Herzinfarkt (Myokardinfarkt) – Operative Therapie

Ein Myokardinfarkt (Herzinfarkt) ist eine akute, lebensbedrohliche Durchblutungsstörung des Herzmuskels aufgrund einer Verschluss- oder hochgradigen Verengung einer Koronararterie (Herzkranzgefäß). Nach der intensivmedizinischen Stabilisierung ist eine schnelle Revaskularisation (Wiederherstellung der Durchblutung) essenziell.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Akuter ST-Hebungsinfarkt (STEMI) – Notfallversorgung mittels primärer perkutaner Koronarintervention (PCI) innerhalb von 90 Minuten nach Diagnosestellung
  • Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) mit Hochrisikokonstellation – frühzeitige koronare Angiographie  (radiologische Gefäßdarstellung mittels Kontrastmittel) mit PCI oder Bypass-Operation
  • Persistierende Ischämie (Mangeldurchblutung) trotz medikamentöser Therapie
  • Mehrgefäßerkrankung oder Hauptstammstenose der linken Koronararterie – Indikation zur koronaren Bypass-Operation
  • Kardiogener Schock nach Myokardinfarkt – Indikation zur intraaortalen Ballongegenpulsation (IABP) oder mechanischen Kreislaufunterstützung (ECMO, LVAD)

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Unkontrollierte Blutgerinnungsstörungen, die das OP-Risiko erhöhen
  • Schwere Multiorganinsuffizienz, bei der eine invasive Therapie keinen prognostischen Nutzen mehr bringt
  • Hochgradig eingeschränkte linksventrikuläre (linke Herzkammer betreffende) Funktion, bei der eine Revaskularisation das Herzversagen nicht verbessern würde
  • Fehlende OP-Fähigkeit aufgrund schwerer Begleiterkrankungen

Operationsverfahren

  • Perkutane koronare Intervention (PCI)
    • Synonyme: Perkutane transluminale koronare Angioplastie (PTCA)
    • Ziel: Erweiterung von verengten oder verschlossenen Koronararterien zur Revaskularisation
    • Ablauf:
      • Einführung eines Katheters über die A. femoralis oder A. radialis
      • Ballondilatation (Weitung mittels eines Ballons) der Engstelle
      • Implantation eines Stents, um die Arterie offenzuhalten
    • Erste Therapieoption beim akuten Myokardinfarkt [1]
  • Koronare Bypass-Operation (CABG, Coronary Artery Bypass Grafting)
    • Ziel: Umgehung (Bypass) der verengten oder verschlossenen Koronararterien
    • Transplantierte Gefäße:
      • Venen-Bypass aus der V. saphena magna (große Beinvene)
      • Arterieller Bypass mittels A. mammaria interna oder A. radialis
    • Indikationen:
      • Mehrgefäßerkrankung
      • Hauptstammstenose der linken Koronararterie (Herzkranzarterie)
      • Versagen der PCI oder komplexe Läsionen
  • Intraaortale Ballongegenpulsation (IABP)
    • Ziel: Verbesserung der Herzfunktion durch Reduktion der Nachlast und Steigerung des Herzzeitvolumens (HZV) um 10–20 %
    • Indikation:
      • Kardiogener Schock nach Myokardinfarkt
      • Schwere linksventrikuläre Dysfunktion
    • Funktionsweise:
      • Einführen eines Ballonkatheters in die Aorta descendens
      • Synchronisierte Inflation in der Diastole, um den koronaren Perfusionsdruck zu verbessern
  • Herzschrittmacherimplantation
    • Indikation:
      • Bradykarde Rhythmusstörungen (z. B. AV-Block, Sick-Sinus-Syndrom) nach Myokardinfarkt
      • Schwere ventrikuläre Arrhythmien bei struktureller Herzkrankheit
    • Typen:
      • Ein-Kammer-Schrittmacher (nur ventrikuläre Stimulation)
      • Zwei-Kammer-Schrittmacher (synchronisierte Vorhof- und Ventrikelstimulation)

Postoperative Nachsorge

  • Intensivmedizinische Überwachung in den ersten 24–48 Stunden
  • Echokardiographie zur Beurteilung der Pumpfunktion und Wandbewegungsstörungen
  • Thrombozytenaggregationshemmung (z. B. ASS + Clopidogrel) zur Verhinderung einer Stentthrombose
  • Frühzeitige kardiologische Rehabilitationsmaßnahmen
  • Lebensstilmodifikation:
    • Nikotinstopp
    • Gewichtsreduktion und Ernährungsumstellung
    • Regelmäßige körperliche Aktivität

Mögliche Komplikationen

  • Reinfarkt (erneuter Infarkt) durch erneuten Gefäßverschluss
  • Stentthrombose oder Bypass-Verschluss
  • Herzrhythmusstörungen (ventrikuläre Tachykardien, Kammerflimmern)
  • Herzinsuffizienz durch eingeschränkte Pumpfunktion
  • Perioperative Schlaganfälle durch Embolie oder Hypoperfusion (Minderdurchblutung)

Vergleich der Operationsmethoden

Verfahren Indikationen (Anwendungsgebiete) Vorteile Nachteile
Perkutane Koronarintervention (PCI) Akuter Herzinfarkt, instabile Angina pectoris Minimalinvasiv, schnell wirksam Höheres Rezidivrisiko bei Mehrgefäßerkrankung
Koronare Bypass-OP (CABG) Mehrgefäßerkrankung, Hauptstammstenose Langfristig bessere Revaskularisation Invasiver Eingriff, längere Erholungszeit
Intraaortale Ballongegenpulsation (IABP) Kardiogener Schock, schwere LV-Dysfunktion Unterstützt Herzfunktion, verbessert Perfusion Nur temporäre Lösung, nicht kausal
Herzschrittmacherimplantation AV-Block, schwere Arrhythmien Verhindert plötzlichen Herzstillstand Keine Revaskularisation, rein symptomatisch

Beachte

  • Die Zeit bis zur PCI sollte idealerweise unter 90 Minuten liegen, gerechnet ab der Diagnose mittels EKG-Befund.
  • Trotz erfolgreicher PCI oder Bypass-OP ist eine konsequente Sekundärprävention essenziell, um weitere kardiovaskuläre Ereignisse zu verhindern.
  • Eine intraaortale Ballongegenpulsation kann das Herzzeitvolumen um 10-20 % steigern und wird vor allem bei kardiogenem Schock eingesetzt.

Fazit

  • Die PCI ist die erste Wahl beim akuten Myokardinfarkt und sollte innerhalb von 90 Minuten erfolgen.
  • Bei komplexer Mehrgefäßerkrankung oder Hauptstammstenose ist die Bypass-Operation die bessere Langzeitlösung.
  • Begleitende Maßnahmen wie IABP oder Herzschrittmacher sind in speziellen Fällen notwendig, um Kreislaufstabilität oder Rhythmuskontrolle zu gewährleisten.
  • Eine konsequente Sekundärprävention ist entscheidend für die langfristige Prognose nach einem Myokardinfarkt.

Weitere Hinweise

  • Bei 30-40 % aller Myokardinfarkt-Patienten liegt neben der verursachenden Koronarstenose (= Infarktarterie) eine Mehrgefäßerkrankung vor. Studien zeigen, dass es signifikante Vorteile für eine präventive komplette Revaskularisierung bei der primären perkutanen koronaren Intervention (PCI) gibt [2, 3].
  • Gemäß Leitlinien soll zur Behandlung des ST-Streckenhebungsinfarkts (STEMI) eine manuelle Thrombusaspiration per Katheter ("Bergung des Blutgerinnsels aus dem blockierten Herzkranzgefäß") bei PCI in Betracht gezogen werden.
    Die TOTAL-Studie (Randomized trial of manual aspiration Thrombectomy + PCI vs. PCI Alone in STEMI; in 20 Ländern 10.732 Patienten mit STEMI) stellt dieses Vorgehen in Frage. Bei 5.033 Patienten wurde im Rahmen der primären PCI routinemäßig eine manuelle Thrombusaspiraktion vorgenommen. Schwerwiegende Ereignisse (Myokardinfarkt, kardialer Schock oder schwere Herzinsuffizienz/Herzschwäche, kardiovaskulärer Tod) konnten durch dieses Vorgehen nicht signifikant vorgebeugt werden. Mit 6,9 % (Thrombektomie) und 7 % (Kontrollgruppe ohne Thrombektomie) waren die Ereignisraten nach 6 Monaten nicht signifikant unterschiedlich. Einen signifikanten Unterschied gab es jedoch für die Apoplexrate, diese war am Ende im Thrombektomie-Arm überraschend doppelt so hoch wie im Kontrollarm der Studie (ein Prozent versus 0,5 %, p = 0,002) [4].
  • In der DANAMI 3-PREMULTI-Studie mit 627 Patienten mit akutem STEMI wurde bei 313 Patienten in der primären PCI lediglich das Infarktgefäß (Culprit Lesion) wiedereröffnet bzw. mit einem Stent ("Gefäßbrücke") versehen. Die übrigen 314 Patienten erhielten eine FFR-gesteuerte Komplettrevaskularisation. Nach einem medianen Follow-up-Zeitraum von 27 Monaten zeigte die Gruppe der Patienten, bei denen die Culprit Lesion mit einem Stent versehen wurde in 22 % der Fälle ein Endpunktereignis. Dagegen zeigt die Gruppe mit Komplettrevaskularisation nur in 13 % der Fälle (HR 0,65; 95 % CI 0,38-0,83, p = 0,004) ein Endpunktereignis. Hier war auch die Reinterventionsrate um fast 70 % geringer. Dabei gab es allerdings weder bei der Gesamtmortalität noch bei der Reinfarktrate signifikante Unterschiede.
    Beachte: Bei Patienten mit koronarer 3-Gefäß-Erkrankung war der Vorteil der Komplettrevaskularisation ausgeprägter als bei Patienten mit 2- oder 1-Gefäß-Erkrankung [5].
  • Die norwegische "After Eighty Study" bestätigt, dass auch klinisch stabile Patienten mit einem Myokardinfarkt ohne anhaltende ST-Hebung, die mindestens 80 Jahre alt sind, von einer perkutanen Koronarintervention oder Bypass-Operation zusätzlich zur Arzneitherapie (ASS, Clopidogrel, niedrigmolekulares Heparin, Betablocker und Statine) profitieren. Dabei wurde die Wahrscheinlichkeit, den kombinierten Endpunkt (Myokardinfarkt, Notfallrevaskularisierung, Schlaganfall und Tod) zu erreichen, um 47 % verringert [7].

Patienten mit akutem Koronarsyndrom

Bei Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom (ACS; Acute coronary syndrome)  ist der Nutzen einer frühen Koronarangiographie (radiologisches Verfahren, das mit Hilfe von Kontrastmitteln das Lumen (Innenraum) der Koronararterien (Arterien, die kranzförmig das Herz umgeben und den Herzmuskel mit Blut versorgen) sichtbar macht) mit anschließender Revaskularisierung (Entfernung eines Passagehindernisses in verschlossenen Blutgefäßen) – in der Regel mittels einer perkutanen Koronarintervention (PCI; s. o.) – gut belegt.

Eine Studie, die anhand von dänischen Registern analysierten Daten von Patienten (54.600 Menschen), die aufgrund eines ersten ACS in eine Klinik eingeliefert wurden, liefert dazu valide Daten [6]. Die Autoren klassifizierten Patienten mit einer Angiographie innerhalb der ersten drei Tage nach Klinikeinweisung als frühe, die übrigen als Patienten mit einer konservativen invasiven Behandlungsstrategie. Sie bildeten daraus jeweils zwei Gruppen mit 10.000 Patienten. Beide Gruppen enthielten ca. 20 % Patienten mit einer instabilen Angina pectoris ("Brustenge"; plötzlich auftretender Schmerz in der Herzgegend), ca. ein Drittel mit einem Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und ein Fünftel mit ST-Hebungsinfarkt (STEMI). Die Gruppe der Patienten mit der frühen Interventionsstrategie erhielt nach einem Tag eine Angiographie. In der konventionell behandelten Gruppe erfolgte eine Angiographie bei 58 % der Patienten im Mittel erst nach fünf Tagen. Patienten in der Gruppe mit früher invasiver Therapiestrategie unterzogen sich in 77 % der Fälle einer invasiven Revaskularisierung; bei den konventionell behandelten Patienten erfolgte dieses in nur 42 % der Fälle.

Ergebnisse:

  • Die Gruppe mit früher Interventionsstrategie zeigte eine signifikant bessere Gesamtmortalität (Sterberate) im Vergleich zur späteren: 7,3 versus 10,6 %
  • Ältere Patienten profitierten besonders von einer frühen Intervention: 60 Tage nach der Klinikaufnahme waren signifikant weniger Patienten aufgrund kardialer Probleme gestorben: 5,9 versus 7,6 % 
  • Zu einer erneuten Hospitalisierung wg. Myokardinfarkt kam es bei früher Intervention seltener: 3,4 versus 5,0 %; besonders profitierten Patienten > 75 Jahre: 11,9 versus 17,3 %, Patienten < 75 Jahren profitierten kaum: 3,4 versus 3,7 %
  • Myokardinfarkt-Patienten profitierten erwartungsgemäß ebenfalls von einer frühen Strategie; kardiale Mortalitätsrate (herzbezogene Sterberate): 6,9 versus 9,3 %  
  • Patienten mit instabiler Angina pectoris zeigten für die beiden Gruppen keine signifikanten Unterschiede: 1,5 versus 0,9 %

Literatur

  1. Kolh P et al.: 2014 ESC/EACTS Guidelines on myocardial revascularization: The Task Force on Myocardial Revascularization of the European Society of Cardiology (ESC) and the European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS). Eur J Cardiothorac Surg (2014).  doi: 10.1093/ejcts/ezu366
  2. Wald DS et al.: Randomized Trial of Preventive Angioplasty in Myocardial Infarction. N Engl J Med 2013; 369:1115-1123September 19, 2013 DOI: 10.1056/NEJMoa1305520
  3. Gershlick AH et al.: Complete versus Lesion only PRimary-PCI Trial (CvLPRIT): Treat the infarct related artery only or all lesions. Abstract Nr. 4032
  4. Jolly SS et al.: Randomized Trial of Primary PCI with or without Routine Manual Thrombectomy. N Engl J Medicine. 2015 Mar 16. doi: 10.1056/NEJMoa1415098
  5. Engstrøm T et al.: Complete revascularisation versus treatment of the culprit lesion only in patients with ST-segment elevation myocardial infarction and multivessel disease (DANAMI-3-PRIMULTI): an open-label, randomised controlled trial Lancet. 2015 Aug 4. doi: 10.1016/S0140-6736(15)60648-1
  6. Hansen KW et al.: Effectiveness of an Early Versus a Conservative Invasive Treatment Strategy in Acute Coronary Syndromes: A Nationwide Cohort Study. Ann Intern Med. 2015;163(10):737-746. doi:10.7326/M15-0303
  7. Tegn N et al.: Invasive versus conservative strategy in patients aged 80 years or older with non-ST-elevation myocardial infarction or unstable angina pectoris (After Eighty study). Lancet, online 12. Januar 2016. doi: 10.1016/S0140-6736(15)01166-6

Leitlinien

  1. Kolh P et al.: 2014 ESC/EACTS Guidelines on myocardial revascularization: The Task Force on Myocardial Revascularization of the European Society of Cardiology (ESC) and the European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS). Eur J Cardiothorac Surg (2014).  doi: 10.1093/ejcts/ezu366
  2. S3-Leitlinie: Intraaortale Ballongegenpulsation in der Herzchirurgie. (AWMF-Registernummer 011 - 020) Mai 2015 Langfassung