Herzmuskelerkrankungen (Kardiomyopathien) – Medikamentöse Therapie
Therapieziele
- Verbesserung der Lebensqualität bzw. -erwartung
- Vermeidung von Komplikationen (z. B. maligne arrhythmogene Ereignisse/lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen))
Therapieempfehlungen
Dilatative Kardiomyopathie (DCM)
Es handelt sich dabei um eine krankhafte Erweiterung (Dilatation) des Herzmuskels, besonders des linken Ventrikels (Herzkammer). Zur Therapie:
- Kausale (ursachenbezogene) Therapie:
- Bei einer durch Viren verursachten Kardiomyopathie kann mit Interferon (Medikament zur Immunstimulation) behandelt werden (s. u. Myokarditis).
- Bei Autoimmungenese mit nachgewiesenen Auto-Ak gegen den beta1-adrenergen Rezeptor im Myokard (Herzmuskel):
- Immunadsorption (Entfernung der Auto-Ak) oder
- Neutralisierung der Auto-Ak durch Aptamere (Bindungsmoleküle)
- Ggf. immunsuppressive Therapie
- Bei peripartaler ("um die Geburt herum") Kardiomyopathie: Bromocriptin (bislang nur in Studien) [1]
- Bei Vorliegen einer Herzinsuffizienz (Herzschwäche): Leitliniengerechte Therapie (s. u. Herzinsuffizienz*)
- Zur Thromboembolieprophylaxe (Vorbeugemaßnahmen zur Verhütung einer Thrombose/Gefäßerkrankung, bei der sich ein Blutgerinnsel (Thrombus) in einem Gefäß bildet): Antikoagulantien (Medikamente, die die Blutgerinnung hemmen) bei Vorhofflimmern (VHF) oder bei Nachweis von intrakavitären (in einem Hohlraum gelegenen) Thromben (Blutgerinnsel)
*Beachte: Ein gutes Ansprechen auf die Therapie spricht im Regelfall nur für eine "Remission"; nach Absetzen der Therapie kam es in einer Studie in 44 % der Fälle (11 von 25 Patienten) innerhalb 6 Monaten zu einem Rückfall [4]:
- Abnahme der LVEF um > 10 % und unter 50 %
- LVEDV-Zunahme um > 10 % und über den Normalwert
- NT-proBNP-Anstieg um das Zweifache und auf > 400 ng/l
- Klinische Zeichen einer Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
In der Kontrollgruppe, die weiter behandelt wurde, war bei keinem einzigen Patienten anhand der vier Kriterien eine Verschlechterung feststellbar. Danach wurde auch sukzessive die Pharmakotherapie der Patienten in der Kontrollgruppe abgesetzt, mit der Folge, dass in den folgenden 6 Monaten bei 36 % dieser Patienten ebenfalls eine Verschlechterung eintrat. In der Gesamtheit haben damit von 50 Patienten am Ende 20 Patienten (40 %) eine objektivierbare Verschlechterung.
Hypertrophische (vergrößerte) Kardiomyopathie (HCM)
- Medikamentöse Herzinsuffizienztherapie (Therapie der Herzschwäche):
- Betablocker – Cave: Calciumantagonisten und Betablocker dürfen wegen der Gefahr eines AV-Blocks (Atrioventrikulärer Block; durch Überleitungsstörungen vom Herzvorhof zur Herzkammer entstehende Störungen) nicht zusammen verabreicht werden
- Bei Betablocker-Unverträglichkeit: Calciumantagonisten vom Non-Dihydropyridin-Typ (z. B. Verapamil, Diltiazem)
- Bei Vorhofflimmern (s. u. VHF): Antikoagulantien
- Hypertrophische obstruktive Kardiomyopathie (HOCM)
- Metoprolol kann die LVOT (linksventrikulärer Ausflusstrakt; engl. Left ventricular outflow tract) in Ruhe und unter Belastung bessern [6].
- Mavacamten (Myosin-Modulator): Die Wirksamkeit wurde in einer Phase III-Studie EXPLORER-HCM bewiesen („Breakthrough-Therapy“): Mavacamten reduzierte die Hyperkontraktilität mit der Folge, dass sich [5]:
- 65,0 % der Patienten um mindestens eine NYHA-Klasse im Vergleich zu 31,3 % mit Placebo (p ˂ 0,0001) verbesserten
- Lebensqualität und Belastbarkeit nahmen beträchtlich zu.
- Obstruktion (Behinderung) des linksventrikulären Ausflusstraktes (LVOT) ging deutlich zurück.
- bei knapp einem Drittel kam es zur kompletten Remission, d. h. es waren weder klinische, radiologische noch sonstige Zeichen der Krankheit nachweisbar.
Zulassung: Mavacamten hat inzwischen in der Europäischen Union die Zulassung zur Behandlung einer hypertrophen obstruktiven Kardiomyopathie (HOCM) erteilt bekommen (2023). - Folgende Medikamente sind kontraindiziert (Gegenanzeigen):
- inotrope Substanzen (steigern die Kontraktionskraft des Herzens) wie Digitalis und Sympathomimetika
- starke Nachlastsenker (zur Entlastung des Herzens) wie ACE-Hemmer
- Nitrate (führen zu einer Verstärkung der systolischen Stenose (Verengung))
Restriktive (eingeschränkte) Kardiomyopathie (RCM)
- Frühzeitige Therapie der Herzinsuffizienz (siehe dort wg. Therapie) mit Diuretika (entwässernde Mittel); Cave: kein Digitalis!
- Thromboembolieprophylaxe
Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie (ARVCM)
- Symptomatische Therapie:
- Behandlung der Arrhythmien (Herzrhythmusstörungen) bzw. -prophylaxe
- Betablocker
Isolierte (ventrikuläre) Non-Compaction-Kardiomyopathie (NCCM)
- Therapie der Herzinsuffizienz (siehe dort wg. Therapie)
- Prophylaxe von Thromboembolien: Antikoagulantien
Schwangerschafts-Kardiomyopathie/peripartale Kardiomyopathie
- Standardtherapie wie bei Herzinsuffizienz
- 5 mg Bromocriptin für 2 Wochen, danach 2,5 mg für 6 Wochen: nach der Therapie hatten 7% aller Teilnehmerinnen nach sechs Monaten noch eine schwere Einschränkung der linksventrikulären Funktion (< 35 %) und nur noch 3 % litten in der Folge an einer Herzinsuffizienz [2]
TTR-assoziierte systemische Amyloidose (ATTR)
- In einer Phase-III-Studie (ATTR-ACT) konnte nachgewiesen werden, dass Tafamidis das Mortalitätsrisiko der Patienten um 30 % signifikant gesenkt werden konnte [3].
- 2020: Die EU-Kommission hat Tafamidis 61 mg zur Therapie bei Transthyretin-Amyloidose mit Kardiomyopathie (ATTR-CM) zugelassen. Das Arzneimittel ist für die Behandlung der ATTR-CM bei Erwachsenen sowohl mit der Wildtyp- als auch mit der hereditären Form indiziert.
Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel; Vitalstoffe)
Geeignete Nahrungsergänzungsmittel für die Gesundheit von Herz und Gefäßen sollten die folgenden Vitalstoffe enthalten:
- Vitamine (A, C, E, D3, B1, B2, Niacin (Vitamin B3), Pantothensäure (Vitamin B5), B6, B12, Folsäure, Biotin)
- Mineralstoffe (Magnesium)
- Spurenelemente (Chrom, Molybdän, Selen, Zink)
- Fettsäuren (Omega-3-Fettsäuren: Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA); Omega-6-Fettsäure: Gamma-Linolensäure (GLA))
- Sekundäre Pflanzenstoffe (Beta-Carotin, Traubenkern- und Olivenpolyphenole)
- Weitere Vitalstoffe (Coenzym Q10 (CoQ10))
Beachte: Die aufgeführten Vitalstoffe sind kein Ersatz für eine medikamentöse Therapie. Nahrungsergänzungsmittel sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung in der jeweiligen Lebenssituation zu ergänzen.
Für Fragen zum Thema Nahrungsergänzungsmittel stehen wir Ihnen gerne kostenfrei zur Verfügung.
Nehmen Sie bei Fragen dazu bitte per E-Mail – info@docmedicus.de – Kontakt mit uns auf, und teilen Sie uns dabei Ihre Telefonnummer mit und wann wir Sie am besten erreichen können.
Literatur
- Desplantie O et al.: The Medical Treatment of New Onset Peripartum Cardiomyopathy; a Systematic Review of prospective studies. doi: http://dx.doi.org/10.1016/j.cjca.2015.04.029
- Hilfiker-Kleiner D, Haghikia A, Berliner D et al.: Bromocriptine for the treatment of peripartum cardiomyopathy: a multicentre randomized study; European Heart Journal 2017; 0,1-9; doi:10.1093/eurheartj/ehx355
- C Rapezzi. ATTR-ACT Trial – Efficacy and Safety of Tafamidis in Transthyretin Amyloid Cardiomyopathy, Late Breaking Hotline Session 3, 27.08.2018 beim ESC-Kongress in München
- Halliday BP et al.: Withdrawal of pharmacological treatment for heart failure in patients with recovered dilated cardiomyopathy (TRED-HF): an open-label, pilot, randomised trial. Lancet. 2018; online 11. November. doi:https://doi.org/10.1016/S0140-6736(18)32484-X
- Olivotto I: EXPLORER-HCM: Efficacy and Safety of Mavacamten in Adults with Symptomatic Obstructive Hypertrophic Cardiomyopathy; vorgestellt bei der HOTLINE I-Session am 29.08.2020 beim ESC Congress 2020 - The Digital Experience,
- Dybro AM et al.: Randomized Trial of Metoprolol in Patients With Obstructive Hypertrophic Cardiomyopathy J Am Coll Cardiol. 2021;(25):2505-2517
- Rader F: Updated Cumulative Results of Treatment With Mavacamten From the EXPLORER-LTE Cohort of the MAVA-LTE Study in Patients With Obstructive Hypertrophic Cardiomyopathy. Late-Breaking Clinical Trials III, American College of Cardiology 2022 Scientific Session, 3. April in Washington
Leitlinien
- Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Kardiologie-Leitlinie: Primäre Kardiomyopathien. Juni 2012 DGPK
- 2023 ESC Guidelines for the management of cardiomyopathies: Developed by the task force on the management of cardiomyopathies of the European Society of Cardiology (ESC) European Heart Journal, ehad194, Published: 25 August 2023 https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehad194