Halsschlagaderverengung (extracranielle Carotisstenose) – Operative Therapie

Asymptomatische Carotisstenosen

Die operative Therapie – Carotisendarteriektomie (CEA) – ist indiziert bei asymptomatischen Carotisstenosen > 60 %, hohem Embolierisiko sowie Personen mit einer Lebenserwartung > 5 Jahre und einer periprozeduralen Schlaganfall- oder Todesrate von weniger als 3 %. In diesen Fällen besteht ein nachgewiesener Nutzen [2017 ESC Guidelines].

Gemäß der aktuellen ESC-Leitlinie ist man zurückhaltender geworden im Vergleich zu den vorangegangenen Leitlinien von 2011 hinsichtlich der Empfehlungen zur Revaskularisation bei Patienten mit asymptomatischen Carotisstenosen (60-99 % Stenose). Eine Endarteriektomie oder Stentimplantation sollte nur bei Patienten in Betracht gezogen werden, bei denen sich ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle objektivieren lässt (IIa-Empfehlung) [5].

Beim Vorliegen einer 60-99%igen asymptomatischen Carotisstenose sollte eine CEA erwogen werden, sofern kein erhöhtes OP-Risiko vorliegt und ein oder mehrere klinische oder bildgebende Befunde vorhanden sind, die mit einem erhöhten Risiko eines carotisbedingten Schlaganfalls im Follow-up assoziiert sind [S3-Leitlinie].

Hinweis: Nach fünf Jahren Verlaufszeit zeigten Patienten mit asymptomatischer schwerer Carotisstenose hinsichtlich Carotis-Stentimplantation und operativer Thrombendarteriektomie ein gleiches Nutzen-Risiko-Profil [5].

Faktoren, die bei asymptomatischer Karotisstenose mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko assoziiert sind (modifiziert nach [2017 ESC Guidelines]):

Klinische Symptomatik* kontralaterale transistorische ischämische Attacke (TIA) oder Apoplex (Schlaganfall)
Schnittbildgebung des Gehirns Ipsilateraler ("auf der gleichen Seite") stiller Infarkt
Sonographie (Ultraschall)      Stenoseprogression/Zunahme der Verengung (> 20 %)
Nachweis spontaner Emboli (HITS) durch transkranielle ("durch den Schädel hindurch") Dopplersonographie (TCD)
Gestörte zerebrale vaskuläre Reserve
Große Plaques (krankhafte Ablagerungen an den Gefäßwänden) (> 40 mm2)
„Echolucent plaques“ ("echotransparente Plaques")
Vermehrte juxtaluminale hypoechogene Fläche
MR-Angiographie (MRA)  Einblutung in die Plaque
Lipidreicher Nekrosekern

Zusatzhinweis: Das Alter ist kein Prädiktor für ein schlechteres Ergebnis.

Legende

  • HITS: high intensity transient signal
  • MR-Angiographie: Magnetresonanzangiographie (MRA)

Symptomatische Carotisstenosen

1. Indikation zur Karotisendarteriektomie (CEA)

Die S3-Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Nachsorge der extracraniellen Carotisstenose“ (AWMF-Registernummer 004-028) empfiehlt:

  • Bei symptomatischen Stenosen der A. carotis interna von 70-99 %:
    • Klare Empfehlung zur CEA, sofern das perioperative Risiko für Schlaganfall oder Tod unter 6 % liegt.
    • Empfehlungsklasse I, Evidenzgrad A.
  • Bei symptomatischen Stenosen von 50-69 %:
    • CEA sollte erwogen werden, abhängig von patientenspezifischen Faktoren wie Alter, Geschlecht und Komorbiditäten.
    • Empfehlungsklasse IIa, Evidenzgrad B.
  • Bei Stenosen unter 50 %:
    • Keine Empfehlung für CEA oder Karotisstenting (CAS).
    • Empfehlungsklasse III, Evidenzgrad A.

2. Zeitpunkt der Revaskularisation

Die Leitlinie betont, dass die CEA möglichst frühzeitig durchgeführt werden sollte:

  • Idealerweise innerhalb von 14 Tagen nach dem letzten ischämischen Ereignis (z. B. TIA oder Schlaganfall).
  • Empfehlungsklasse IIa, Evidenzgrad B.

Ein frühzeitiger Eingriff ist mit einem signifikant reduzierten Risiko für Rezidivschlaganfälle assoziiert.

3. Karotisstenting (CAS) als Alternative

CAS kann bei symptomatischen Patienten als Alternative zur CEA in Betracht gezogen werden, insbesondere wenn:

  • Anatomische oder medizinische Risikofaktoren vorliegen, die das Operationsrisiko erhöhen.
  • Das perioperative Risiko für Schlaganfall oder Tod unter 6 % liegt.
  • Empfehlungsklasse IIa, Evidenzgrad B.

Die Wahl zwischen CEA und CAS sollte individuell unter Berücksichtigung von Patientenmerkmalen und lokalen Erfahrungen getroffen werden.

Fazit

Die aktuellen Leitlinien empfehlen bei symptomatischen Karotisstenosen:

  • CEA bei Stenosen ≥ 70 % mit niedrigem Operationsrisiko.
  • Individuelle Abwägung bei Stenosen von 50-69 %.
  • Keine Intervention bei Stenosen < 50 %.
  • Frühzeitige Durchführung der Revaskularisation innerhalb von 14 Tagen nach dem ischämischen Ereignis.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

Von einer Carotis-Thrombendarteriektomie (CEA, operative Entfernung von Ablagerungen in der Halsschlagader) profitieren insbesondere:

  • Männer
  • Patienten über 70 Jahre
  • Patienten mit insuffizienten Stenosen
  • Patienten mit insuffizientem Kollateralkreislauf 1. Ordnung

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Hohes operationsbedingtes Risiko (z. B. schwere kardiovaskuläre Erkrankungen, fortgeschrittene Multimorbidität)
  • Schwere neurologische Defizite nach einem bereits erlittenen Schlaganfall
  • Tandemläsionen mit zusätzlicher höhergradiger intrakranieller Stenose
  • Erwartete Lebenserwartung unter 5 Jahren aufgrund schwerer Begleiterkrankungen

Operationsverfahren

Carotis-Thrombendarteriektomie (Carotis-TEA; Karotisendarteriektomie, CEA)

  • Standardverfahren bei hochgradiger A. carotis-Stenose (70-99 %)
  • Indikation: Patienten nach retinaler Ischämie (Minderdurchblutung der Netzhaut) (Minderdurchblutung der Netzhaut), transitorischer ischämischer Attacke (TIA, vorübergehende Durchblutungsstörung des Gehirns) oder nicht behinderndem Schlaganfall
  • Auch bei einer symptomatischen Stenose von 50-69 % empfehlenswert, sofern kein erhöhtes OP-Risiko besteht.
  • Durchführung in spezialisierten Zentren mit einer Komplikationsrate unter 3 %

Carotis-Stenting (CAS; Carotisstent-Implantation, TCAR)

Indiziert bei:

  • Symptomatischen Patienten mit einer 50–99%igen Carotisstenose und normalem OP-Risiko (nach individueller Abwägung, S3-Leitlinie)
  • Erhöhtem Operationsrisiko (z. B. schwere Begleiterkrankungen, frühere CEA mit Komplikationen)
  • Kontralateraler Parese des N. laryngeus recurrens (Rückläufiger Kehlkopfnerv)
  • Radiogener Stenose (durch ionisierende Strahlung bedingte Arterienverengung)
  • Schwierigen anatomischen Verhältnissen (z. B. hoch liegende Stenosen oder intrathorakale Lage)
  • Höhergradiger intrakranieller oder intrathorakaler Stenose
  • Tandemstenose (zwei aufeinanderfolgende Stenosen in einer Arterie)
  • Zustand nach CEA

Postoperative Nachsorge

  • Thrombozytenaggregationshemmung mit Acetylsalicylsäure (ASS)
  • Optimierung vaskulärer Risikofaktoren (medikamentös und nichtmedikamentös)
  • Regelmäßige Duplexsonographie-Kontrollen zur Erfassung von Restenosen

Mögliche Komplikationen

  • Periprozeduraler Schlaganfall (Risiko abhängig vom Zentrum < 6 % für CAS, < 3 % für CEA)
  • Restenose oder Thrombose der Carotisarterie
  • Blutung im Operationsgebiet
  • Schädigung des N. hypoglossus (Zungennerv) oder N. vagus (Hauptnerv des Parasympathikus) (mögliche Sprach- und Schluckstörungen)
  • Kardiale Komplikationen bei prädisponierten Patienten

Vergleich der Operationsmethoden

Verfahren Vorteil Nachteil
Carotis-Thrombendarteriektomie (CEA; operative Entfernung von Ablagerungen der Halsschlagader) Bessere Langzeitergebnisse, geringeres Rezidivrisiko Erhöhtes Risiko für periprozedurale Nervenläsionen
Carotis-Stenting (CAS) Geringere Invasivität, Alternative bei Hochrisikopatienten Höheres Risiko für periprozedurale Schlaganfälle

Beachte: Nach fünf Jahren Verlaufszeit zeichneten sich Patienten mit asymptomatischer schwerer Carotisstenose in Bezug auf Carotis-Stentimplantation und operative Thrombendarteriektomie durch ein gleiches Nutzen/Risikoprofil aus [5].

Transkarotis-Revaskularisation (TCAR) bei Personen mit niedrigem bis moderatem Op.-Risiko versus Karotisendarteriektomie (CEA) [6]:

  • kombinierte Rate von Schlaganfällen jeglicher Art, Tod und Herzinfarkten innerhalb der ersten 30 Tage sowie von Tod und ipsilateralen Schlaganfällen im ersten Jahr nach der Prozedur mit 3,0 % (TCAR) und 2,6 % (CEA) war ähnlich hoch.
  • Schlaganfallrate war mit TCAR (1,6 %) jedoch signifikant höher als per CEA (1,1 %).

Weitere Hinweise

  • Eine Langzeitstudie (10 Jahre) zeigte, dass das Carotis-Stenting (Implantation eines Stents in der Carotis) bei Patienten mit einer symptomatischen Carotisstenose diese ebenso gut vor einem späteren Apoplex (Schlaganfall) schützen wie die klassische Carotis-Thrombendarteriektomie (CEA), bei der die verengte Arterie ausgeschält wird, d. h. die Kalkablagerungen chirurgisch entfernt werden [1].
    Die Stent-Gruppe zeigte jedoch nach fünf Jahren eine Risikoerhöhung von 71 % (kumulatives Risiko für Endarterektomie: 9,4 % versus 15,2 % für Carotis-Stenting). 
  • Die 10-Jahres-Follow-up der CREST-Studie zeigte bei Patienten mit Carotisstenose keinen Unterschied zwischen Stent und Thrombendarteriektomie (TEA). Primärer Endpunkt der Studie war Apoplex (Schlaganfall), Myokardinfarkt (Herzinfarkt) und Tod jeglicher Ursache. Ergebnis nach 10 Jahren: Ereignisrate Stent-Gruppe 11,8 % und in der TEA-Gruppe 9,9 % [4].
  • Eine weitere Studie auf Grundlage einer Datenbank des staatlichen US-Versicherers Medicare stellt den Nutzen von Carotis-Stents in Frage [2]:
    • 1,7 % der Patienten starben bereits noch in der Klinik oder in den ersten 30 Tagen postoperativ (nach der Operation)
    • 3,3 % erlitten in der oben genannten Zeit eine TIA (transitorische ischämische Attacke; vorübergehende Durchblutungsstörung des Gehirns) oder einen Apoplex (Schlaganfall), 2,5 % einen Myokardinfarkt (Herzinfarkt)
    • 2 Jahre nach der Stentimplantation waren 37 % der symptomatischen und 28 % der asymptomatischen Stenose-Patienten tot.
    Möglicherweise erklärt die schlechte Prognose das hohe Durchschnittsalter von 76 Jahren und die damit verbundenen Komorbiditäten (Begleiterkrankungen). Die Zwei-Jahres-Mortalitätsrate (Sterberate) der über 80-Jährigen lag bei knapp 42 %.
  • Der gemeinsame Bundesausschuss (GBA) schließt 2016 intrakranielle Stents zur Apoplexprophylaxe für Patienten mit symptomatischen intrakraniellen arteriellen Stenosen als Kassenleistung aus der Versorgung aus. Das vom GBA beauftragte Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) stellte eine deutliche Erhöhung der periprozeduralen Schlaganfälle bei dieser Patientengruppe fest.
  • Beachte: Eine chronische Carotisstenose, die sich über viele Jahre langsam entwickelt, führt seltener als bislang angenommen zu einem Apoplex.
    Gemäß einer Studie mit 3.681 Patien­ten mit einer Carotisstenose, die seit 1995 behandelt wurden, hatten 316 Patienten bereits eine verschlossene Art. carotis, als sich die Patienten in der Klinik vorstellten. Nur ein einziger Patient
    (0,6 %) davon hatte zuvor einen Apoplex erlitten. Drei weitere Patienten (0,9 %) erlitten während der weiteren Beobachtung (bis August 2014) einen Apoplex [3].
  • Nach CEA oder CAS liegt die Mortalität (Sterberate) zwischen 2-5 % innerhalb des ersten Jahres. Hinsichtlich der Langzeitmortalität (Langzeit-Sterberate) finden sich keine Unterschiede zwischen CEA und CAS [S3-Leitlinie].

Fazit

  • Die Carotis-Thrombendarteriektomie (CEA, operative Entfernung von Ablagerungen in der Halsschlagader) bleibt die Standardtherapie für Patienten mit einer symptomatischen hochgradigen Carotisstenose.
  • Carotis-Stenting (CAS) ist eine geeignete Alternative für Hochrisikopatienten oder Patienten mit anatomischen Besonderheiten.
  • Eine sorgfältige Patientenselektion und Behandlung in spezialisierten Zentren ist essenziell zur Minimierung des periprozeduralen Risikos und zur Maximierung des Langzeiterfolgs.

Beachte: GKV-Versicherte haben ab Herbst 2025 vor Carotisstenose-Eingriffen einen Anspruch auf eine ärztliche Zweitmeinung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat seine entsprechende Richtlinie erweitert.

Literatur

  1. Bonati LH et al.: Long-term outcomes after stenting versus endarterectomy for treatment of symptomatic carotid stenosis: the International Carotid Stenting Study (ICSS) randomised trial Lancet (2014); doi: 10.1016/S0140-6736(14)61184-3
  2. Jalbert JJ et al.: Outcomes After Carotid Artery Stenting in Medicare Beneficiaries, 2005 to 2009. JAMA Neurol 2015; ePub January 12, doi:10.1001/jamaneurol.2014.3638
  3. Yang CY et al.: Risk of Stroke at the Time of Carotid Occlusion. JAMA Neurol. Published online September 21, 2015. doi:10.1001/jamaneurol.2015.1843
  4. Brott TG et al.: Long-Term Results of Stenting versus Endarterectomy for Carotid-Artery Stenosis. N Engl J Med. 2016 Feb 18. doi: 10.1056/NEJMoa1505215
  5. Halliday s. et al.: Second asymptomatic carotid surgery trial (ACST-2): a randomised comparison of carotid artery stenting versus carotid endarterectomy. Lancet 2021, online 29. August 2021 doi: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(21)01910-3
  6. Liang P et al.: Risk of Stroke, Death, and Myocardial Infarction Following Transcarotid Artery Revascularization vs Carotid Endarterectomy in Patients With Standard Surgical Risk. JAMA Neurol 2023; https://doi.org/10.1001/jamaneurol.2023.0285

Leitlinien

  1. Aboyans V, Ricco JB, Bartelink MEL et al.: 2017 ESC Guidelines on the Diagnosis and Treatment of Peripheral Arterial Diseases, in collaboration with the European Society for Vascular Surgery (ESVS). Document covering atherosclerotic disease of extracranial carotid and vertebral, mesenteric, renal, upper and lower extremity arteries. European Heart Journal 2017; doi:10.1093/eurheartj/ehx095
  2. S3-Leitlinie: Diagnostik, Therapie und Nachsorge der extracraniellen Carotisstenose. (AWMF-Registernummer: 004-028), Februar 2020 Kurzfassung Langfassung