Kardiogener Schock – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Der kardiogene Schock (CS) ist eine lebensbedrohliche Form des Kreislaufschocks, die durch ein akutes Pumpversagen des Herzens ausgelöst wird. Dies führt zu einer unzureichenden Sauerstoffversorgung lebenswichtiger Organe. Der pathophysiologische Mechanismus ist primär auf eine starke Reduktion des Herzzeitvolumens (HZV) zurückzuführen, wodurch die periphere Gewebeperfusion (Durchblutung des Gewebes) abnimmt und es zu einem multiorganischen Versagen (MOV) kommen kann.
Hauptursachen des kardiogenen Schocks
Der kardiogene Schock tritt häufig als Folge eines akuten Myokardinfarkts (MI; Herzinfarkt)) auf, wobei die folgenden mechanischen und funktionellen Komplikationen eine wichtige Rolle spielen:
- Linksherzinsuffizienz (Linksherzschwäche): Die häufigste Ursache (78,5 % der Fälle) für einen kardiogenen Schock. Eine linksventrikuläre Dysfunktion reduziert die Auswurfleistung des linken Ventrikels (Herzkammer) und führt zu einem Anstieg des linksatrialen Drucks (Druckanstieg im linken Vorhof). Dies bewirkt eine Lungenstauung und eine weitere Beeinträchtigung der systolischen Herzleistung.
- Mitralinsuffizienz: In 6,9 % der Fälle ist eine Mitralinsuffizienz (Schlussunfähigkeit der Mitralklappe) durch eine Papillarmuskelruptur (Abreißen der Papillarmuskeln, die die Mitralklappe steuern) die Ursache. Dies führt zu einem Rückfluss von Blut in den linken Vorhof, was die Vorlast erhöht und die Pumpfunktion des linken Ventrikels weiter beeinträchtigt.
- Ventrikelseptumruptur: Eine Ventrikelseptumruptur tritt in 3,9 % der Fälle auf und führt zu einem Links-Rechts-Shunt (Blutfluss von der linken zur rechten Herzkammer), was die Effizienz der linksventrikulären Pumpfunktion drastisch reduziert.
- Rechtsherzinsuffizienz (Rechtherzschwäche): Bei 2,8 % der Fälle liegt eine isolierte Dysfunktion des rechten Ventrikels vor, z. B. durch eine akute Rechtsherzbelastung nach einer Lungenembolie. Da das rechte Herz nicht genügend Blut zur linken Herzkammer pumpen kann, kommt es zur Verminderung des HZV.
- Herztamponade: In 1,4 % der Fälle tritt ein kardiogener Schock durch eine Herztamponade auf. Dabei sammelt sich Flüssigkeit im Perikard (Herzbeutel) an und komprimiert das Herz, was zu einer Verminderung der Füllung und Auswurfleistung führt.
- Weitere Ursachen (6,7 %): Andere seltene Ursachen wie hypertrophe Kardiomyopathie (Herzmuskelerkrankung), Endokarditis (Herzinnenhautentzündung) mit Klappenzerstörung, massive Lungenembolie, oder auch toxische Substanzen können einen kardiogenen Schock auslösen.
Pathophysiologische Mechanismen
Der kardiogene Schock entsteht durch eine Kombination folgender pathophysiologischer Mechanismen, die sich gegenseitig verstärken:
- Reduktion des Herzzeitvolumens: Ein akuter Verlust der Myokardmasse (Herzmuskelmasse) oder eine schwere Herzklappendysfunktion reduziert die systolische Pumpfunktion. Das Herzzeitvolumen fällt ab, was zu einem Abfall des arteriellen Blutdrucks und einer inadäquaten Sauerstoffversorgung peripherer Gewebe führt.
- Überschießende Entzündungsreaktion: Bei einem akuten Myokardinfarkt kommt es durch Nekrose des Myokards zur Freisetzung proinflammatorischer Zytokine (z. B. TNF-α, Interleukine), die systemische Entzündungsreaktionen auslösen. Dies kann zu einer Schädigung der Kapillarendothelzellen und einer erhöhten Gefäßpermeabilität führen.
- Verlust der vascular integrity (Barrierefunktion der Gefäße): Durch die Schädigung der Endothelzellen kommt es zu einem Austritt von Plasma in das umliegende Gewebe, was zu einem intravasalen Volumenverlust führt und die Gewebeperfusion weiter verschlechtert. Das Herz kann den reduzierten Blutfluss nicht kompensieren, was zu einer weiteren Hypotonie (niedriger Blutdruck) führt.
- Periphere Vasokonstriktion: Als Kompensationsmechanismus versucht der Körper, den Blutdruck durch eine periphere Vasokonstriktion (Gefäßverengung) aufrechtzuerhalten. Dies erhöht den peripheren Widerstand, belastet das Herz zusätzlich und führt zu einer Verschlechterung der Herzfunktion.
Klinische Stadien des kardiogenen Schocks
Der kardiogene Schock kann in verschiedene klinische Stadien unterteilt werden:
- Frühphase (Kompensation): In der Frühphase versucht der Körper, den Blutdruck durch Sympathikusaktivierung und erhöhte Herzfrequenz zu kompensieren. Symptome sind: Tachykardie (erhöhte Herzfrequenz), kalte Extremitäten und blasse Haut.
- Dekompensationsphase: Trotz Kompensationsmechanismen bleibt die Organperfusion (Organdurchblutung) unzureichend. Es kommt zu einer Laktatazidose (Übersäuerung durch Laktatbildung), erhöhter Atemfrequenz und Dyspnoe (Atemnot).
- Endphase: In der Endphase entwickeln sich schwere Organdysfunktionen (z. B. Nierenversagen, hepatische Dysfunktion) und es kommt zum Multiorganversagen (MOV).
Die Prognose eines kardiogenen Schocks ist schlecht, insbesondere bei Patienten mit ausgedehnter Myokardnekrose oder verzögerter Reperfusion. Eine schnelle Diagnosestellung und frühzeitige Behandlung sind entscheidend für die Überlebenschancen der Patienten.
Ätiologie (Ursachen)
Krankheitsbedingte Ursachen
- Akutes Linksherzversagen (LHV)
- Akutes Rechtsherzversagen (RHV)
- Aneurysma dissecans – Spaltbildung der Arterienwand
- Embolie/Thrombose der Vena cava – Verschluss der Hohlvene durch einen Embolus/Thrombus
- Dekompensierte Herzvitien (Herzklappenfehler)
- Herzrhythmusstörungen wie die ventrikuläre Tachykardie (Kammertachykardie)
- Kardiomyopathie – Gruppe von Herzmuskelerkrankungen, die zu einer Einschränkung der Herzfunktion führt
- Lungenembolie – Verschluss eines Lungengefäßes
- Mitralinsuffizienz – Schlussunfähigkeit der Mitralklappe zwischen dem linken Vorhof und dem linken Ventrikel/Herzkammer
- Myokardinfarkt (Herzinfarkt) – ca. 90 % der Patienten überleben einen Myokardinfarkt; tritt initial oder im Verlauf eines Herzinfarkts ein kardiogener Schock auf, dann liegt die Überlebensrate der infarktbedingten kardiogenen Schock (IkS)-Patienten nur noch bei ca. 50 %, wg. Ausbildung eines Multiorgandysfunktionssyndroms (MODS)/gleichzeitiges oder sequentielles Versagen oder schwere Funktionseinschränkung verschiedener lebenswichtiger Organsysteme des Körpers
- Myokarditis (Herzmuskelentzündung)
- Papillarmuskelabriss – akute lebensbedrohliche Erkrankung, die zu einer Einschränkung der Herzklappenfunktion führt
- Perikardtamponade – Herzbeuteltamponade: Tamponade des Herzbeutels mit der Folge Herzkompression
- Ruptur (Riss) eines Aortenaneurysmas – Aussackung in der Gefäßwand
- Traumatischer Herzklappenausriss
- Ventrikelseptumruptur – schwerwiegende Komplikation des akuten Myokardinfarktes
Literatur
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