Hämochromatose – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Hämochromatose ist eine Erkrankung, die durch eine abnorme Ablagerung von Eisen im Körper gekennzeichnet ist. Dieser Zustand entsteht entweder durch einen genetischen Defekt, der zu einer erhöhten Eisenresorption führt, oder sekundär als Folge einer Grunderkrankung. Die krankhafte Anreicherung von Eisen kann schließlich zu Funktionsstörungen der betroffenen Organe führen, insbesondere der Leber, des Pankreas (Bauchspeicheldrüse) und des Herzens.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

  • Genetische Hämochromatose (primäre Form)
    • Diese Form wird autosomal-rezessiv vererbt, wobei in Europa der Typ 1 (Mutation im HFE-Gen) am häufigsten vorkommt. Weitere genetische Formen (Typ 2, 3, 4 und 5) sind ebenfalls bekannt, jedoch seltener.
    • Der genetische Defekt führt zu einer abnormal hohen Eisenresorption über die Darmmukosa, die nicht durch den physiologischen Mechanismus der Eisenregulation ausgeglichen wird.
    • Aufgrund der erhöhten Resorption lagert sich das überschüssige Eisen in verschiedenen Organen ab, was über die Zeit zu Funktionsverlust und Organveränderungen führt.
  • Sekundäre Hämochromatose (erworbene Form)
    • Diese Form tritt als Folge anderer Grunderkrankungen auf, wie beispielsweise chronischen Lebererkrankungen (z. B. Alkoholismus, Hepatitis) oder häufigen Bluttransfusionen, die zu einem Übermaß an Eisen führen.
    • Das exzessive Eisen wird ebenfalls im Gewebe eingelagert, da der Körper keine effektiven Mechanismen besitzt, überschüssiges Eisen auszuscheiden.
  • Eisenhaushalt und Dysregulation
    • Der normale Körperbestand an Eisen beträgt etwa 3-4 g, und die täglichen Verluste (ca. 1-1,5 mg) werden üblicherweise über die Eisenaufnahme im Darm ausgeglichen.
    • Bei der Hämochromatose kommt es jedoch zu einer erhöhten Resorption, die die regulären Verluste übersteigt, was zu einem kontinuierlichen Eisenüberschuss im Körper führt.

Sekundäre pathophysiologische Veränderungen

  • Organische Eisenablagerung und Gewebeschäden:
    • Das überschüssige Eisen wird bevorzugt in der Leber, dem Pankreas und dem Herzen abgelagert. Dies kann zur Entstehung von Fibrosen (Narbenbildung) führen und erhöht das Risiko für Leberzirrhose und Hepatozelluläres Karzinom (Leberkrebs).
    • Im Pankreas führt die Eisenablagerung zu Diabetes mellitus („Bronzediabetes“) aufgrund der Schädigung insulinproduzierender Zellen.
    • Herzablagerungen erhöhen das Risiko für Herzinsuffizienz und Arrhythmien.
  • Beeinträchtigung des Eisenstoffwechsels:
    • Bei chronischem Eisenüberschuss kommt es zu einem Anstieg des Serumferritins (Speicherform des Eisens) und des Transferrins, was zu einer chronischen Eisenüberladung führt und oxidative Prozesse begünstigt.

Klinische Manifestation

Leitsymptome

  • Schwäche und Müdigkeit: Typische Symptome in frühen Stadien der Hämochromatose.
  • Hyperpigmentierung („Bronzehaut“): Dunkle Hautfarbe, besonders ausgeprägt bei fortgeschrittener Hämochromatose.

Fortgeschrittene Symptome

  • Leberzirrhose und Leberfunktionsstörungen: Spätfolge der Eisenablagerung in der Leber.
  • Diabetes mellitus: Durch Eisenablagerungen im Pankreas.
  • Kardiomyopathie: Herzfunktionsstörungen, Herzinsuffizienz (Herzschwäche) und Rhythmusstörungen.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Hämochromatose führt durch gesteigerte Eisenresorption zu einer abnormen Eisenablagerung in Organen, was auf genetische Defekte oder sekundäre Ursachen zurückzuführen ist. Die fortschreitende Speicherung von Eisen kann zu schweren Organschäden, einschließlich Leberzirrhose, Diabetes und Kardiomyopathie, führen. Ein frühzeitiges Erkennen und Behandeln der Erkrankung ist entscheidend, um irreversible Schäden zu verhindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung
    • Genetisches Risiko abhängig von Genpolymorphismen:
      • Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
        • Gene: HFE
        • SNP: rs1800562 im Gen HFE
          • Allel-Konstellation: AG (Träger der Hämochromatose)
          • Allel-Konstellation: AA (verursacht Hämochromatose)
        • SNP: rs1799945 im Gen HFE
    • Genetische Erkrankungen
      • Acoeruloplasminämie – genetische Erkrankung mit sowohl autosomal-rezessivem als auch autosomal-dominantem Erbgang; Fehlen des Proteins Coeruloplasmin; im Krankheitsverlauf kommt es durch Ausfall der Oxidation von Fe2+ zu Fe3+ zu einer erhöhten Anreicherung von toxischem zweiwertigem Eisen im Körper, insb. im Gehirn, der Leber und dem Pankreas (Bauchspeicheldrüse), aber auch in anderen Organen und Gewebe; häufig klinische Trias: retinale Degeneration (Degeneration der Netzhaut; ca. 93 %), Diabetes mellitus (ca. 89 %) und neurologische Symptome (ca. 73 %) wie Ataxie, unwillkürliche Bewegungen und Demenz; häufig liegt auch eine Anämie (Blutarmut; ca. 80 %) vor.
      • Hereditäre Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit) – genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang mit vermehrter Ablagerung von Eisen als Folge einer erhöhten Eisenkonzentration im Blut mit Gewebeschädigung 
      • Kongenitale Atransferrinämie (Synonym: Hypotransferrinämie) – genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang, die zum Transferrin (TF)-Mangel führt; Symptome sind mikrozytäre, hypochrome Anämie (Blutarmut; mit Blässe, Mattigkeit und retardiertem Wachstum) und Eisenüberladung, die unbehandelt zum Tode führen kann.
      • Thalassämie – autosomal-rezessiv vererbbare Synthesestörung der Alpha- bzw. Beta-Ketten des Proteinanteils (Globin) im Hämoglobin (Hämoglobinopathie)/Thalassaemia major (homozygote Form der Thalassämie; sog. Cooley-Anämie)

Krankheitsbedingte Ursachen

Blut, blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)

  • Chronische hämolytische Anämie ‒ Formen der Blutarmut, die mit einer Zerstörung der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) einhergeht
  • Sideroblastische Anämie ‒ sideroblastische Anämie, die auch sideroachrestische Anämie genannt wird, ist eine spezielle Form der aplastischen Anämie (Form der Anämie (Blutarmut), die durch eine Panzytopenie (Verminderung aller Zellreihen im Blut; Stammzellerkrankung) und eine gleichzeitig vorliegende Hypoplasie (Funktionseinschränkung) des Knochenmarks gekennzeichnet ist)

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Porphyria cutanea tarda ‒ angeborene oder erworbene Stoffwechselstörung (Enzymopathie)

Leber, Gallenblase und Gallenwege – Pankreas (Bauchspeicheldrüse) (K70-K77; K80-K87)

  • Hepatitis B (Leberentzündung)
  • Hepatitis C (Leberentzündung)
  • Leberzirrhose ‒ Lebererkrankung, die zu einem schrittweisen bindegewebigen Umbau der Leber mit Funktionseinschränkung führt
  • Nicht-alkoholische Steatohepatitis

Neubildungen – Tumorerkrankungen (C00-D48)

  • Myelodysplastisches Syndrom (MDS) – erworbene klonale Erkrankungen des Knochenmarks, die mit einer Störung der Hämatopoese (Blutbildung) einhergeht; definiert durch [1]:
    • dysplastische Zellen im Knochenmark oder Ringsideroblasten oder eine Vermehrung von Myeloblasten bis 19 %
    • Zytopenien (Verminderung der Anzahl der Zellen im Blut) im peripheren Blutbild
    • Ausschluss von reaktiven Ursachen dieser Zytopenien
    Ein Viertel der MDS-Patienten entwickelt eine akute myeloische Leukämie (AML).

Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)

  • Alkoholmissbrauch

Weitere Ursachen

  • Eisenüberladung bei Personen aus dem südlichen Afrika
  • Ernährungsbedingte Eisenüberladung
  • Neonatale Eisenüberladung ‒ Eisenüberladung des Neugeborenen
  • Parenterale Eisenüberladung ‒ Eisenüberladung durch künstliche Ernährung über die Vene
  • Transfusionsbedingte Eisenüberladung ‒ Eisenüberladung, die durch die Übertragung von Blutkonserven bedingt ist