Isolierte HDL-Erniedrigung (Hypercholesterinämie) – Einleitung

Hyperlipoproteinämien bezeichnen Krankheiten, bei denen die Lipide in der Nüchtern-Serumuntersuchung erhöht sind.
Dyslipoproteinämien bezeichnen Krankheiten, bei denen die Lipoproteinfraktionen im Blutserum in der Nüchtern-Serumuntersuchung in einem gestörten Verhältnis (besonders das Missverhältnis von HDL zu LDL) vorliegen.

Die Lipide sind immer an Lipoproteine (Komplex aus Proteinen (Apolipoproteine) und Lipiden) gebunden, da sie im Blut nicht löslich sind. Nüchtern bedeutet in dem Zusammenhang, dass die Blutentnahme mindestens acht Stunden nach der letzten Mahlzeit durchgeführt wurde.

Zu den Hyperlipoproteinämien bzw. Dyslipoproteinämien zählen:

  • reine LDL-Erhöhung
  • Dyslipoproteinämie – isolierte HDL-Erniedrigung (Synonyme: Hyperlipoproteinämie – isolierte HDL-Erniedrigung; Lipoproteinämie – HDL-Erniedrigung; ICD-10-GM E78.8: Sonstige Störungen des Lipoproteinstoffwechsels), d. h. HDL-Konzentration < 35 mg/dl, die nachfolgend beschrieben wird
  • Hypertriglyzeridämie
  • Lipoprotein (a)

Die Lipoproteine sind für die Aufnahme von Fetten aus der Nahrung und den Transport zwischen den Geweben und der Leber verantwortlich und werden wie folgt unterteilt:

Lipoprotein-Hauptklassen Aufgabe Bestandteile
Chylomikronen Transport der Triglyceride vom Darm zum Muskel Triglyceride ↑
Cholesterin ↓
VLDL Transport der Triglyceride und Cholesterin von der Leber zu anderen Geweben Triglyceride ↑
Cholesterin ↓
IDL Abbauprodukt der VLDL, weiterer Umbau zum LDL Triglyceride ↑
Cholesterin ↓
LDL Transport von im Körper gebildetem Cholesterin zu den Geweben Triglyceride ↓
Cholesterin ↑
HDL Transport des Cholesterins von den Geweben zur Leber (reverser Cholesterintransport, RCT) mit dem Ziel der Exkretion des Cholesterins; diese geschieht entweder direkt oder nach Umbau zu Gallensäuren Triglyceride ↓
Cholesterin ↑
Lp(a) Besteht unter anderem aus einer LDL-Komponente; hat Einfluss auf mehrere Systeme wie beispielsweise die Blutgerinnung Triglyceride ↓
Cholesterin ↑

Legende

  • VLDL: very low density lipoproteins (Lipoprotein mit sehr geringer Dichte)
  • IDL: intermediate density lipoproteins (Lipoprotein mit mittlerer Dichte)
  • LDL: low density lipoproteins (Lipoprotein mit geringer Dichte) – wird im Volksmund auch "schlechtes Cholesterin" genannt
  • HDL: high density lipoproteins (Lipoprotein mit hoher Dichte) – wird im Volksmund auch "gutes Cholesterin" genannt
  • Lp(a): Lipoprotein (a)

HDL-Erniedrigung

HDL-Erniedrigung bezieht sich auf einen verminderten Spiegel des High-Density-Lipoproteins (HDL-Cholesterin) im Blut. HDL-Cholesterin wird traditionell als „gutes“ Cholesterin betrachtet, da es überschüssiges Cholesterin aus den Arterien entfernt und zur Leber transportiert, wo es abgebaut wird. Epidemiologische Studien haben gezeigt, dass niedrige HDL-Spiegel mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen assoziiert sind. Jedoch legen neuere Studien nahe, dass nicht nur die Höhe des HDL-Cholesterins, sondern auch dessen Funktionalität eine entscheidende Rolle spielt.

Bislang wird dem HDL-Cholesterin eine protektive kardiovaskuläre Wirkung nachgesagt. Epidemiologische Studien erbrachten hierfür zahlreiche Hinweise.
Jetzt stellt eine Mendel-Randomisierung-Studie die Grundlage für die protektive Wirkung von HDL-Cholesterin infrage. Die Forschungsgruppe [1], überprüfte, ob eine Genvariante, die das HDL-Cholesterin ansteigen lässt, mit einem niedrigen Myokardinfarktrisiko (Herzinfarktrisiko) einhergeht. Das Ergebnis war negativ, die Träger mit der Genvariante erlitten nicht häufiger und nicht seltener als andere Personen einen Herzinfarkt!

Inzwischen liegen Studien vor, die die These stützen, dass funktionelle HDL-Eigenschaften wichtiger sind als die absolute Höhe der HDL-Serumspiegel (s. u. "Ursachen").

Charakteristische Laborbefunde

  • Niedriges HDL-Cholesterin: Definiert als HDL-Spiegel < 40 mg/dl (1,0 mmol/l) bei Männern und < 50 mg/dl (1,3 mmol/l) bei Frauen.
  • Erhöhtes Verhältnis von Gesamtcholesterin zu HDL: Ein Wert > 5 wird als ungünstig betrachtet, wobei ein Wert < 3 als ideal gilt.
  • Triglyceridspiegel: Oftmals finden sich bei niedrigen HDL-Werten gleichzeitig erhöhte Triglyceridwerte, was auf ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko hinweist.
  • ApoA1-Spiegel: ApoA1 ist der Hauptproteinbestandteil von HDL und dessen niedrige Werte sind mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen assoziiert.

Formen der HDL-Erniedrigung

  • Primäre HDL-Erniedrigung: Genetisch bedingte Formen, wie die familiäre Hypoalphalipoproteinämie, bei der eine Mutation im APOA1-Gen vorliegt.
  • Sekundäre HDL-Erniedrigung: Tritt im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes, metabolischem Syndrom, chronischen Nierenerkrankungen oder durch bestimmte Lebensgewohnheiten wie Rauchen, Bewegungsmangel und eine fettreiche Ernährung auf.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Niedrige HDL-Spiegel treten bei beiden Geschlechtern auf, allerdings haben Frauen vor der Menopause tendenziell höhere HDL-Spiegel aufgrund des protektiven Effekts der Östrogene. Nach der Menopause sinken die HDL-Spiegel bei Frauen, was das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht.

Häufigkeitsgipfel: Eine HDL-Erniedrigung tritt vermehrt bei älteren Menschen auf, insbesondere nach der Menopause bei Frauen und bei Männern ab dem 50. Lebensjahr.

Prävalenz
(Krankheitshäufigkeit): In Deutschland liegt die Prävalenz für niedrige HDL-Werte bei etwa 20-25 % der Bevölkerung. Bei Patienten mit metabolischem Syndrom oder Typ-2-Diabetes sind bis zu 50 % betroffen.

Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): Die Inzidenz von niedrigen HDL-Werten korreliert stark mit der Inzidenz von Adipositas, Typ-2-Diabetes und metabolischem Syndrom.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Eine HDL-Erniedrigung allein ist nicht zwangsläufig ein Marker für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sondern sollte im Kontext anderer Risikofaktoren wie LDL-Cholesterin und Triglyceride bewertet werden. Bei vielen Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK; Herzkranzgefäßerkrankung) sind die HDL-Werte normal oder sogar erhöht, was die Bedeutung eines integrierten Lipidmanagements unterstreicht.

Prognose

Die Prognose bei erniedrigtem HDL-Cholesterin hängt stark von den begleitenden Risikofaktoren und der Gesamtlipidbilanz ab. Ein ungünstiger HDL-Wert kann das Risiko für Myokardinfarkte (Herzinfarkt) und Schlaganfälle erhöhen, insbesondere wenn gleichzeitig hohe LDL-Werte oder Triglyceride vorliegen.

  • Lebensstilmodifikation: Durch eine ausgewogene Ernährung, körperliche Aktivität und Gewichtsreduktion können HDL-Werte um bis zu 15 % erhöht werden, was das kardiovaskuläre Risiko signifikant senken kann.
  • Medikamentöse Therapie: Wenn Lebensstiländerungen nicht ausreichen, können Lipid-senkende Medikamente wie Statine, Fibrate oder Niacin eingesetzt werden, insbesondere wenn zusätzlich erhöhte LDL-Cholesterinwerte vorliegen.
  • Beachte: In einer prospektiven Kohortenstudie aus der dänischen Bevölkerung betrug der Nadir für HDL-Cholesterinwerte für Männer 1,9 mmol/l (73 mg/dl) und für Frauen 2,4 mmol/l (93 mg/dl) [2]. Unterhalb und oberhalb dieser Grenzwerte steigt das Risiko für Morbidität (Krankheitshäufigkeit) oder Mortalität (Anzahl der Todesfälle in einem bestimmten Zeitraum, bezogen auf die Anzahl der betreffenden Population), d. h. wenn die Konzentration von HDL‑C abnimmt bzw. steigt.
  • HDL-Werte und Risiko: HDL-Werte von über 1,5 mmol/l (60 mg/dl) hatten in einer Studie ein um fast 50 Prozent erhöhtes Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Krankheit zu versterben oder einen Myokardinfarkt (Herzinfarkt) zu erleiden (US-amerikanische Studie) [3].
  • Optimale HDL-Werte: Die geringste Mortalität (Sterberate) zeigt sich bei HDL-Serumwerten von 50-70 mg/dl, darunter oder darüber steigt sie an: kardiovaskuläre Todesursachen wurden gehäuft bei niedrigen HDL-Werten, Alkohol-assoziierte bei hohen HDL-Werten beobachtet [4].

Literatur

  1. Voight BF et al.: Plasma HDL cholesterol and risk of myocardial infarction: a mendelian randomisation study. Lancet, Early Online Publication, 17 May 2012 doi:10.1016/S0140-6736(12)60312-2
  2. Madsen CM, Varbo A, Nordestgaard BG: Extreme high high-density lipoprotein cholesterol is paradoxically associated with high mortality in men and women: two prospective cohort studies. Eur Heart J 2017;38:2478-2486
  3. Allard-Ratick M et al.: Elevated HDL-C is associated with adverse cardiovascular outcomes. European Heart Journal, Volume 39, Issue suppl_1, August 2018, ehy564.50, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehy564.50
  4. Mørland JM et al.: Associations between serum high-density lipoprotein cholesterol levels and cause-specific mortality in a general population of 345 000 men and women aged 20-79 years. International Journal of Epidemiology, dyad011, 13 February 2023 https://doi.org/10.1093/ije/dyad011

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Hyperlipidämien im Kindes- und Jugendalter, Diagnostik und Therapie. (AWMF-Registernummer: 027 - 068), Monatsschrift Kinderheilkunde; Ausgabe 9/2016