Lungenembolie – Operative Therapie
Akuttherapie der Lungenembolie
Die Lungenembolie (Lungenarterienverschluss) ist eine potenziell lebensbedrohliche Erkrankung, die eine rasche Diagnosestellung und gezielte Therapie erfordert. Die Wahl der Behandlungsstrategie richtet sich nach dem hämodynamischen Status des Patienten und dem Schweregrad der Lungenembolie.
Grundlegende Therapiemaßnahmen
Die Akuttherapie der Lungenembolie (Lungenarterienverschluss) basiert auf folgenden Ansätzen:
- Antikoagulation (Gerinnungshemmung) – Die Gabe von nicht-Vitamin-K-abhängigen oralen Antikoagulantien (NOAK) wie Apixaban, Dabigatran, Edoxaban und Rivaroxaban ist gemäß den aktuellen ESC-Leitlinien (European Society of Cardiology, 2019) die Therapie der ersten Wahl bei hämodynamisch stabilen Patienten ohne Kontraindikationen (Klasse-1-Empfehlung).
- Intravenöse systemische Thrombolyse (Fibrinolyse, Auflösung des Blutgerinnsels) – Die rasche Auflösung des Thrombus ist indiziert bei hämodynamischer Instabilität, d. h. bei manifester Schocksymptomatik oder anhaltender Hypotonie (systolischer Blutdruck < 90 mmHg über ≥ 15 Minuten), sofern keine Kontraindikationen vorliegen (Klasse-1-Empfehlung).
- Rekanalisierende Verfahren (Wiedereröffnung verengter oder verschlossener Gefäße) – Diese kommen bei massiven Embolien und fehlendem Ansprechen auf die Thrombolyse zum Einsatz:
- Kathetergestützte Thrombektomie (mechanische Entfernung des Blutgerinnsels mit einem Katheter) – Mechanische Entfernung oder Zerkleinerung des Thrombus über Katheterverfahren.
- Chirurgische Embolektomie (operative Entfernung des Blutgerinnsels aus der Lungenarterie) – Offene Entfernung des Embolus aus der Lungenarterie, insbesondere bei Patienten mit Kontraindikationen für eine Thrombolyse.
- Pulmonale Endarteriektomie (Entfernung von Thromben aus den Lungenarterien bei chronischer Lungenhochdruck-Erkrankung) – Indiziert bei chronischer thromboembolischer pulmonaler Hypertonie (CTEPH, dauerhafte Erhöhung des Blutdrucks in den Lungenarterien durch wiederholte Blutgerinnsel).
Die Implantation eines Vena-cava-Filters (Filter in der unteren Hohlvene zur Vermeidung erneuter Lungenembolien) bleibt einzelnen Hochrisikofällen vorbehalten, insbesondere wenn eine Antikoagulation (Gerinnungshemmung) kontraindiziert ist oder trotz adäquater Gerinnungshemmung wiederholte Lungenembolien auftreten (S2k-Leitlinie, ↑↑).
Differenzierte Therapiestrategien nach Schweregrad
Je nach klinischer Risikoeinschätzung unterscheidet man folgende Behandlungsstrategien:
-
Niedrigrisiko-Lungenembolie (Lungenarterienverschluss ohne Kreislaufbelastung, sPESI = 0, keine Rechtsherzbelastung):
- Alleinige Antikoagulation (Gerinnungshemmung) mit NOAKs oder niedermolekularem Heparin (NMH, spezielle Blutgerinnungshemmer mit niedrigem Molekulargewicht), Umstellung auf orale Antikoagulation (Gerinnungshemmung) nach stabiler Phase.
- In ausgewählten Fällen ambulante Behandlung möglich.
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Intermediäres Risiko (mittleres Risiko, sPESI ≥ 1 oder Zeichen der Rechtsherzbelastung in der Echokardiographie oder Computertomographie (CT, bildgebendes Verfahren zur Untersuchung der Lungenarterien)):
- Primäre Antikoagulation (Gerinnungshemmung) mit NOAKs oder NMH.
- Überwachung auf hämodynamische Verschlechterung (Beobachtung möglicher Kreislaufprobleme).
- Eskalation zur Thrombolyse (Auflösung des Blutgerinnsels) oder rekanalisierenden Verfahren (Wiedereröffnung verengter Gefäße) bei Progression.
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Hochrisiko-Lungenembolie (Lungenarterienverschluss mit Kreislaufschock oder niedriger Blutdruck unter 90 mmHg):
- Sofortige systemische Thrombolyse (intravenöse Gabe von Medikamenten zur Auflösung des Blutgerinnsels) als Primärtherapie.
- Falls kontraindiziert oder erfolglos: Kathetergesteuerte Thrombolyse (lokale Medikamentengabe durch einen Katheter) oder chirurgische Embolektomie (operative Entfernung des Blutgerinnsels aus der Lungenarterie).
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Extrem hohes Risiko (lebensbedrohlicher Lungenarterienverschluss mit Kreislaufstillstand oder Schock):
- Unverzügliche Reanimationsmaßnahmen (Wiederbelebung), parallele systemische Lysetherapie (Auflösung des Blutgerinnsels).
- Falls keine Besserung: Notfall-Embolektomie (dringende Operation zur Entfernung des Blutgerinnsels) oder katheterbasierte Thrombektomie (mechanische Entfernung mit einem Katheter).
Alternative Therapieoptionen bei Thrombolyse-Kontraindikationen
Falls eine systemische Lysetherapie (Auflösung des Blutgerinnsels durch Medikamente) nicht möglich oder unwirksam ist, bestehen folgende Optionen:
- Kathetergesteuerte lokale Thrombolyse (gezielte medikamentöse Auflösung des Blutgerinnsels durch einen Katheter).
- Endovaskuläre mechanische Verfahren (minimalinvasive Methoden zur Entfernung oder Zerkleinerung des Blutgerinnsels).
- Chirurgische pulmonale Embolektomie (operative Entfernung des Blutgerinnsels aus der Lungenarterie).
Langfristige Therapie und Sekundärprävention (Vorbeugung einer erneuten Lungenembolie)
Nach der Akuttherapie erfolgt die Langzeitantikoagulation (dauerhafte Gerinnungshemmung) zur Sekundärprävention:
- Mindestens 3-6 Monate Antikoagulation (Gerinnungshemmung) bei reversiblen Risikofaktoren (z. B. postoperative Lungenembolie (Lungenarterienverschluss)).
- Unbefristete Therapie bei idiopathischer Lungenembolie (Lungenarterienverschluss ohne erkennbare Ursache) oder persistierenden Risikofaktoren (z. B. Thrombophilie).
- Reevaluation nach 3 Monaten, Entscheidung über Fortführung oder Absetzen der Antikoagulation (Gerinnungshemmung).
Zusammenfassung der operativen Maßnahmen bei schwerer Lungenembolie (Lungenarterienverschluss)
Verfahren | Technik | Vorteile | Nachteile |
---|---|---|---|
Katheterbasierte Thrombektomie (Entfernung des Blutgerinnsels mittels Katheter) | Mechanische Fragmentation oder Aspiration des Thrombus | Minimalinvasiv, auch bei Thrombolyse (Blutgerinnselauflösung)-Kontraindikation möglich | Erfordert spezialisierte Expertise, Risiko für Gefäßverletzung |
Systemische Thrombolyse (medikamentöse Auflösung des Blutgerinnsels) | i.v.-Gabe von Fibrinolytika (Alteplase, Tenecteplase) | Hohe Wirksamkeit, etabliertes Standardverfahren | Hohes Blutungsrisiko, kontraindiziert bei intrakraniellen Blutungen |
Chirurgische Embolektomie (operative Entfernung des Blutgerinnsels aus der Lungenarterie) | Offene Entfernung des Embolus | Effektiv bei schweren Embolien | Invasiv, hohes perioperatives Risiko |
Pulmonale Endarteriektomie (operative Entfernung von chronischen Blutgerinnseln in den Lungenarterien) | Entfernung chronischer Thromben bei CTEPH (Lungenhochdruck durch wiederholte Thrombosen) | Dauerhafte Drucksenkung in der pulmonalen Zirkulation | Erfordert hoch spezialisierte Zentren |
Fazit
Die Behandlung der Lungenembolie (Lungenarterienverschluss) richtet sich nach dem individuellen Risiko des Patienten. Antikoagulation (Gerinnungshemmung) bleibt die Basismaßnahme, während Thrombolyse (Blutgerinnselauflösung) und rekanalisierende Verfahren (Wiedereröffnung verengter Gefäße) schwerwiegenden Fällen vorbehalten sind.
Literatur
- Jaber WA et al.: Large-bore Mechanical Thrombectomy Versus Catheter-directed Thrombolysis in the Management of Intermediate-risk Pulmonary Embolism: Primary Results of the PEERLESS Randomized Controlled Trial Circulation 2024 https://doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.124.072364
Leitlinien
- Pocket-Leitlinie: Management der akuten Lungenembolie. Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung (DGK). 2014
- Konstantinides S et al.: 2014 ESC Guidelines on the diagnosis and management of acute pulmonary embolism. European Heart Journal 2014 Nov; 35: 3033-3080; doi: 10.1093/eurheartj/ehu283
- S3-Leitlinie: Prophylaxe der venösen Thromboembolie (VTE). (AWMF-Registernummer: 003-001), Oktober 2015 Langfassung
- 2019 ESC Guidelines for the diagnosis and management of acute pulmonaryembolism developed in collaboration with the European Respiratory Society (ERS) – The Task Force for the diagnosis and management of acute pulmonary embolism of the European Society of Cardiology (ESC), Eur Heart J 2020;41,4:543-603, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehz405
- S2k-Leitlinie: Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und Lungenembolie. (AWMF-Registernummer: 065-002), Februar 2023 Kurzfassung Langfassung