Isolierte HDL-Erniedrigung (Hypercholesterinämie) – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Das HDL-Cholesterin spielt eine zentrale Rolle im reversen Cholesterintransport (RCT), indem es Cholesterin aus den Zellen der Gefäßwände zurück zur Leber transportiert, um es dort in Gallensäuren umzuwandeln und auszuscheiden. Dieser Prozess ist besonders wichtig zur Vermeidung von Atherosklerose (Arterienverkalkung).
Genetisch bedingte HDL-Erniedrigung
Bei genetischen Formen sind Mutationen in HDL-relevanten Genen für die gestörte Synthese und den Abbau von HDL verantwortlich. Solche genetischen Defekte beeinträchtigen die Cholesterin-Efflux-Kapazität, also die Fähigkeit von HDL, Cholesterin aus Makrophagen (Fresszellen) und Schaumzellen in den Gefäßwänden aufzunehmen.
Funktionalität von HDL wichtiger als Serumspiegel
Studien zeigen, dass eine hohe Cholesterin-Efflux-Kapazität mit einem niedrigeren Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse verbunden ist, unabhängig von den absoluten HDL-Serumspiegeln [1].
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Die Funktionalität des HDL-Cholesterins ist ein wichtigerer Prädiktor für das kardiovaskuläre Risiko als der HDL-Spiegel im Blut. Dies deutet darauf hin, dass therapeutische Ansätze auf die Verbesserung der HDL-Funktionalität und nicht nur auf die Erhöhung des HDL-Spiegels abzielen sollten [1].
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen
- Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern
- Genetisches Risiko abhängig vom mutierten Genen, die mit einer HDL („high-density lipoprotein“)-Defizienz einhergehen:
- APOA1 (Apolipoprotein A1):
- Homozygotie, komb. Heterozygotie (Klinik bei 2 mutierten Allelen): ApoA1-Defizienz (OMIM/Online Mendelian Inheritance in Man 107680): nahezu) vollständiger HDL-Mangel mit HDL-C-Werten von < 10 mg/dl bzw. < 0,3 mmol/l; Korneatrübungen (Hornhauttrübung), planare Xanthome (kleine gelblich-weiße Hautveränderungen der Haut der Handinnenflächen) und vorzeitige Atherosklerose (Arteriosklerose; Arterienverkalkung)
- Heterozygotie (Klinik bei 1 mutiertem Allel): Familiäre Amyloidose bei einigen Varianten (OMIM 105200; evtl. frühzeitige Koronare Herzkrankheit (KHK)/Herzkranzgefäßerkrankung)
- ABCA1 ("ATP-binding cassette transporter A1"):
- Homozygotie, komb. Heterozygotie (Klinik bei 2 mutierten Allelen): Tangier-Krankheit (OMIM 205400): periphere Neuropathie, orange Tonsillen (Gaumenmandeln), Hepatosplenomegalie (Leber- und Milzvergrößerung), vorzeitige Atherosklerose.
- Heterozygotie (Klinik bei 1 mutiertem Allel): Keine (evtl. frühzeitige KHK)
- LCAT (Lecithin-Cholesterin-Acetyltransferase):
- Homozygotie, komb. Heterozygotie (Klinik bei 2 mutierten Allelen):
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LCAT-Defizienz (OMIM 245900): Korneatrübungen (Hornhautrübungen), Nephropathie (Nierenerkrankung; Proteinurie, GFR ↓), hämolytische Anämie (Blutarmut (Anämie), die durch einen erhöhten bzw. vorzeitigen Zerfall von Erythrozyten (Hämolyse) bedingt ist)
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Fischaugen-Krankheit (OMIM 136120): LCAT-Mangel, jedoch mit einer partiellen Verminderung der LCAT-Aktivität. Im Gegensatz zum familiären LCAT-Mangel; Korneatrübungen (noch stärker ausgeprägt als beim familiären LCAT-Mangel); Nephropathie und hämolytische Anämie sind in der Regel nicht nachweisbar.
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- Heterozygotie (Klinik bei 1 mutiertem Allel): Keine (evtl. frühzeitige KHK)
- Homozygotie, komb. Heterozygotie (Klinik bei 2 mutierten Allelen):
- APOA1 (Apolipoprotein A1):
- Die aktuellen genetischen Daten stellen die Sichtweise einer generellen protektiven Rolle des HDL-Cholesterins im Hinblick auf die Koronare Herzkrankheit (KHK) infrage.
- Genetisches Risiko abhängig vom mutierten Genen, die mit einer HDL („high-density lipoprotein“)-Defizienz einhergehen:
- Hormonelle Faktoren – Menopause
Verhaltensbedingte Ursachen, die bei der Hypercholesterinämie bekannt sind
- Ernährung
- Hohe Aufnahme von Trans-Fettsäuren – Trans-Fettsäuren (10–20 g/Tag) aus Backwaren, Chips, Fast-Food-Produkten, Fertiggerichten und frittierten Speisen reduzieren den HDL-Spiegel und fördern entzündliche Prozesse [1, 2].
- Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – Ein Defizit an Magnesium, Zink und antioxidativen Vitaminen (z. B. Vitamin C, E) kann die HDL-Funktion und -Synthese beeinträchtigen.
- Genussmittelkonsum
- Tabak (Rauchen) – Führt zu systemischer Inflammation (Entzündung), die den HDL-Spiegel senkt und dessen antiatherogene Wirkung reduziert.
- Körperliche Aktivität
- Bewegungsmangel – Reduziert die Expression von Enzymen, die an der HDL-Bildung beteiligt sind, wie z. B. LCAT (Lecithin-Cholesterin-Acyltransferase).
- Psycho-soziale Situation
- Stress – Chronischer Stress erhöht die Konzentration von Stresshormonen wie Cortisol, die den Lipidstoffwechsel negativ beeinflussen.
- Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas)
- Abdominale Fettdepots korrelieren negativ mit dem HDL-Spiegel und fördern eine systemische Entzündungsreaktion.
HDL-Erniedrigung
Krankheitsbedingte Ursachen
Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)
- Adipositas (Fettsucht)**
- Anorexia nervosa (Magersucht)
- Diabetes mellitus Typ 2** (Zuckerkrankheit)
- Gaucher-Krankheit (Synonym: Gaucher-Syndrom) – häufigste lysosomale Speicherkrankheit (Störung des Fettstoffwechsels), autosomal-rezessiv vererbt
- Hyperkortisolismus** (Hypercortisolismus; Überangebot von Cortisol)
- Hypertriglyzeridämie (Fettstoffwechselstörung mit Erhöhung der Triacylglyceride) – schwere Form*; moderate Form**
- Hyperurikämie (Erhöhung des Harnsäurespiegels im Blut)
- Malnutrition (Fehl-/Mangelernährung)
- Metabolisches Syndrom – klinische Bezeichnung für die Symptomkombination Adipositas (Übergewicht), Hypertonie (Bluthochdruck), erhöhte Nüchternglucose (Nüchternblutzucker) und Nüchterninsulin-Serumspiegels (Insulinresistenz) und Fettstoffwechselstörung (erhöhte VLDL-Triglyceride, erniedrigtes HDL-Cholesterin). Des Weiteren ist häufig auch eine Koagulationsstörung (vermehrte Gerinnungsneigung), mit einem erhöhten Risiko für Thromboembolien nachzuweisen.
- Wachstumshormonmangel (Hyposomatotropismus, GHD, englisch growth hormone deficiency)
- Wachstumshormonexzess**
Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)
- AIDS *(„Acquired immunodeficiency syndrome“)
- Sepsis* (Blutvergiftung)
Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse) (K70-K77; K80-K87)
- Cholestase (Gallenstau)
- Hepatitis (Leberentzündung)
- Leberinsuffizienz*/Funktionsstörung der Leber mit teilweisem oder vollständigem Ausfall ihrer Stoffwechselaufgaben (akutes Leberversagen, dekompensierte Rechtsherzinsuffizienz/Rechtsherzschwäche, Leberzirrhose/irreversible Schädigung der Leber und einen ausgeprägten Umbau des Lebergewebes)
Neubildungen (C00-D48)
- Autoimmun-lymphoproliferatives Syndrom*
- B‑Zell-Lymphome*
- Leukämien* (Blutkrebs)
- Plasmozytom* (multiples Myelom)
Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)
- Hypertriglyzeridämie (Fettstoffwechselstörung mit Erhöhung der Triacylglyceride) – schwere Form**; moderate Form*
- Hyperurikämie (Erhöhung des Harnsäurespiegels im Blut)
- Systemische Inflammation*, z. B. wg. chronisch-entzündlicher Erkrankungen oder chronischer Nierenerkrankung [4, 5]
Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)
- Niereninsuffizienz – Prozess, der zu einer langsam fortschreitenden Verringerung der Nierenfunktion führt
Verdauungssystem (K00-K93)
- Dünndarmerkrankungen*, entzündliche
Medikamente
- Anabolika* (Senkung um bis zu 70 % [5]) – Substanzen, die den Aufbau von körpereigenem Gewebe vorwiegend durch eine verstärkte Proteinbiosynthese (Neubildung von Proteinen) fördern wie beispielsweise Nandrolon
- Antiretrovirale Medikamente** (einige aus dieser Gruppe)
- Androgene (Testosteron)
- Betablocker** (Arzneistoffe, die im Körper β-Rezeptoren blockieren und so die Wirkung der „Stresshormone“ Noradrenalin und Adrenalin hemmen; sie dienen der Senkung der Ruheherzfrequenz und des Blutdrucks; Einsatzgebiete sind der Bluthochdruck und die Koronare Herzkrankheit)
- Probucol*
- Rekombinantes humanes Interleukin-10*
- Thiaziddiuretika**
*Stark erniedrigtes HDL-Cholesterin (< 20 mg/dl bzw. 0, 5 mmol/l)
**Moderat erniedrigtes HDL-Cholesterin (< Idealwerte)
HDL-Erhöhung
Verhaltensbedingte Ursachen
- Genussmittelkonsum
- Alkoholkonsum
Krankheitsbedingte Ursachen
- Alkoholismus (Alkoholabusus)
Medikamente
- Carbamazepin (Antikonvulsivum/Antiepileptikum)
- Nicotinsäure – Vitamin aus dem B-Komplex
- Östrogene – weibliche Geschlechtshormone
- Phenytoin (Antikonvulsivum/Antiepileptikum)
Umweltbelastung – Intoxikationen (Vergiftungen)
- Exposition von Chlorkohlenwasserstoffen
Literatur
- Rohatgi A et al.: HDL Cholesterol Efflux Capacity and Incident Cardiovascular Events. November 18, 2014, DOI: 10.1056/NEJMoa1409065
- Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Stellungnahme Nr. 015/2006 des BfR vom 30. Januar 2006
- Hahn A, Ströhle A, Wolters M: Ernährung – Physiologische Grundlagen, Prävention, Therapie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart 2006
- Parhofer KG: Interaction between glucose and lipid metabolism: more than diabetic Dyslipidemia. Diabetes Metab 2015 Oct;39(5):353-62. doi: 10.4093/dmj.2015.39.5.353. Epub 2015 Oct 22.
- Glazer G (1991) Atherogenic effects of anabolic steroids on serum lipid levels. A literature review. Arch Intern Med 151:1925-1933
- Taskinen MR, Boren J: New insights into the pathophysiology of dyslipidemia in type 2 diabetes. Atherosclerosis 2015 Apr;239(2):483-95. doi: 10.1016/j.atherosclerosis.2015.01.039. Epub 2015 Feb 7.