Herzmuskelentzündung (Myokarditis) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Myokarditis ist eine entzündliche Erkrankung des Herzmuskels (Myokard), die durch verschiedene Mechanismen verursacht werden kann, am häufigsten jedoch durch virale Infektionen. Es gibt drei Hauptphasen der Myokarditis: die akute Phase, die subakute Phase und die chronische Phase. Jede Phase ist durch unterschiedliche pathologische Prozesse gekennzeichnet, die die Funktionsfähigkeit des Herzens beeinträchtigen können.

Akute Phase: Virale Invasion und Zellschädigung

In der akuten Phase dringen Viren, insbesondere Coxsackie-Virus B, Parvovirus B19, Humanes Herpesvirus 6 (HHV-6) und SARS-CoV-2, in die Myozyten (Herzmuskelzellen) ein. Das Virus vermehrt sich innerhalb der Zellen und führt zur Zerstörung der Myozyten. Die Schädigung der Zellen aktiviert das angeborene Immunsystem, was zur Freisetzung von Zytokinen (Entzündungsmediatoren) führt. Diese Reaktion verursacht eine Entzündung und die Bildung eines Ödems (Ansammlung von Flüssigkeit im Gewebe). Gleichzeitig können Nekrosen (Zelltod) einzelner oder ganzer Gruppen von Myozyten auftreten.

Zusätzlich kommt es zu einer Gefügedilatation (Aufweitung des Herzgewebes), die eine Herzfunktionsstörung verstärken kann.

Subakute Phase: Immunantwort und Autoimmunreaktionen

In der subakuten Phase wird das adaptative Immunsystem (zielgerichtete Abwehrreaktion) aktiviert. T-Lymphozyten und Makrophagen (Fresszellen) infiltrieren das Herzgewebe, um das Virus zu bekämpfen, was jedoch zu einer verstärkten Entzündungsreaktion und zusätzlichen Myozytenschäden führt. In dieser Phase treten häufig Autoimmunreaktionen auf, bei denen das Immunsystem die körpereigenen Herzmuskelzellen angreift, wodurch die Entzündung weiter voranschreitet.

Die Autoantikörperbildung (Bildung von Abwehrstoffen gegen den eigenen Körper) kann die Myozyten (Herzmuskelzellen) weiter schädigen und eine längere Entzündungsreaktion auslösen. Dies führt häufig zu einer persistierenden Myokarditis, die sich zu einer dilatativen Kardiomyopathie (krankhafte Ausweitung des Herzmuskels) entwickeln kann.

Chronische Phase: Dilatative Kardiomyopathie und Herzinsuffizienz

Wenn die Entzündung andauert und nicht vollständig abgeheilt ist, kann dies zu einer dilatativen Kardiomyopathie führen. Die geschädigten Myozyten werden durch Narbengewebe ersetzt, und das Myokard verliert seine Fähigkeit, sich ordnungsgemäß zu kontrahieren. Die Herzmuskelfunktion wird zunehmend eingeschränkt, was schließlich zu einer links- oder rechtsventrikulären Funktionsstörung (Funktionsstörung der linken und/oder rechten Herzkammer) führt, also zu einer eingeschränkten Pumpleistung des Herzens. Diese chronische Schädigung des Herzmuskels kann zu einer fortschreitenden Herzinsuffizienz (Herzschwäche) führen.

Zusammenfassung 

Die Myokarditis ist eine entzündliche Erkrankung des Herzmuskels, die in der Regel durch virale Infektionen oder Autoimmunreaktionen ausgelöst wird. Die Entzündung führt zu einer Schädigung der Myozyten, was langfristig zur Entwicklung einer dilatativen Kardiomyopathie und einer Herzinsuffizienz führen kann. Die chronische Form der Erkrankung ist häufig autoimmun bedingt und wird durch eine persistierende Immunantwort ausgelöst.

Ätiologie (Ursachen)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol
  • Drogenkonsum
    • Kokain

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Virale Infektionen, vor allem mit dem Parvovirus B19, Enteroviren (Coxsackie A/B, Echo) oder Adenoviren, spielen in Deutschland die größte Rolle: des Weiteren: Arboviren, Cytomegalievirus, Erythroviren, Epstein-Barr-Virus, Herpesviren (Epstein-Barr-Virus, humanes Herpesvirus 6 sowie humanes Zytomegalievirus), Influenza A/B, HIV, Hepatitisvirus C (HVC), humanes Immundefizienzvirus (HIV), Poliovirus, Varizellen-Zoster
  • Bakterielle Infektionen, vor allem bei septischen Erkrankungen – Borrelia burgdorferi, Chlamydien, Corynebacterium diphtheriae, Legionellen, Mycobacterium tuberculosis, Mykoplasmen, Rickettsien, Salmonellen (Salmonella enterica), Staphylococcus aureus, β-hämolysierende Streptokokken
  • Weitere Erreger wie:
    • Parasiten (Larva migrans, Schistosomiasis, Trypanosoma (Trypanosoma cruzi))
    • Pilze (Aspergillus, Candida, Crytokokkus, Histoplasmodien)
    • Protozoen (Toxoplasma gondii, Trichinen, Echinokokken)
  • (Auto-)Immunaktivierung
    • entzündliche Darmerkrankungen
    • Grippeimpfung
    • postinfektiös
    • Kollagenosen Reihe autoimmunologisch bedingter Erkrankungen wie:
      • systemische Lupus erythematodes (SLE) – Autoimmunerkrankung, bei der es zu Bildung Autoantikörpern kommt
      • Sklerodermie – Erkrankungen, die mit einer Bindegewebsverhärtung der Haut allein oder der Haut und innerer Organe (besonders Verdauungstrakt, Lungen, Herz und Nieren) einhergehen
      • Sjögren-Syndrom (Gruppe der Sicca-Syndrome) – Autoimmunerkrankung aus der Gruppe der Kollagenosen, die zu einer chronisch entzündlichen Erkrankung der exokrinen Drüsen, am häufigsten der Speichel- und Tränendrüsen, führt; typische Folgeerkrankungen bzw. Komplikationen des Sicca-Syndroms sind:
        • Keratokonjunktivitis sicca (Syndrom des trockenen Auges) aufgrund fehlender Benetzung von Horn- und Bindehaut mit Tränenflüssigkeit
        • erhöhte Kariesanfälligkeit durch Xerostomie (Mundtrockenheit) aufgrund verminderter Speichelsekretion
        • Rhinitis sicca (trockene Nasenschleimhäute), Heiserkeit und chronischer Hustenreiz sowie eine gestörte Sexualfunktion durch Störung der Schleimdrüsenproduktion des Respirationstraktes und der Genitalorgane
    • Rheumatoide Arthritis
    • Sarkoidose (Synonyme: Morbus Boeck oder Morbus Schaumann-Besnier) – systemische Erkrankung des Bindegewebes mit Granulombildung
    • Vaskulitiden Erkrankungen, bei denen es durch autoimmunologische Prozesse zu Entzündungen von Arterien, Arteriolen, Kapillaren, Venolen und Venen kommt, wodurch das versorgte Organ ebenfalls geschädigt wird wie z. B.:
      • Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA; ehemals Churg-Strauss-Syndrom (CCS)) granulomatöse (etwa: "körnchenbildende") Entzündung der kleinen bis mittelgroßen Blutgefäße, bei der das betroffene Gewebe von eosinophilen Granulozyten (Entzündungszellen) infiltriert ("durchwandert") wird
      • Takayasu-Arteriitis (granulomatöse Vaskulitis des Aortenbogens und der abgehenden großen Gefäße; fast ausschließlich bei jungen Frauen)
    • Intoxikationen (Vergiftungen): braune Einsiedlerspinne (Loxosceles reclusa) → systemisches Syndrom durch Spinnengift (Toxin Sphingomyelinase D); Krankheit wird bezeichnet als Loxoscelismus

Medikamente*

  • Anthracycline** (z. B. Doxorubicin)
  • Antibiotika
    • Cephalosporine
    • Tetracycline
  • Antirheumatika (Rheumamedikamente)*
  • Cephalosporine*
  • Checkpoint-Inhibitoren (Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): 2 %; immunassoziierte Myokarditis) – kombinierte Therapie mit Ipilimumab and Nivolumab kann zu einer fulminanten Myokarditis führen [1]
  • Chemotherapeutika**
  • Clozapine* (Neuroleptikum) – sog. Hypersensitivitätsmyokarditis
  • Impfstoffe (Durchschnittsalter 36 Jahre; 80 % der Fälle nach der zweiten Impfung)
    • Comirnaty® (COVID-19 mRNA Impfstoff [Nukleosid- modifiziert])
    • Spikevax® (COVID-19 mRNA Impfstoff [Nukleosid- modifiziert])
  • Katecholamine**
  • Mesalazin – Beschwerden wie Brustschmerz oder Herzinsuffizienz-Anzeichen 2-4 Wochen nach Beginn; Biopsie (Gewebeprobe) zeigt eine Eosinophilen-Infiltration
  • Penicillin*
  • Trizyklische Antidepressiva*
  • Sulfonamide*
  • Zytokine**

*Allergisch/hypersensitiv
**Toxine

Röntgenstrahlen

  • Nach Radiatio (Strahlentherapie) bei malignen Tumoren

Umweltbelastungen – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Arsen
  • Blei
  • Kupfer
  • Lithium
  • Zink

Literatur

  1. Johnson DB et al.: Fulminant Myocarditis with Combination Immune Checkpoint Blockade. N Engl J Med 2016; 375:1749-1755 November 3, 2016 doi: 10.1056/NEJMoa1609214