen gezielt zu behandeln.

  • Früherkennung und Diagnostik
    • Risikostratifizierung – Beurteilung individueller Risikofaktoren wie Immobilität, chirurgische Eingriffe oder vorausgegangene Thrombosen.
    • Bildgebung
      • Doppler-Ultraschall – Detektion tiefer Venenthrombosen (TVT) als häufigste Ursache einer Lungenembolie.
      • CT-Angiographie – Standardmethode zur Erkennung pulmonaler Embolien.
    • Blutuntersuchungen
      • D-Dimere – Marker für Gerinnungsaktivität, insbesondere bei Verdacht auf TVT oder Lungenembolie.
  • Medikamentöse Therapie
    • Antikoagulation – Einsatz von:
      • Direkten oralen Antikoagulantien (DOAK) wie Rivaroxaban oder Apixaban.
      • Vitamin-K-Antagonisten (VKA) wie Warfarin bei Kontraindikationen für DOAK.
      • Niedermolekularem Heparin (NMH) bei spezifischen Indikationen wie Schwangerschaft.
    • Thrombolyse – Bei massiver Lungenembolie und hämodynamischer Instabilität (z. B. mit Alteplase).
  • Physikalische Prophylaxe
    • Medizinische Thrombosestrümpfe (MTKS) – Förderung des venösen Rückflusses und Reduktion von Schwellungen.
    • Intermittierende pneumatische Kompression (IPK) – Besonders bei immobilisierten Patienten oder Kontraindikationen für Antikoagulantien.
  • Lebensstilinterventionen
    • Mobilisation nach Operationen – Frühzeitige Mobilisierung zur Reduktion des Thromboserisikos.
    • Hydration – Sicherstellung einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr zur Vermeidung von Exsikkose.

Prophylaxe der venösen Thromboembolie (VTE) [2]

Operationen/Verletzungen   Medikamentöse Prophylaxe  Physikalische Prophylaxe  Besonderheiten 
Operationen im Bauch- und Beckenbereich   niedriges Risiko  keine   

Dauer

  • 7 Tage (in der Regel) 
  • 4 Wochen (große onkologische Eingriffe) 
mittleres Risiko  UFH/NMH   IPK/MTPS 
hohes Risiko  NMH/Fondaparinux   IPK/MTPS 
MIC (minimal-invasive Chirurgie) Empfehlungen wie bei offener OP     
Beckenfrakturen Siehe hüftgelenksnahe Frakturen  
Wirbelsäule (elektive Operation) Individuelle Entscheidung  
Wirbelsäulenverletzung    NMH   alternativ IPK    
Transplantationsmedizin        NMH/UFH   IPK/MTPS   
Arthroskopie mit längerer OP-Zeit und Einschränkung der Mobilität   NMH   -  
Hüftgelenkersatz (elektive Operation)  NMH/Fondaparinux/NOAK ↑   IPK/MTPS   Dauer 28-35 Tage  
Hüftgelenksnahe Frakturen  NMH/Fondaparinux   IPK/MTPS 
Kniegelenkersatz (elektive Operation)  NMH/Fondaparinux/NOAK   IPK/MTPS   Dauer 11-14 Tage  
Kniegelenknahe Frakturen und Osteotomien  NMH/Fondaparinux   IPK/MTPS 
Knochen, Sprungelenk, Fuß mit immobilisierendem Hartverband  NMH   IPK/MTPS   
Polytrauma  NMH ↑↑  IPK   Blutungsrisiko
Verbrennungen  NMH ↑↑ (bei Immobilisation/zusätzlichen Risikofaktoren)    bei größerer Fläche UFH i.v.
Konservative Therapie mit gelenkübergreifender Immobilisation im Hartverband  Prophylaxe in Analogie zu operiertem Patienten   IPK/MTPS   Frühfunktionelle Therapie 
Kontraindikationen gegen medizinische Prophylaxe  -  IPK   KI wg. blutungsrisiko, Niereninsuffizienz

Legende

  • Grad der Empfehlung: ↑↑ = starke Empfehlung, ↑ = Empfehlung, ⇔ = Empfehlung offen
  • NMH: niedermolekulares Heparin
  • NOAK (Neue orale Antikoagulantien): nicht Vitamin-K-abhängige Antikoagulantien
  • UFH: unfraktioniertes Heparin
  • IPK: Intermittierende pneumatische Kompression
  • MTPS: medizinische Thrombose-Prophylaxestrümpfe

Weitere Hinweise

  • Nach endoprothetischem Ersatz des Knie- oder Hüftgelenks ist niedrig dosierte Acetylsalicylsäure (ASS; 81 mg; 9 d nach Kniegelenksendoprothese; 30 d nach Totalendoprothese (TEP) des Hüftgelenks) zur Vorbeugung von thromboembolischen Zwischenfällen nicht weniger wirksam als Rivaroxaban (10 mg); Nachbeobachtung 90 Tage [3]:
    • venöse Thromboembolien (VTE) entwickelten 0,64 % der Patienten unter ASS- und 0,70 % unter Rivaroxabanprophylaxe.
    • pulmonale Embolien traten bei 0,29 % bzw. 0,35 % unter Rivaroxabanprophylaxe auf.
    • größere Blutungen traten mit 1,29 % bzw. 0,99 %  unter Rivaroxaban auf (p = 0,43)
  • Medizinische Thrombose-Prophylaxestrümpfe (MTKS): Eine randomisierte Multizenterstudie mit elektiv operierten Patienten konnte zeigen, dass niedermolekulare Heparine (NMH) allein nicht schlechter vor venösen Thromboembolien (VTE) schützen als NMH plus Kompressionsstrümpfe [4]. Einschränkung: Strümpfe waren nur kniehoch.

Tertiärprävention der Lungenembolie

Die Tertiärprävention zielt darauf ab, langfristige Komplikationen und wiederholte Lungenembolien zu minimieren.

  • Langzeittherapie
    • Fortsetzung der Antikoagulation – Dauerhafte Therapie bei persistierenden Risikofaktoren (z. B. Thrombophilie, Krebs).
    • Risikoadaptierte Therapie – Regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Dosierung oder des Antikoagulans.
  • Rehabilitation und Nachsorge
    • Kardiopulmonale Rehabilitation – Training und Übungen zur Verbesserung der kardiovaskulären und pulmonalen Kapazität.
    • Pulmonale Hypertonie-Überwachung – Regelmäßige Echokardiographie (Herzultraschall) bei Verdacht auf chronische thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH).
    • Kontrolle von Komorbiditäten – Behandlung von Begleiterkrankungen wie Adipositas oder chronischen Lungenerkrankungen.
  • Patientenaufklärung
    • Schulungen zur Thromboseprophylaxe – Vermittlung von Wissen über Anzeichen und Symptome von Lungenembolien.
    • Notfallmanagement – Anleitung zum Umgang mit akuten Symptomen und Verwendung von Kompressionsstrümpfen.

Literatur

  1. Shirakawa T et al.: Watching television and mortality from pulmonary embolism among middle-aged Japanese men and women: the JACC study. ESC 2015 Abstract
  2. S3-Leitlinie: Prophylaxe der venösen Thromboembolie (VTE). (AWMF-Registernummer: 003-001), Oktober 2015 Langfassung
  3. Anderson DR et al.: Aspirin or Rivaroxaban for VTE Prophylaxis after Hip or Knee Arthroplasty. N Engl J Med 2018; online 22. Februar; doi: 10.1056/NEJMoa1712746
  4. Shalhoub J et al.: Graduated compression stockings as adjuvant to pharmaco-thromboprophylaxis in elective surgical patients (GAPS study): randomised controlled trial. BMJ 2020; 369; https://doi.org/10.1136/bmj.m1309

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Prophylaxe der venösen Thromboembolie (VTE). (AWMF-Registernummer: 003-001), Oktober 2015 Langfassung