Hirnblutung (Intrazerebrale Blutung) – Operative Therapie

Aufgrund aktueller Studienergebnisse wird eine Operation nicht mehr generell empfohlen (Ausnahme: Kleinhirnblutung) [5].

Ob ein operativer Eingriff sinnvoll und Erfolg versprechend ist, hängt von mehreren Faktoren ab:

  • Alter des Patienten
  • Ausmaß/Größe der Blutung (Blutungsvolumen)
  • Begleiterkrankungen
  • Blutungsursache
  • Klinischer Zustand des Patienten
  • Lokalisation der Blutung
  • Einbruch der Blutung in das Ventrikelsystem (Hohlraumsystem im Gehirn; intraventrikuläre Blutung (IVB, Blutung in die Gehirnhohlräume))

Indikationen für eine Hämatomevakuation (Hämatomausräumung, Entfernung eines Blutergusses)

Akute spontane intrazerebrale Blutung ([S2k-Leitlinie])

  • Bei oberflächlich gelegener lobärer Blutung ohne Ventrikeleinbruch und einem Glasgow Coma Score (GCS, Skala zur Bewertung der Bewusstseinslage) von 10 bis 13 bei klinischer Verschlechterung kann eine Hämatomausräumung in Erwägung gezogen werden.
  • Blutungsvolumen über 15 ml und/oder klinische Verschlechterung.
  • Blutungsvolumen von mindestens 30 ml.
  • Große Blutung und jüngerer Patient [2].
  • Ausgeprägte Symptomatik.
  • Sekundäre klinische Verschlechterung.
  • Intraventrikuläre Blutung (IVB, Blutung in die Gehirnhohlräume) [6].
  • Zerebelläre (Kleinhirn-) intrazerebrale Blutung mit einem Durchmesser > 3 (bis 4) cm oder einem Hämatomvolumen > 7 ml [5].

In Abhängigkeit von der Lokalisation der intrazerebralen Blutung und nach Prüfung der zuvor beschriebenen Kriterien, können folgende Vorgehensweisen in Erwägung gezogen werden:

Operationsverfahren

Supratentorielle Lokalisation im Bereich des Großhirns (Thalamus- und Hirnstammblutungen)

  • Hämatomevakuation (Hämatomausräumung, Entfernung eines Blutergusses) via Kraniotomie (Trepanation = Öffnung des Schädels)
    • Indikationen: Die Bewusstseinslage des Patienten verschlechtert sich rasch, und die Blutung ist oberflächlich.
    • Nachteil: Die Kraniotomie stellt einen Eingriff mit hoher Invasivität (Eingriffstiefe) dar. Daher befinden sich minimal-invasive Verfahren in klinischer Erprobung.
    • Ergänzende Maßnahmen: In einigen Fällen wird die Hämatomausräumung durch das zusätzliche Einbringen von rekombinantem gewebespezifischem Plasminogenaktivator (rtPA, Enzym zur Auflösung von Blutgerinnseln) unterstützt. Diese sogenannte "intraventrikuläre Lysetherapie" beschleunigt die Blutresorption (Auflösung des Blutes) und normalisiert die Zirkulation des Liquor cerebrospinalis (Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit), wodurch die Mortalität (Sterblichkeit) gesenkt werden kann [3].

Infratentorielle Lokalisation im Bereich des Kleinhirns

  • Hämatomevakuation (Hämatomausräumung, Entfernung eines Blutergusses)
    • Indikationen: Zerebelläre intrazerebrale Blutung mit einem Durchmesser > 3 (bis 4) cm oder einem Hämatomvolumen > 7 ml und Hirnstammkompression (Druck auf den Hirnstamm) [5]. Zudem spricht eine rasche Verschlechterung des klinischen Zustands des Patienten für eine OP.
  • Hirnstammblutungen werden nicht operiert [2]!

Weitere Hinweise

  • SWITCH-Studie: Es gibt Hinweise auf eine wirksame Therapie durch Kraniektomie (operative Schädelentlastung) zur Druckentlastung beim tiefen hämorrhagischen Schlaganfall (Blutungsschlaganfall). Ein halbes Jahr nach dem Eingriff wurden 44 % der Patienten nach Kombinationstherapie den schlechtesten Stufen (5-6) zugeordnet, ohne neurochirurgischen Eingriff waren es 58 % [7].

Behandlung des Verschlusshydrozephalus (gestörter Abfluss von Hirnwasser)

  • Anlage einer externen Ventrikeldrainage (EVD, Ableitung von Hirnwasser) – Ermöglicht die Ableitung des Liquors aus dem Ventrikelsystem (Hohlraumsystem) des Gehirns.

    • Indikationen: Bei akuter spontaner, supratentorieller Blutung mit intraventrikulärer Ausdehnung (Ausbreitung in die Gehirnhohlräume), Verlegung des 3. und/oder 4. Ventrikels und klinischen oder radiologischen Zeichen eines Hydrozephalus (krankhafte Erweiterung der Liquorräume im Gehirn) [S2k-Leitlinie].

    • Zusätzliche Maßnahmen: "Bei akuter spontaner, supratentorieller Blutung mit intraventrikulärer Ausdehnung (Ausbreitung in die Gehirnhohlräume), Verlegung des 3. und/oder 4. Ventrikels und klinischen oder radiologischen Zeichen eines Hydrozephalus (krankhafte Erweiterung der Liquorräume im Gehirn) sollte die Anlage einer externen Ventrikeldrainage (EVD, Ableitung von Hirnwasser) und eine intrathekale Thrombolyse mit Alteplase (Fibrinolytikum zur Auflösung von Blutgerinnseln) in Betracht gezogen werden" [S2k-Leitlinie].

Literatur

  1. Mendelow AD, Gregson BA, Rowan EN et al.: Early surgery versus initial conservative treatment in patients with spontaneous supratentorial lobar intracerebral haematomas (STICH II): a randomised trial. 2013; Lancet 382:397-408
  2. Huttner HB, Kuramatsu JB: Aktuelle Therapieziele bei intrazerebralen Blutungen. Medizinische Klinik – Intensivmedizin und Notfallmedizin, November 2017, Volume 112, Issue 8, S. 695-702
  3. Hanley DF, Thompson RE, Muschelli J et al.: Safety and efficacy of minimally invasive surgery plus alteplase in intracerebral haemorrhage evacuation (MISTIE): a randomised, controlled, open-label, phase 2 trial. 2016; Lancet Neurol 15:1228-1237
  4. Steiner T, Al-Shahi Salman R, Beer R et al (2014): European Stroke Organisation (ESO) guidelines for the management of spontaneous intracerebral hemorrhage. Int J Stroke 9: 840-855
  5. S2k-Leitlinie: Behandlung von spontanen intrazerebralen Blutungen. (AWMF-Registernummer: 030-002), Juni 2021 Langfassung
  6. Kleffmann J, Roth C, Siekmann R, Deinsberger W: Intrazerebrale Blutungen. Spezielle Notfallmedizin update 2015; 10 (1): 45-60. Georg Thieme Verlag KG Stuttgart – New York
  7. Beck J et al.: Decompressive craniectomy plus best medical treatment versus best medical treatment alone for spontaneous severe deep supratentorial intracerebral haemorrhage: a randomised controlled clinical trial. The Lancet. 2024; doi: 10.1016/S0140-6736(24)00702-5

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Behandlung von spontanen intrazerebralen Blutungen. (AWMF-Registernummer: 030-002), Juni 2021 Langfassung