Lipödem – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Das Lipödem ist eine chronische und progrediente (fortschreitende) Erkrankung des Fettgewebes, die durch eine symmetrische, disproportionale Fettgewebsvermehrung gekennzeichnet ist und hauptsächlich die unteren Extremitäten betrifft. Die Pathogenese des Lipödems ist bislang nicht vollständig geklärt, jedoch wird eine genetische Prädisposition als wahrscheinlich angesehen, da in vielen Fällen eine familiäre Häufung beobachtet wird.

Genetische und hormonelle Faktoren

  • Eine genetische Veranlagung scheint eine entscheidende Rolle in der Entwicklung des Lipödems zu spielen, da häufig eine positive Familienanamnese (Krankheitsgeschichte innerhalb der Familie) vorliegt.
  • Das Lipödem tritt fast ausschließlich bei Frauen auf, was auf eine hormonelle Komponente hinweist. Häufig entwickelt sich die Erkrankung in Zeiten hormoneller Veränderungen, wie Pubertät, Schwangerschaft oder Menopause. Dies deutet auf eine hormonabhängige Pathogenese hin.

Fettgewebsveränderungen

  • Histologisch zeigt sich eine Hyperplasie (Vermehrung durch Zellteilung) und Hypertrophie (Vergrößerung durch Zellvergrößerung) von Fettzellen. Die Fettzellen sind durch bindegewebige Septen (Scheidewände) voneinander getrennt.
  • Die gesteigerte Adipogenese (Fettgewebsbildung) und das verstärkte Wachstum der Fettzellen führen zu einer erhöhten Kompression der Lymph- und Blutgefäße, was die Mikrozirkulation beeinträchtigt und eine Ischämie (Minderversorgung des Gewebes mit Sauerstoff) begünstigt.

Mikrozirkulationsstörungen und Hypoxie

  • Aufgrund der fehlenden Sauerstoffversorgung (Hypoxie) der übermäßig vergrößerten Fettzellen kommt es zu Fettgewebsnekrosen (Absterben von Fettzellen), was eine konsekutive Inflammation (Entzündung) auslöst.
  • Die Entzündung und die Ischämie des Fettgewebes führen zu einer Aktivierung von Stammzellen des Fettgewebes und einer weiteren Proliferation (Wachstum) von Fettgewebe.
  • Gleichzeitig tritt eine pathologische Angiogenese (Neubildung von Blutgefäßen) auf, was die Entstehung von orthostatischen Ödemen (Schwellungen durch erhöhte Flüssigkeitsansammlung bei aufrechter Körperhaltung) begünstigt. Diese Veränderungen erklären auch die erhöhte Hämatomneigung (Neigung zu Blutergüssen), die aufgrund der erhöhten Kapillarfragilität (instabile Kapillargefäße) bei Lipödem-Patienten auftritt.

Beteiligung des Lymphsystems

  • In der Pathogenese des Lipödems wird auch eine Beteiligung des Lymphsystems diskutiert. Die Kompression der Lymphkapillaren durch das vermehrte Fettgewebe führt zu einer Mikrozirkulationsstörung und einer chronischen Ödemneigung.
  • Die resultierende Lymphstase (Stauung der Lymphflüssigkeit) trägt zur Entstehung der charakteristischen Schwellungen und Spannungsgefühle bei.
  • Diese Veränderungen führen zu einer progressiven Verschlechterung der Erkrankung und können im späteren Verlauf in ein Lymphödem übergehen.

Ursache des Schmerzes

  • Der Schmerz, eines der Leitsymptome des Lipödems, korreliert nicht mit der Schwere der Fettverteilungsstörung oder dem Body-Mass-Index (BMI). Der genaue Mechanismus der Schmerzentstehung ist noch unklar.
  • Diskutiert wird eine Neuroinflammation (Entzündung der Nerven) und eine veränderte Schmerzschwelle aufgrund der Druckerhöhung im interstitiellen Gewebe und der Veränderungen in der Mikrozirkulation.

Zusammenwirken von Lipödem und Adipositas

  • Häufig tritt das Lipödem gemeinsam mit einer Adipositas (Übergewicht) auf. Die Adipositas kann das Lipödem verschlechtern, da die Fettzellhypertrophie und die Ödemneigung zusätzlich verstärkt werden.
  • Die Dysbalance zwischen der Fettzellenproliferation und der lokalen Mikrozirkulation führt zu einem Teufelskreis, der die Erkrankung weiter verschlimmert.

Zusammenfassung

Das Lipödem ist eine komplexe Erkrankung, die durch eine genetische Prädisposition und hormonelle Einflüsse begünstigt wird. Die histologischen Veränderungen umfassen eine Hyperplasie und Hypertrophie der Fettzellen sowie eine Mikrozirkulationsstörung aufgrund von Kapillarkompression und Hypoxie. Dies führt zu einer Neubildung pathologischer Blutgefäße, Fettgewebsnekrosen und einer Entzündungsreaktion. Der Schmerz ist nicht direkt mit der Schwere der Erkrankung korreliert und bleibt pathogenetisch unklar.

Durch die Beteiligung des Lymphsystems entstehen chronische Ödeme, die den Krankheitsverlauf weiter verschlechtern. Adipositas ist ein verstärkender Faktor und kann den Verlauf des Lipödems zusätzlich negativ beeinflussen.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern (in ca. 60 % der Fälle); man vermutet eine autosomal-dominante Vererbung mit Beschränkung auf das weibliche Geschlecht
  • Hormonelle Faktoren – Pubertät, Schwangerschaft, Klimakterium; man vermutet einen Zusammenhang mit dem Östrogenstoffwechsel

Beachte: Das Lipödem ist weder durch eine Adipositas bedingt, noch bedingt es seinerseits eine Adipositas. Allerdings kann Übergewicht die Symptome eines Lipödems verstärken.