Herzbeutelentzündung (Perikarditis) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Perikarditis ist eine Entzündung des Herzbeutels (Perikard), die durch verschiedene Ursachen hervorgerufen wird und zu einer charakteristischen Veränderung des Perikardgewebes führt. Dabei kommt es zu einer Gewebsauflockerung, Fibrinabsonderung und einer vermehrten Sekretion von Flüssigkeit in den Perikardspalt, der normalerweise nur eine geringe Menge an serösem Exsudat enthält.

Hauptursachen der Perikarditis

  • Idiopathische Perikarditis: In 80–90 % der Fälle ist die Ursache nicht genau feststellbar, weshalb die Perikarditis als idiopathisch klassifiziert wird. Es wird jedoch angenommen, dass viele dieser idiopathischen Perikarditiden eine virale Genese haben.
  • Virale Perikarditis: Eine virale Ätiologie liegt in einer Vielzahl von Fällen vor und wird häufig durch Coxsackieviren, Echoviren, Adenoviren oder das Epstein-Barr-Virus (EBV) ausgelöst. Die Virusinfektion verursacht eine direkte Schädigung des Perikardgewebes, gefolgt von einer entzündlichen Reaktion.
  • AutoimmunerkrankungenAutoimmunerkrankungen wie systemischer Lupus erythematodes (SLE) oder rheumatoide Arthritis (RA) sind in etwa 7 % der Fälle für die Entstehung der Perikarditis verantwortlich. Hierbei richten sich Autoantikörper gegen körpereigene Strukturen des Perikards, was eine Entzündungsreaktion induziert.
  • Neoplastische Ursachen: Maligne Neubildungen, die direkt das Perikard infiltrieren (primär), oder Metastasen (sekundär) können eine Perikarditis verursachen. Dies betrifft ca. 5 % der Fälle. Typische Tumoren, die zu einer Perikarditis führen, sind Bronchialkarzinome, Mamma-Karzinome und maligne Lymphome.
  • Tuberkulöse Perikarditis: Die tuberkulöse Perikarditis ist selten (ca. 4 % der Fälle) und tritt meist bei Patienten mit einem geschwächten Immunsystem oder als Komplikation einer pulmonalen Tuberkulose auf. Sie ist durch eine granulomatöse Entzündung gekennzeichnet, die zur fibrösen Verdickung des Perikards und zur Ausbildung einer konstriktiven (einengenden) Perikarditis führen kann.
  • Purulente (eitrige) Perikarditis: Bakterielle Infektionen können zur Bildung von eitrigem Exsudat (Absonderung) im Perikard führen. In diesen Fällen handelt es sich häufig um eine komplizierte Perikarditis, die zu schweren hämodynamischen Komplikationen führen kann. Bakterien wie Staphylokokken, Streptokokken oder Pneumokokken sind typische Erreger.

Mechanismus der Perikarditis

  • Fibrinöse Perikarditis: Bei der fibrinösen Perikarditis kommt es durch den Entzündungsprozess zur Freisetzung von Fibrinogen, das zu Fibrin polymerisiert. Dies führt zu einer „rauen“ Oberfläche des Perikards und einer Fibrinansammlung, die typischerweise bei einer „trockenen“ Perikarditis beobachtet wird.
  • Exsudative Perikarditis: Bei einer stärkeren Entzündungsreaktion kann es zur vermehrten Exsudation von Flüssigkeit kommen, wodurch ein Perikarderguss entsteht. Je nach Zusammensetzung des Ergusses spricht man von einer serösen, hämorrhagischen oder purulenten Perikarditis. Große Ergüsse können die Herzfunktion beeinträchtigen und zu einer Herztamponade (Flüssigkeitsansammlung im Herzbeutel) führen.
  • Konstriktive Perikarditis: In chronischen Fällen kann es zur Fibrosierung (krankhafte Vermehrung des Bindegewebes) und Kalzifikation (Verkalkung) des Perikards kommen. Dies führt zu einer Einengung des Herzens und damit zu einer konstriktiven Perikarditis, die durch eine eingeschränkte Füllung der Herzkammern charakterisiert ist.

Klinische Relevanz

Die Pathogenese der Perikarditis variiert je nach Ursache und Ausprägung, wodurch auch die Symptome unterschiedlich sind. Während akute Perikarditiden durch Brustschmerzen und ein typisches Reibegeräusch charakterisiert sind, zeigen sich chronische Formen häufig durch Zeichen einer Herzinsuffizienz und der konstriktiven Perikarditis. Die Diagnose und Therapie richten sich daher stets nach der zugrunde liegenden Ursache.

Ätiologie (Ursachen)

Krankheitsbedingte Ursachen

Infektiöse Perikarditis

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Viral bedingte Perikarditis (ca. 35 %; Coxsackie A 9, B 1-4, Cytomegalievirus (CMV), Epstein-Barr-Virus (EBV; auch Humanes-Herpes-Virus 4, HHV 4), Echo, HIV, Mumps, Pavor B 19, Röteln, Windpocken)
  • Bakteriell bedingte Perikarditis (ca. 10 %; Borreliose, Chlamydien, Gonokokken, Haemophilus, Legionella, Leptospiren, Meningokokken, Mykoplasmen, Pneumokokken, Staphylococcus, Streptococcus, Tuberkulose, Treponema pallidum; Tropheryma whippelii (aus der Gruppe der Aktinomyzeten)/Morbus Whipple)
  • Mykotisch bedingte Perikarditis (selten; Candida, Histoplasma) [bes. bei immuninkompetenten Patienten]
  • Parasitär bedingte Perikarditis (selten; Echinococcus, Entamoeba histolytica, Toxoplasma)

Nicht-infektiöse Perikarditis

Blut, blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)

  • Sarkoidose ‒ entzündliche Systemerkrankung, die vor allem die Haut, die Lunge und Lymphknoten betrifft

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Amyloidose ‒ extrazelluläre ("außerhalb der Zelle") Ablagerungen von Amyloiden (abbauresistente Proteine), die u. a. zu einer Kardiomyopathie (Herzmuskelerkrankung), Neuropathie (Erkrankung des peripheren Nervensystems) und Hepatomegalie (Lebervergrößerung) führen können.
  • Familiäres Mittelmeerfieber (FMF; Synonym: familiäre rekurrente Polyserositis) – autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, die gehäuft bei Bewohnern der östlichen Mittelmeerregion auftritt; chronische Erkrankung, die durch sporadisch auftretende Fieberschübe mit begleitender Entzündung der Tunica serosa charakterisiert ist, was zu Abdominalschmerzen (Bauchschmerzen), Thoraxschmerz (Brustschmerzen) oder zur Arthralgie (Gelenkschmerzen) führt.
  • Hyperurikämie (erhöhte Harnsäurewerte im Blut)
  • Myxödem ‒ häufiges Symptom bei einer Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion); pastöse (aufgeschwemmt; gedunsen) Haut, die ein nicht eindrückbares, teigiges Ödem (Schwellung) zeigt, das nicht lageabhängig ist; im Gesichtsbereich und peripher; vor allem an den Unterschenkeln auftretend

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Akuter Myokardinfarkt (Herzinfarkt)
  • Aortendissektion (Synonym: Aneurysma dissecans aortae) – akute Aufspaltung (Dissektion) der Wandschichten der Aorta (Hauptschlagader), mit einem Einriss der inneren Schicht der Gefäßwand (Intima) und einer Einblutung zwischen der Intima und der Muskelschicht der Gefäßwand (äußere Media), im Sinne eines Aneurysma dissecans (krankhafte Ausweitung der Schlagader)
  • Dressler-Syndrom (Synonyme: Postmyokardinfarktsyndrom, Postkardiotomie-Syndrom) ‒ mehrere Wochen (1-6 Wochen) nach einem Myokardinfarkt (Herzinfarkt) bzw. einer Verletzung des Myokards (Herzmuskel) auftretende Perikarditis (Herzbeutelentzündung) und/oder Pleuritis (Rippenfellentzündung) als späte immunologische Reaktion am Perikard (Herzbeutel) nach Bildung von Herzmuskel-Antikörpern (HMA)
  • Chyloperikard ‒ Lympherguss im Herzbeutel
  • Familiäre Perikarditis (Herzbeutelentzündung)
  • Herzinsuffizienz (Herzschwäche), chronische
  • pulmonalen Hypertonie – Druckerhöhung im Lungenarteriensystem
  • Rheumatisches Fieber ‒ spezifische Reaktion, die nach einer Infektion mit Streptokokken der Serogruppe A auftritt und zu Arthritiden (Gelenkentzündungen), Entzündungen am Herzen wie Peri-/Myokarditis (Herzbeutel-/Herzmuskelentzündung) sowie zu ZNS-Beteiligung in Form der Chorea minor (neurologische Autoimmunerkrankung, die durch Hyperkinesien – unkontrollierbare blitzartig ausfahrende Bewegungen –, Muskelhypotonie und Hyporeflexie gekennzeichnet ist) führt

Mund, Ösophagus (Speiseröhre), Magen und Darm (K00-K67; K90-K93)

  • Colitis ulcerosa – chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED)
  • Morbus Crohn – chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED); sie verläuft meist in Schüben und kann den gesamten Verdauungstrakt befallen; charakterisierend ist der segmentale Befall der Darmmukosa (Darmschleimhaut), das heißt es können mehrere Darmabschnitte befallen sein, die durch gesunde Abschnitte voneinander getrennt sind

Muskel-Skelett-System und Bindegewebe (M00-M99)

  • Gicht (Arthritis urica/harnsäurebedingte Gelenkentzündung oder tophische Gicht)/Hyperurikämie (Erhöhung des Harnsäurespiegels im Blut)
  • Kollagenosen (Gruppe von Bindegewebserkrankungen, die durch Autoimmunprozesse bedingt sind) – systemischer Lupus erythematodes (SLE), Polymyositis (PM) bzw. Dermatomyositis (DM), Sjögren-Syndrom (Sj), Sklerodermie (SSc) und Sharp-Syndrom ("mixed connective tissue disease", MCTD)
  • Morbus Bechterew (ankylosierende Spondylitis) ‒ chronisch-entzündliche rheumatische Erkrankung, die ausschließlich die Wirbelsäule und deren Grenzgelenke betrifft
  • Reaktive Arthritis (Synonym: postinfektiöse Arthritis/Gelenkentzündung) – Zweiterkrankung nach gastrointestinalen (Magen-Darm-Trakt betreffend), urogenitalen (Harn- und Geschlechtsorgane betreffend) oder pulmonalen (Lunge betreffend) Infekten; bezeichnet eine Arthritis, wobei sich Erreger im Gelenk (in der Regel) nicht finden lassen (sterile Synovialitis).
  • Reiter-Krankheit (Synonyme: Reiter-Syndrom; Morbus Reiter; Arthritis dysenterica; Polyarthritis enterica; postenteritische Arthritis; posturethritische Arthritis; undifferenzierte Oligoarthritis; urethro-okulo-synoviales Syndrom; Fiessinger-Leroy-Syndrom; engl. Sexually acquired reactive arthritis (SARA)) – spezielle Form einer "reaktiven Arthritis“ (s. o.); Zweiterkrankung nach gastrointestinalen oder urogenitalen Infekten, die sich durch die Symptomatik der Reiter-Trias auszeichnet; seronegative Spondylarthropathie, die besonders bei HLA-B27 positiven Personen durch eine Darm- oder Harnwegserkrankung mit Bakterien (meistens Chlamydien) ausgelöst wird; kann sich äußern als Arthritis (Gelenkentzündung), Konjunktivitis (Bindehautentzündung), Urethritis (Harnröhrenentzündung) und teils mit typischen Hautveränderungen.
  • Rheumatoide Arthritis ‒ chronisch entzündliche Multisystemerkrankung, die sich meist in Form einer Synovialitis (Gelenkinnenhautentzündung) manifestiert
  • Vaskulitiden (z. B. Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA), ehemals Churg-Strauss-Syndrom (CSS) oder Granulomatose mit Polyangiitis (GPA), ehemals Wegenersche Granulomatose)

Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)

  • Bösartige Neubildungen, nicht näher bezeichnet, mit Perikardbefall (z. B. Bronchialkarzinom/Lungenkrebs, Mammakarzinom/Brustkrebs, Leukämien, Lymphome, Melanom, Sarkom)

Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)

  • Anorexia nervosa (Magersucht)

Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)

  • Niereninsuffizienz (Nierenschwäche) mit Zeichen der Urämie (Auftreten harnpflichtiger Substanzen im Blut oberhalb der Normwerte)

Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)

  • Verletzungen des Brustkorbes, nicht näher bezeichnet

Labordiagnosen – Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten

  • Hyperurikämie (Erhöhung des Harnsäurespiegels im Blut)

Medikamente

  • Anti-TNF-Blocker – Medikamente, die in der Behandlung von entzündlichen Erkrankungen Anwendung finden
  • Amiodaron (Antiarrhythmikum) – Medikament, das zur Behandlung von zahlreichen Herzrhythmusstörungen eingesetzt wird
  • Antikoagulantien (blutverdünnende Medikamente), nicht näher bezeichnet
  • Bromocriptin (Prolaktinhemmer) – Medikament, das zur Hemmung der Prolaktinbildung eingesetzt wird
  • Ciclosporin (Cyclosporin A) (Immunsuppressivum) – Medikament aus der Gruppe der Immunsuppressiva
  • Clozapin (Neuroleptikum) – Medikament aus der Gruppe der Neuroleptika
  • Dantrolene (Muskelrelaxans) – Hydantoin-Derivat aus der Gruppe der Muskelrelaxantien
  • Hydralazin (Antihypertensivum) ‒ Medikament, welches zur Gruppe der Antihypertensiva (Bluthochdruckmittel) zählt
  • Impfstoffe (Durchschnittsalter 59 Jahre (IQR 46 bis 69 Jahre); 60 % der Fälle nach der zweiten Impfung)
    • Comirnaty® (COVID-19 mRNA Impfstoff [Nukleosid- modifiziert])
    • Spikevax® (COVID-19 mRNA Impfstoff [Nukleosid- modifiziert])
  • Isoniazid (Tuberkulostatikum) ‒ Medikament gegen die Tuberkulose
  • Mesalazin – entzündungshemmende Medikament, das zur Therapie des Morbus Crohn und der Colitis ulcerosa eingesetzt wird
  • Methyldopa (Antihypertensivum)
  • Methysergid (Migränemittel)
  • Minoxidil (Antihypertensivum) ‒ Medikament, welches zur Gruppe der Antihypertensiva (Bluthochdruckmittel) zählt
  • P-Aminosalicylsäure (Tuberkulostatikum)
  • Phenylbutazon (NSAID) – nicht-steroidaler Entzündungshemmer
  • Phenytoin (Antiepileptikum)
  • Practolol (selektive Betablocker)
  • Procainamid (Antiarrhythmikum) ‒ Medikament aus der Gruppe der Antiarrhythmika (gegen Herzrhythmusstörungen)
  • Thiazide (Diuretika)
  • Streptokinase (Fibrinolytikum) – thrombolytischer Wirkstoff aus der Gruppe der Fibrinolytika
  • Streptomycin (Antibiotikum) – bakterizides Antibiotikum aus der Gruppe der Aminoglykoside
  • Thiouracil (Thyreostatikum)
  • Zytostatika (Doxorubicin, Daunorubicin, 5-Fluorouracil, Cyclophosphamid)

Weitere Ursachen

  • Dialyse (Blutwäsche)
  • Postkardiotomiesyndrom (Synonym: Postperikardiotomiesyndrom) als Sonderform der Perikarditis; Inzidenz 10-15 % nach herzchirurgischem Eingriff – der Dressler-Myokarditis ähnliche Symptomatik (s. o.)
  • Zustand nach Chemotherapie (z. B. Doxorubicin)
  • Zustand nach Radiatio (Strahlentherapie)