Herzgeräusche – Körperliche Untersuchung

Eine umfassende klinische Untersuchung ist die Grundlage für die Auswahl der weiteren diagnostischen Schritte:

  • Allgemeine körperliche Untersuchung – inklusive Blutdruck, Puls, Körpergewicht, Körpergröße; des Weiteren:
    • Inspektion (Betrachtung)
      • Haut, Schleimhäute und Skleren (weiße Teil des Auges) [Zyanose (bläuliche Verfärbung der Haut und/oder der zentralen Schleimhäute, die durch einen Sauerstoffmangel bedingt ist)]
      • Halsvenenstauung? [Herzinsuffizienz (Herzschwäche)]
      • Ödeme/Wassereinlagerungen? [Herzinsuffizienz (Herzschwäche)]
        • Unterschenkel: prätibial/vor dem Schienbein, Knöchel 
        • beim liegenden Patienten: präsakral/vor dem Kreuzbein 
      • periphere Zyanose, generalisiert? – bei Klappenvitien (Herzfehler)]
      • zentrale Zyanose (bläuliche Verfärbung von Haut und zentralen Schleimhäuten, z. B. Zunge)? [bei Vitien (Herzfehler) mit Rechts-Links-Shunt (bei dieser Störung gelangt sauerstoffarmes venöses Blut unter Umgehung des Lungenkreislaufs direkt in den Körperkreislauf); Herzinsuffizienz (Herzschwäche)]
    • Auskultation (Abhören) des Herzens* [wg. Differentialdiagnosen:
      Erkrankungen, die zu systolischen Herzgeräuschen führen:
      • Akzidentelles systolisches Herzgeräusch – vor allem bei Kindern und Jugendlichen auftretendes Herzgeräusch, dem keine pathologische Veränderung zugrunde liegt
      • Aortenklappe (Auskultationspunkt: 2. Interkostalraum, kurz ICR, rechts parsternal)
        • Aortenklappenstenose (Verengung der Aortenklappe) – spindelförmiges raues Systolikum p.m. 2. ICR (Interkostalraum/Zwischenrippenraum) rechts parasternal (neben dem Brustbein), in die Carotiden (Halsschlagadern) fortgeleitet
        • Aortenisthmusstenose – Verengung des absteigenden Anteils der Hauptschlagader
      • Funktionelles systolisches Herzgeräusch – Herzgeräusch ohne pathologische Veränderung, welches zum Beispiel bei Fieber, Schwangerschaft oder Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion) auftritt
      • Hypertrophische obstruktive Kardiomyopathie (HOCM) – Herzmuskelerkrankung, die mit folgenden Symptomen und Komplikationen einhergehen kann: Dyspnoe (Atemnot), Angina pectoris ("Brustenge"; plötzlich auftretender Schmerz in der Herzgegend), Herzrhythmusstörungen, Synkope (kurzzeitige Bewusstlosigkeit) und plötzlicher Herztod (PHT)
      • Mitralklappe (Auskultationspunkt: 5. ICR links in der Medioklavikularlinie)
        • Mitralklappeninsuffizienz (Schlussunfähigkeit der Mitralklappe) – hochfrequentes, bandförmiges Systolikum (systolisches Herzgeräusch) p.m. (punctum maximum) über der Herzspitze, in die Axilla (Achselhöhle) fortgeleitet
      • Trikuspidlklappeninsuffizienz (Schlussunfähigkeit der Trikuspidalklappe) – (Auskultationspunkt: 5. ICR rechts parasternal)
      • Ventrikelseptumdefekt – angeborener oder erworbener Defekt der Scheidewand der Herzkammern
      Erkrankungen, die zu diastolischen Herzgeräuschen führen:
      • Aortenklappeninsuffizienz (Schlussunfähigkeit der Aortenklappe) – diastolisches Decrencendogeräusch nach dem 2. Herzton p.m. über der Aorta oder Erb (Auskultationspunkt, der etwa der Mitte der Herzfigur entspricht; er liegt im 3 ICR links, etwa zwei QF (Querfinger) parasternal (neben dem Brustbein)); spindelförmiges Systolikum (bei relativer Aortenstenose)
      • Mitralklappenstenose (Verengung der Mitralklappe) – paukender erster Herzton, Mitralöffnungston, diastolisches Decrescendogeräusch (ein kontinuierlich an Intensität abnehmendes Herzgeräusch), übergehend in ein präsystolisches Crescendogeräusch (ein kontinuierlich an Intensität zunehmendes Herzgeräusch)
      • Pulmonalklappeninsuffizienz (Schlussunfähigkeit der Pulmonalklappe) (Auskultationspunkt: 2. ICR links parasternal)
      • Trikuspidlklappenstenose (Verengung der Trikuspidalklappe) (Auskultationspunkt: 5. ICR rechts parasternal)
      Erkrankungen, die zu systolisch-diastolischen Herzgeräuschen führen:
      • Arteriovenöse Fistel – Kurzschlussverbindung zwischen dem arteriellen und venösen System, kann durch ein Lungenangiom oder eine Verletzung bedingt sein
      • Koronarfisteln – pathologische Verbindung zwischen einem Herzkranzgefäß und einer Herzhöhle
      • Offener Ductus botalli – Kurzschluss zwischen den Hoch- und Niederdrucksystem, welcher normalerweise sofort nach der Geburt unterbunden wird
      • Rupturiertes Sinus-Valsalva-Aneurysma – im Herzens befindliche Aussackung, deren Ruptur (Einriss) zu einem Kurzschluss führen kann]
    • Auskultation der Lunge [wg. möglicher Folgeerkrankungen: Lungenödem (Wasseransammlung im Lungengewebe); Staungsbronchitis (chronische Bronchitis mit ständigem Husten)]

In eckigen Klammern [ ] wird auf mögliche pathologische (krankhafte) körperliche Befunde hingewiesen.

*Herzgeräusche werden wie folgt charakterisiert:

  • Lautstärke (Lautstärkendifferenzierung mittels einer Sechstelskala):
    • 1/6 – nur mit Mühe bei der Auskultation (Abhören) hörbar
    • 2/6 – leise, jedoch bei Auskultation immer hörbar
    • 3/6 – laut, jedoch ohne Schwirren
    • 4/6 – lautes Geräusch mit Schwirren
    • 5/6 – hörbares Geräusch auch ohne vollständiges Auflegen des Stethoskops (medizinisches Untersuchungsinstrument zur Beurteilung von Schallphänomenen]
    • 6/6 – ohne Stethoskop hörbares maximal lautes Geräusch
  • Geräuschentwicklung wird wie folgt beschrieben:
    • bandförmig – die Lautstärke des Geräusches ist durchgehend gleich
    • spindelförmig – Geräusch fängt leise an, erreicht ein Maximum und wird zum Ende leiser
    • crescendoform – ein zunächst leiseres Geräusch wird lauter
    • decrescendoform – ein zunächst lauteres Geräusch wird leiser
  • Fortleitung (z. B. bei der Aortenstenose wird das Geräusch in die Arteria carotis communis fortgeleitet)
  • Punctum maximum (Stelle, an der ein Herzgeräusch am lautesten und deutlichsten zu hören ist)

Weitere Hinweise

  • Während einer Routineauskultation können bei  zwei Drittel aller Kinder Herzgeräusche festgestellt werden, die meistens harmlos sind. Nur ca.l 1 % der Betroffenen hat tatsächlich ein kardiales Problem.