Kammerflimmern – Einleitung
Kammerflimmern (ventrikuläre Fibrillation) ist eine schwerwiegende Herzrhythmusstörung, bei der die elektrischen Erregungen in den Herzkammern chaotisch und unkoordiniert ablaufen, was zu einer extrem schnellen und unregelmäßigen Herzfrequenz von über 320 Schlägen pro Minute führt. Diese unorganisierten Kontraktionen des Herzmuskels führen dazu, dass das Herz nicht mehr in der Lage ist, Blut effektiv zu pumpen, was einen sofortigen Kreislaufstillstand und damit eine lebensbedrohliche Situation zur Folge hat.
Synonyme und ICD-10: Ventricular fibrillation; ventrikuläre Arrhythmie; ventrikuläre Tachyarrhythmie; ICD-10-GM I49.0: Kammerflattern und Kammerflimmern
Formen der Erkrankung
Kammerflimmern gehört zur Gruppe der ventrikulären Arrhythmien, zu der auch die folgenden gehören:
- Ventrikuläre Tachykardie (VT): Eine ebenfalls lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung, bei der die Herzkammern mit einer Frequenz von 100 bis 250 Schlägen pro Minute schlagen.
- Kammerflattern: Eine Vorstufe des Kammerflimmerns, bei der die Frequenz der ventrikulären Erregungen zwischen 250 und 320 Schlägen pro Minute liegt.
Ursachen
Kammerflimmern tritt häufig bei Patienten mit vorbestehenden organischen Herzerkrankungen auf, wie z. B.:
- Koronare Herzkrankheit (KHK): Verengung oder Blockierung der Herzkranzgefäße, die das Herz mit Blut versorgen.
- Myokardinfarkt: Schädigung des Herzmuskels (Myokard) durch Unterbrechung der Blutversorgung.
- Herzinsuffizienz: Unzureichende Pumpfunktion des Herzens.
- Kardiomyopathien: Erkrankungen des Herzmuskels, die die Herzfunktion beeinträchtigen.
- Elektrolytstörungen: Ungleichgewicht von Kalium, Kalzium oder Magnesium, das die elektrische Aktivität des Herzens stören kann.
- Genetische Prädisposition: Bestimmte erbliche Syndrome, die das Risiko für Kammerflimmern erhöhen, wie das Brugada-Syndrom oder das Long-QT-Syndrom.
Differentialdiagnosen
- Vorhofflimmern: Eine häufige Herzrhythmusstörung, die allerdings meist weniger gefährlich ist, da sie nicht direkt zum Kreislaufstillstand führt.
- Supraventrikuläre Tachykardien (SVT): Schnelle Herzrhythmen, die ihren Ursprung oberhalb der Herzkammern haben.
- Pulmonalembolie: Blockierung einer Lungenarterie, die ebenfalls zu plötzlichem Kreislaufstillstand führen kann.
- Akuter Myokardinfarkt (Herzinfarkt): Kann sowohl Ursache als auch Folge von Kammerflimmern sein.
Epidemiologie
Geschlechterverhältnis: Männer sind häufiger betroffen als Frauen.
Häufigkeitsgipfel: Kammerflimmern tritt am häufigsten bei älteren Erwachsenen auf, insbesondere bei Menschen mit vorbestehenden Herzerkrankungen.
Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Kammerflimmern ist eine seltene, aber sehr gefährliche Komplikation bei Patienten mit schwerwiegenden Herzerkrankungen.
Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): Kammerflimmern ist für 5-10 % der plötzlichen Herztodesfälle pro Jahr verantwortlich.
Verlauf und Prognose
Verlauf
- Kammerflimmern entwickelt sich oft akut und unerwartet, häufig in Zusammenhang mit einem Myokardinfarkt (Herzinfarkt) oder einer schweren Herzinsuffizienz.
- Ohne sofortige Behandlung führt Kammerflimmern innerhalb von Minuten zum Tod.
Prognose
- Akutbehandlung: Die einzige wirksame Behandlung ist die sofortige Defibrillation, um die normale Herzfunktion wiederherzustellen.
- Überlebenschancen:
- Die Überlebenschancen sinken mit jeder Minute, die ohne Defibrillation verstreicht, um etwa 10 %.
- Die Letalität des unbehandelten Kammerflimmerns beträgt 100 % (ohne Defibrillation).
- Langzeitprognose: Bei erfolgreicher Reanimation ist die langfristige Prognose abhängig von der zugrunde liegenden Herzerkrankung und der raschen Verfügbarkeit medizinischer Versorgung. Patienten mit erfolgreicher Defibrillation benötigen eine umfangreiche kardiologische Nachsorge.
Leitlinien
- ESC Guidelines: 2022 ESC Guidelines for the management of patients with ventricular arrhythmias and the prevention of sudden cardiac death: Developed by the task force for the management of patients with ventricular arrhythmias and the prevention of sudden cardiac death of the European Society of Cardiology (ESC) Endorsed by the Association for European Paediatric and Congenital Cardiology (AEPC). European Heart Journal August 2022.