Herzmuskelerkrankungen (Kardiomyopathien) – Einleitung

Kardiomyopathien sind Erkrankungen des Myokards (Herzmuskel), die mit mechanischen und/oder elektrischen Funktionsstörungen des Herzens einhergehen. Diese Erkrankungen führen häufig zu einer Verdickung des Myokards, einer Vergrößerung des Herzens oder einer Dilatation (Ausweitung) eines oder beider Ventrikel (Herzkammern).

Synonyme und ICD-10: Myokardiopathie; Herzmuskelerkrankungen; CM; ICD-10-GM I42.-: Kardiomyopathie

Formen der Kardiomyopathie

Kardiomyopathien werden nach morphologischen (die Gestalt betreffenden) und klinischen Charakteristika unterschieden. Es werden fünf Hauptformen gemäß der WHO-Klassifikation unterschieden:

  • Dilatative Kardiomyopathie (DCM)
    • ICD-10-GM I42.0: Dilatative Kardiomyopathie
    • Systolische Pumpstörung mit Kardiomegalie (Vergrößerung des Herzmuskels) und eingeschränkter Ejektionsfraktion (EF; Auswurffraktion).
  • Hypertrophische Kardiomyopathie (HCM)
    • ICD-10-GM I42.2: Sonstige hypertrophische Kardiomyopathie
    • Verdickung der Herzmuskulatur, vor allem der linken Ventrikelwand.
    • Unterteilung in:
      • Hypertrophische nicht-obstruktive Kardiomyopathie (HNCM) - ICD-10-GM I42.2.
      • Hypertrophische obstruktive Kardiomyopathie (HOCM) - ICD-10-GM I42.1: Verdickung des linken Ventrikels, insbesondere des Kammerseptums (Kammertrennwand).
  • Restriktive Kardiomyopathie (RCM)
    • ICD-10-GM I42.5: Sonstige restriktive Kardiomyopathie
    • Versteifung der Ventrikelwände durch Vernarbung des Muskelgewebes oder Ablagerung von Amyloiden (Proteine/Eiweiß).
  • Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie (ARVC)
    • ICD-10-GM I42.80: Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie
    • Einlagerung von Binde- und Fettgewebe im Muskelgewebe des rechten Ventrikels.
  • Nicht-klassifizierbare Kardiomyopathie (NKCM)
    • Isolierte (ventrikuläre) Non-Compaction-Kardiomyopathie (NCCM) und andere seltene Formen.

Weiteres dazu, siehe unter "Klassifikation".

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis

  • Dilatative Kardiomyopathie (DCM): Männer sind doppelt so häufig betroffen wie Frauen.
  • Hypertrophische Kardiomyopathie (HCM): Männer sind geringfügig häufiger betroffen als Frauen.
  • Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie (ARVC): Männer sind ebenfalls doppelt so häufig betroffen wie Frauen.

Häufigkeitsgipfel

  • Kardiomyopathien treten meist zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr auf.
  • ARVC tritt vorwiegend um das 30. Lebensjahr auf.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit)

  • DCM: 40 Fälle pro 100.000 Einwohner in Deutschland [2].
  • HCM: 200 Fälle pro 100.000 Einwohner in Deutschland, die häufigste hereditäre Herzerkrankung [2].
  • ARVC: 1 Fall pro 1.000 bis 2.000 Einwohner in Deutschland [2].

Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen)

  • DCM: Ca. 6 Fälle pro 100.000 Einwohner pro Jahr in Deutschland [2].
  • HCM: Ca. 19 Fälle pro 100.000 Einwohner pro Jahr in Deutschland [2].
  • Primäre Kardiomyopathien bei Kindern: 1,13 Fälle pro 100.000 Kinder und Jugendliche pro Jahr in Nordamerika [2].

Saisonale Häufung der Erkrankung

  • Keine spezifische saisonale Häufung bekannt.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Kardiomyopathien führen oft zu einer Herzinsuffizienz (Herzschwäche) oder zum plötzlichen Herztod.
  • Dilatative Kardiomyopathie (DCM): Der Verlauf ist oft durch eine progressive Verschlechterung der Herzfunktion gekennzeichnet. Die Prognose ist abhängig vom Grad der Herzinsuffizienz (NYHA-Klasse: ≥ III = schlecht), der Ejektionsfraktion (Auswurffraktion < 20 % = schlecht), der diastolischen Füllungscharakteristik des linken Ventrikels (restriktiv = schlecht) und dem Nachweis einer Myokardfibrose (MRT).
  • Hypertrophische Kardiomyopathie (HCM): Diese Form verläuft oft lange Zeit symptomlos, insbesondere bei der nicht-obstruktiven Form, die häufig zufällig entdeckt wird. Frauen mit hypertrophischer Kardiomyopathie haben eine schlechtere Prognose als Männer mit dieser Herzerkrankung [1].
  • Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie (ARVC): Diese Form kann relativ symptomarm verlaufen, jedoch sind Arrhythmien (Herzrhythmusstörungen) häufig. Diese Kardiomyopathie ist neben der hypertrophischen Kardiomyopathie eine häufige Ursache des plötzlichen Herztods bei Sportlern.

Prognose

  • Dilatative Kardiomyopathie (DCM): Die Mortalität beträgt bis zu 10 % pro Jahr, die 10-Jahres-Überlebensrate liegt bei circa 10-20 %.
  • Hypertrophische Kardiomyopathie (HCM): Die Mortalität (Sterberate) beträgt bei Erwachsenen ca. 1-5 % pro Jahr und bei Kindern und Jugendlichen bis zu 6 % pro Jahr. In den meisten Fällen sind ventrikuläre Arrhythmien (in den Herzkammern entstehende Herzrhythmusstörungen) die Todesursache. Der plötzliche Herztod trifft in diesem Zusammenhang häufig junge, männliche Patienten.
  • Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie (ARVC): Ohne Therapie liegt die 10-Jahres-Letalität bei ca. 30 %.
  • Familienanamnese: Der Anteil der Patienten mit weiteren an Kardiomyopathie erkrankten Familienmitgliedern ist sehr hoch. Der Anteil betrug bei der HCM 48,5 %, bei der DCM 25,2 %, bei der ARVC 40,6 % und bei der RCM 30 % [2].

Literatur

  1. Geske JB et al.: Women with hypertrophic cardiomyopathy have worse survival. Eur Heart J 2017; online 8. September. doi: https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehx527
  2. Charron P et al.: The Cardiomyopathy Registry of the EURObservational Research Programme of the European Society of Cardiology: baseline data and contemporary management of adult patients with cardiomyopathies. European Heart Journal, ehx819, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehx819 Published: 24 January 2018

Leitlinien

  1. Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Kardiologie-Leitlinie: Primäre Kardiomyopathien. Juni 2012 DGPK
  2. 2023 ESC Guidelines for the management of cardiomyopathies: Developed by the task force on the management of cardiomyopathies of the European Society of Cardiology (ESC) European Heart Journal, ehad194, Published: 25 August 2023 https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehad194