Kardiogener Schock – Medikamentöse Therapie
Therapieziel
- Stabilisierung der Kreislaufverhältnisse, um der Entwicklung eines multiplen Organversagens entgegenzuwirken
Therapieempfehlungen
- Zügige chirurgische Intervention bei
- infarktbedingtem-kardiogenen Schock (IkS) → perkutane Koronarintervention (PCI), im Regelfall als Stentimplantation [die koronare Revaskularisation ist wesentlicher Prädiktor des Langzeitüberlebens] (s. u. den gleichnamigen Themen)
- schockauslösender Perikardtamponade/-erguss, Spannungspneumothorax
- Bei Hypovolämie (Verminderung der zirkulierenden Menge Blut im Blutkreislauf) ggf. Vorlasterhöhung mit Volumengabe (kristalloide und kolloidale) unter engmaschiger Kontrolle der Hämodynamik; vermeide Volumenüberlastung!
Beachte: Zurückhaltende Volumengabe bei akutem Atemnotsyndrom (ARDS) oder schwerer bzw. vorbestehender Herzinsuffizienz. - Bei persistierendem MAP (mean arterial pressure; mittlere arterielle Druck) < 65 mmHg sollten Katecholamine eingesetzt werden:
- Dobutamin (β‑1-Agonist; Inotropikum) bei primärem Pumpversagen; Dosierung: 2-20 μg/kg/min [Inotropikum/Steigerung der Kontraktionskraft des Herzens mit leichter vasodilatorischer Wirkung; Mittel der 1. Wahl]
- moderater Hypotonie (niedriger Blutdruck) zur Steigerung der Inotropie [Inotropikum der Wahl bei IkS]
- Rechtsherzversagen (RHV) pulmonal und systemisch vasodilatierend sowie positiv inotrop
Dosierung: Beginn mit 2-3 µg/kg/min; Dosis-Wirkungs-Beziehung: 2,5-10 µg/kg
- Adrenalin (Epinephrin), die durch Dobutamin nicht zu verbessernder Hypotonie (Werte < 65 mmHg); Dosierung: 0,005-0,02 µg/kg/min [Adrenalin steigert die Herzleistung über die β‑1-Rezeptor-Aktivierung und vermittelt zugleich über α‑1-Rezeptoren eine Vasokonstriktion (Gefäßverengung); stärkere Vasokonstriktion des Splanchnikusbereichs ("Eingeweide-versorgenden Gefäße") als bei Noradrenalin oder Dopamin]
Beachte: Ist wg. überschießenden Organschädigung und Letalität ausschließlich der Reanimation vorbehalten! - Noradrenalin bei primärer Hypotension; Dosierung: Noradrenalininfusion von 0,1-1,0 μg/kg/min
- therapierefraktärer Hypotonie [Vasopressoren/Substanzen, die den Blutdruck heben oder stützen; sind Medikament der Wahl bei IkS; zur Blutdrucksteigerung Noradrenalin, als ionotrope Unterstützung sollte Dobutamin zum Einsatz kommen]
- Rechtsherzversagen (RHV) [Katecholamin als erste Wahl]
- Levosimendan kann bei nicht ausreichendem hämodynamischen Ansprechen auf Katecholamine versucht werden: 24 h dauernde Infusion; Dosierung: 0,05-0,2 µg/kg/min [Steigerung der kardialen Inotropie durch Ca 2+-Sensibilisierung und Nachlastsenkung (Abnahme SVR) und Myokardprotektion infolge einer K +-Kanal-vermittelten Vasodilatation]
- Beachte: Dopamin ist in der Regel nicht indiziert; es gibt aktuell auch keine Daten, die nachweisen, dass ein akutes Nierenversagen (ANV) oder eine akute mesenteriale Ischämie (AMI) verhindert wird.
- Dobutamin (β‑1-Agonist; Inotropikum) bei primärem Pumpversagen; Dosierung: 2-20 μg/kg/min [Inotropikum/Steigerung der Kontraktionskraft des Herzens mit leichter vasodilatorischer Wirkung; Mittel der 1. Wahl]
- Phosphodiesterasehemmer (Phosphodiesterase-3-Inhibitoren) wie Enoximon oder Milrinon können bei unzureichendem Ansprechen auf Katecholamine versucht werden.
[Beachte: bei katecholaminrefraktärem MICS (Myokardinfarkt (MI) + kardiogenem Schock (CS)) wird Levosimendan gegenüber Phosphodiesterase(PDE)-III-Inhibitoren bevorzugt] bei- dekompensierter chronischer Herzinsuffizienz oder ausgeprägter Betarezeptorenblockade
- Rechtsherzversagen (RHV) positiv inotrop (Steigerung der Kontraktionskraft des Herzen) und vasodilatierend (gefäßerweiternd) ohne direkte Auswirkungen auf die Herzfrequenz
-
Milrinon: kontinuierliche Infusion: Dosierung: 0,375-0,75 µg/kg/min (s. u. "Weitere Hinweise")
-
Enoximon: kontinuierliche Infusion: Dosierung: 1,25-7,5 µg/kg/min
Cave: Keine Bolusgabe wegen einer ausgeprägten Hypotoniegefahr
- Rückwärtsversagen: invasive Beatmung, um einen SaO2 (arterielle Sauerstoffsättigung) von 95-98 % zu erreichen
- Antiarrhythmische Therapie – Sinusrhythmus (normofrequente, regelmäßiger Herzschlag) mit Frequenzkontrolle optimal
- Ggf. Nachlastsenkung mit Natrium-Nitroprussid
- Fibrinolyse (Auflösung eines Fibringerinnsels durch Enzymeinwirkung) sollte innerhalb der 6‑Stunden-Frist bei denjenigen Patienten mit initialem Infarkt-bedingtem kardiogenen Schock durchgeführt werden.
- Korrektur der Elektrolyte (Blutsalze) falls erforderlich
- Beatmung: Sauerstoffgabe und großzügige Indikationsstellung der maschinellen Beatmung
Beachte: Bei akutem Rechtsherzversagen (RHV) ist der nichtinvasiven Beatmung der Vorzug zu geben! - Analgesie (Schmerzlinderung), Sedierung (Beruhigung), Anxiolyse (Angstlösung) – konsequente Überwachung und Beobachtung mit einer Sedierungsskala
- Enterale Ernährung/Trinknahrung, wenn das Schlucken noch möglich ist (statt parenteraler Ernährung) bei hämodynamischer Instabilität
- Schrittmachertherapie bei nicht beherrschbarer Bradykardie (zu langsamer Herzschlag: < 60 Schläge pro Minute)
- Kardioversion bei Tachykardien (> 100 Herzschläge pro Minute); wenn unzureichend, dann Beginn mit Amiodaron
- Mechanische Kreislaufunterstützung (mechanische aktive zirkulatorische Unterstützungssysteme (MCS)) mit cardiac assist devices im therapierefraktären kardiogenen Schock) – s. u. "Weitere Therapie"
Beachte: Soweit kein adäquates Ansprechen auf die Initialtherapie mit Volumen und Inotropika/Vasopressoren → erweitertes hämodynamisches Monitoring zur Bestimmung drei Kenngrößen (Vorlast, Nachlast, Kontraktilität (Herzzeitvolumen)) zur Therapiesteuerung.
Zielwerte der hämodynamischen Therapie:
- Mittlerer arterieller Druck (MAD; mean arterial pressure, MAP): 65-75 mmHg; niedrige Drücke können bei ausreichender Diurese (Harnausscheidung durch die Nieren) toleriert werden
- Clearance (CI; Maß für die Klär- bzw. Entgiftungsleistung der Nieren): > 2,5 l/min 1/m2 oder Cardiac Power Output (CPO) > 0,6 W oder Cardiac-Power-Index (CPI) > 0,4 W m-2
- Diurese: ≥ 50 ml/h
- Lactat: < 2; Lactat-Clearance: > 40 %
Weitere Hinweise
- Hypothermie (Unterkühlung)
- Der kardiogene Schock ist keine Indikation für eine Hypothermie. Die SHOCK COOL Studie konnte keine günstigen Effekte auf Verlauf und Prognose nachweisen [1].
- HYPO-ECMO-Studie: Bei Patienten im kardiogenen Schock, die eine ECMO-Therapie (extracorporale Membranoxigenation/Lungenunterstützungstherapie) erhalten, ist eine vorübergehende milde Hypothermie (für 24 Stunden auf 33-34 °C gesenkt) keine erfolgversprechende Option zur Reduktion der Mortalität (Sterberate) nach 30 Tagen [3].
- Bei IkS-Patienten (infarktbedingten-kardiogenen-Schock) sind die hämodynamischen Effekte der intraaortalen Ballongegenpulsation (IABP) als moderat zu bezeichnen.
- Direktvergleich von Milrinon mit Dobutamin: Die DOREMI-Studie betätigt die Empfehlungen der S3-Leitlinien, die Dobutamin als Inotropikum der Wahl präferiert, das billiger und nicht schlechter als Milrinon ist [2].
Literatur
- Schwarzl M et al.: Left ventricular diastolic dysfunction during acute myocardial infarction: effect of mild hypothermia. Resuscitation 2012; 83:1503-10
- Mathew R et al.: Milrinone as Compared with Dobutamine in the Treatment of Cardiogenic Shock. N Engl J Med 2021; 385:516-525. doi: 10.1056/NEJMoa2026845
Leitlinien
- S3-Leitlinie: Intraaortale Ballongegenpulsation in der Herzchirurgie. (AWMF-Registernummer 011 - 020) Mai 2015 Langfassung
- S3-Leitlinie: Infarkt-bedingter kardiogener Schock – Diagnose, Monitoring und Therapie. (AWMF-Registernummer 019-013) Februar 2019 Kurzfassung Langfassung
- S3-Leitlinie: Intravasale Volumentherapie beim Erwachsenen. (AWMF-Registernummer: 001 - 020), Juli 2020 Langfassung