Hämochromatose – Einleitung

Die Hämochromatose ist eine Erkrankung, die durch eine übermäßige Speicherung von Eisen im Körper gekennzeichnet ist, was zu einer erhöhten Eisenkonzentration im Blut und schädlichen Ablagerungen in verschiedenen Organen führt. Diese Eisenüberladung verursacht Gewebeschäden und kann zu schweren Komplikationen führen, insbesondere in der Leber, im Herzen und in der Bauchspeicheldrüse. Die Erkrankung wird auch als Eisenspeicherkrankheit oder Siderose bezeichnet.

Theasurussynonyma und ICD-10: Arthritis bei Hämochromatose; Arthropathie bei Hämochromatose; Bronzediabetes; Ceelen-Gellerstedt-Syndrom; Diabetische Hämochromatose; Diätetische Hämosiderose; Eisenspeicherungskrankheit; Eisenstoffwechselkrankheit; Eisenstoffwechselstörung; Eisenverwertungsstörung; essentielle braune Lungeninduration; Hämochromatose; Hämochromatose der Leber; Hämochromatose des Myokards; Hämosiderinablagerung; Hämosiderinspeicherung; Hämosiderose; Hanot-Chauffard-Syndrom; Hereditäre Hämochromatose; Lungenhämosiderose; Lungenhämosiderotische Anämie; Pigmentzirrhose der Leber; Plasmahämosiderose; primär idiopathische Hämochromatose; Pseudohämorrhagische Anämie; Pulmonale idiopathische Hämosiderose; sekundäre Hämochromatose; Siderophilie; Troisier-Hanot-Chauffard-Syndrom; Von-Recklinghausen-Applebaum-Syndrom; ICD-10-GM E83.1: Störungen des Eisenstoffwechsels

Die EASL-Guidelines definieren die Hämochromatose wie folgt [s. u. Leitlinien]:

  • genetische Erkrankung, die primär durch eine erhöhte Transferrinsättigung und einer Neigung zur Entwicklung einer Eisenüberladung der Leber gekennzeichnet ist.

Charakteristische Laborbefunde

  • Erhöhte Transferrinsättigung: Ein Hinweis auf eine erhöhte Eisenaufnahme, typischerweise über 45 %.
  • Erhöhtes Serumferritin: Ein Marker für die Eisenspeicherung im Körper, meist über 300 µg/l bei Männern und über 200 µg/l bei Frauen.
  • Erhöhte Leberenzyme (ALT, AST): Deuten auf eine Leberschädigung durch Eisenablagerungen hin.
  • Genetische Tests: Nachweis von Mutationen im HFE-Gen, insbesondere C282Y und H63D, die für die hereditäre Hämochromatose verantwortlich sind.

Formen der Erkrankung

  • Angeborene bzw. hereditäre Hämochromatose (HH): Diese primäre Form der Hämochromatose ist genetisch bedingt und wird autosomal-rezessiv vererbt. Es gibt mehrere Typen, wobei der Typ 1 (Mutation im HFE-Gen) in Europa am häufigsten vorkommt.
  • Erworbene Hämochromatose (sekundäre Hämochromatose): Diese Form tritt infolge einer erhöhten oralen oder parenteralen Eisenzufuhr auf, oft durch Bluttransfusionen. Sekundäre Hämochromatosen sind häufig bei chronischen Anämien (Blutmangelerkrankungen) wie der Sichelzellenanämie oder der aplastischen Anämie zu finden.

Die hereditäre Hämochromatose ist eine der häufigsten genetisch bedingten Erkrankungen. Sie ist die häufigste monogene Erkrankung im Erwachsenenalter.

Ursachen

  • Genetische Ursachen: Die hereditäre Hämochromatose wird durch Mutationen im HFE-Gen verursacht, die zu einer gestörten Regulation der Eisenaufnahme führen.
  • Erworbene Ursachen: Sekundäre Hämochromatose kann durch wiederholte Bluttransfusionen, übermäßige Eisenaufnahme durch die Nahrung oder andere Erkrankungen, die eine erhöhte Eisenabsorption fördern, verursacht werden.

Differentialdiagnosen

  • Sekundäre Eisenüberladung: Aufgrund von häufigen Bluttransfusionen oder chronischen hämolytischen Anämien.
  • Porphyria cutanea tarda: Eine Lebererkrankung, die durch eine gestörte Häm-Synthese und sekundäre Eisenüberladung gekennzeichnet ist.
  • Wilson-Krankheit: Eine genetische Erkrankung, die zu einer Kupferüberladung im Körper führt und ähnlich wie Hämochromatose zu Leberschäden führt.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer sind etwa zehnmal häufiger betroffen als Frauen, was auf den regelmäßigen Eisenverlust bei Frauen im gebärfähigen Alter (z. B. durch Menstruation) zurückgeführt wird.

Häufigkeitsgipfel:
Die hereditäre Hämochromatose (Typ 1) manifestiert sich typischerweise zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr.

Inzidenz
(Häufigkeit von Neuerkrankungen): Die Inzidenz der hereditären Hämochromatose (Typ 1) beträgt etwa 1 Erkrankung pro 1.000 Einwohner (insbesondere bei Menschen kaukasischer Abstammung).

Verlauf und Prognose

Verlauf

Die Hämochromatose kann in verschiedenen Stadien verlaufen, die durch unterschiedliche klinische Merkmale und Komplikationen gekennzeichnet sind:

Frühes Stadium

  • Symptomlosigkeit: In den frühen Stadien der Hämochromatose sind die meisten Patienten asymptomatisch. Eisenüberladung kann über Jahre hinweg fortschreiten, ohne dass der Patient Symptome bemerkt.
  • Leichte Symptome: Wenn Symptome auftreten, sind sie oft unspezifisch und können Müdigkeit, Gelenkschmerzen und allgemeines Unwohlsein umfassen.

Mittleres Stadium

  • Organschäden: Mit fortschreitender Erkrankung beginnt das überschüssige Eisen, sich in verschiedenen Organen abzulagern, was zu spezifischen Symptomen führt. Die am häufigsten betroffenen Organe sind die Leber, das Herz, die Bauchspeicheldrüse und die Haut.
  • Leberveränderungen: Eine Hepatomegalie (Lebervergrößerung) kann sich entwickeln, begleitet von erhöhten Leberenzymen.

Fortgeschrittenes Stadium

  • Lebererkrankungen: Chronische Eisenüberladung führt zu Leberfibrose und schließlich zu Leberzirrhose. Dies erhöht das Risiko für die Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms (Leberkrebs).
  • Diabetes mellitus: Die Ablagerung von Eisen in der Bauchspeicheldrüse kann zur Entwicklung eines Diabetes mellitus führen, oft als "Bronzediabetes" bezeichnet.
  • Kardiomyopathie: Eisenablagerungen im Herzen können zu Kardiomyopathie (Herzmuskelerkrankung), Herzrhythmusstörungen und Herzinsuffizienz (Herzschwäche) führen.
  • Gelenkbeschwerden: Arthropathien (Gelenkerkrankung), insbesondere in den Händen, sind häufig und können zu chronischen Schmerzen und Funktionsverlust führen.
  • Hyperpigmentierung: Die Haut kann aufgrund von Eisenablagerungen eine bronzeartige Färbung annehmen.

Prognose

Die Prognose der Hämochromatose hängt stark von der rechtzeitigen Diagnose und Behandlung ab:

Rechtzeitige Diagnose und Behandlung

  • Phlebotomie: Durch regelmäßige Aderlässe kann das überschüssige Eisen effektiv aus dem Körper entfernt werden, was die Prognose erheblich verbessert. Die frühzeitige und konsequente Durchführung von Phlebotomien kann das Fortschreiten der Organveränderungen verhindern oder verlangsamen.
  • Lebensqualität: Patienten, die früh diagnostiziert und behandelt werden, können eine normale Lebenserwartung und Lebensqualität erreichen.

Unbehandelte oder verspätet behandelte Hämochromatose

  • Irreversible Schäden: Wenn die Krankheit in einem späten Stadium diagnostiziert wird oder die Behandlung unzureichend ist, können irreversible Schäden an Leber, Herz und anderen Organen auftreten.
  • Komplikationen: Fortgeschrittene Leberzirrhose erhöht das Risiko für Leberkrebs und andere schwere Komplikationen. Herzinsuffizienz (Herzschwäche) und Diabetes mellitus können zu einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität und einer verkürzten Lebenserwartung führen.

Spezifische Risiken

  • Leberkrebs: Bei Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung aufgrund von Hämochromatose besteht ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms, auch wenn die Eisenüberladung durch Phlebotomie behandelt wird.
  • Diabetes und Herzkrankheiten: Diese Erkrankungen können trotz Behandlung fortbestehen oder sich verschlimmern, was eine kontinuierliche medizinische Überwachung und Therapie erfordert.

Die Hämochromatose ist eine ernste Erkrankung, die ohne rechtzeitige Diagnose und Behandlung zu erheblichen Gesundheitsproblemen und einer verkürzten Lebenserwartung führen kann. Durch frühzeitige Intervention, insbesondere durch regelmäßige Phlebotomien (Aderlässe) und eine angepasste Ernährung, können viele der langfristigen Komplikationen vermieden oder gemindert werden. Eine kontinuierliche Überwachung und individuelle Anpassung der Therapie sind entscheidend für eine gute Prognose.

Leitlinien

  1. European Association for the Study of the Liver. EASL Clinical Practice Guidelines on haemochromatosis. EASL Mai 2022. doi.org/10.1016/j.jhep.2022.03.033
  2. S2k-Leitlinie: Nicht-alkoholische Fettlebererkrankungen. (AWMF-Registernummer: 021-025), Februar 2022 Langfassung