Brustschmerzen (Thoraxschmerz) – Symptome – Beschwerden

Folgende Symptome und Beschwerden können gemeinsam mit Thoraxschmerz (Brustschmerzen) auftreten:

Leitsymptome
Diese Leitsymptome lenken den Verdacht auf spezifische Erkrankungen im Zusammenhang mit Brustschmerzen:

  • Den Brustkorb einengend: Dieses Symptom ist sehr häufig und tritt bei etwa 60-80 % der Patienten mit Thoraxschmerzen auf, besonders bei Herzproblemen.
  • Die Atmung behindernd: Dyspnoe (Atemnot) tritt häufig bei Patienten mit Brustschmerzen auf und betrifft etwa 50-60 % der Betroffenen. Besonders bei Herz- und Lungenproblemen ist dieses Symptom häufig.
  • Stechender, brennender oder reißender Schmerz: Diese Art des Schmerzes wird von etwa 40-50 % der Patienten mit Thoraxschmerzen beschrieben und kann auf verschiedene Ursachen, einschließlich Rippenprobleme oder muskuläre Beschwerden, hindeuten.
  • Ausstrahlung in andere Körperregionen (z. B. Arm, Hand, Hals etc.): Ausstrahlender Schmerz tritt bei etwa 30-40 % der Patienten auf und ist typisch bei Herzursachen wie einem Herzinfarkt.
  • Auftreten nach Belastung, nach einer Mahlzeit: Brustschmerzen nach Belastung oder einer Mahlzeit sind weniger häufig, betreffen jedoch etwa 20-30 % der Betroffenen. Diese Art der Schmerzen kann auf gastrointestinale oder kardiale Probleme hinweisen.

Begleitsymptome (sekundäre Symptome)
Diese Begleitsymptome sind weniger charakteristisch und können auf Komplikationen hinweisen:

  • Nausea (Übelkeit): Tritt bei etwa 20-30 % der Patienten auf, besonders bei denen mit gastrointestinale (den Magen-Darm-Trakt betreffende) oder kardiale (das Herz betreffende) Ursachen der Brustschmerzen.
  • Emesis (Erbrechen): Tritt bei etwa 10-15 % der Patienten mit Brustschmerzen auf, insbesondere wenn die Ursache mit dem Magen-Darm-Trakt oder einer Herzerkrankung zusammenhängt.

Unspezifische Symptome
Diese unspezifischen Symptome treten bei vielen Erkrankungen auf und tragen weniger zur Diagnose bei:

  • Schwäche und Unwohlsein: Diese unspezifischen Symptome werden bei etwa 30-40 % der Patienten beobachtet, die an Brustschmerzen leiden.

Akutes Koronarsyndrom (ACS oder AK)

Leitsymptome
Diese Leitsymptome lenken den Verdacht auf ein akutes Koronarsyndrom (ACS) und werden oft zuerst bemerkt:

  • Brustschmerzen: Dies ist das häufigste Symptom bei einem akuten Koronarsyndrom und betrifft sowohl Männer als auch Frauen. Die Schmerzen werden oft als drückend oder einengend beschrieben und können in den linken Arm, den Hals, den Rücken oder den Kiefer ausstrahlen. Bei etwa 80-90 % der Männer und Frauen steht dieses Symptom im Vordergrund.
  • Dyspnoe (Atemnot): Besonders bei Frauen kann Atemnot ein prominentes Symptom sein. Dies betrifft etwa 30-40 % der Frauen mit ACS.

Hauptsymptome (primäre Symptome)
Diese Hauptsymptome prägen das klinische Bild des akuten Koronarsyndroms:

  • Übelkeit (Nausea) und Erbrechen (Emesis): Häufiger bei Frauen im Vordergrund stehend; etwa 20-30 % der Frauen

Begleitsymptome (sekundäre Symptome)
Diese Begleitsymptome sind weniger charakteristisch und können auf Komplikationen hinweisen:

  • Schweißausbrüche: Kaltschweißigkeit ist häufig ein Zeichen für ein akutes Koronarsyndrom und wird bei etwa 30-40 % der Patienten beobachtet.
  • Schwächegefühl und Schwindel: Besonders bei Frauen treten diese Symptome häufiger auf und werden von etwa 20-30 % der Betroffenen berichtet.

Unspezifische Symptome
Diese unspezifischen Symptome treten bei vielen Erkrankungen auf und tragen weniger zur Diagnose bei:

  • Allgemeines Unwohlsein

Hinweis: Der Begriff akutes Koronarsyndrom (ACS, engl.: acute coronary syndrome) umfasst die Krankheitsbilder instabile Angina pectoris, Myokardinfarkt (Herzinfarkt) und den plötzlichen Herztod (PHT).

Bei jedem Patienten mit akutem Thoraxschmerz ist eine umgehende Entscheidung zu fällen:

  • kardial – nichtkardial (extrakardial)
  • akut (instabil) – chronisch (stabil)
  • potentiell lebensbedrohlich – benigne (gutartig)

Kardial- versus nichtkardial-bedingte Thoraxschmerzen

  Kardial Nichtkardial
Qualität    Thorax einengend Schmerz wie Messerstich, einschießend
 Dumpfer Druck, retrosternal (hinter dem Brustbein); Beklemmung  
 Besserung auf Nitroglycerin  
Lokalisation    retrosternal; links-/rechtsthorakal abhängig vom betroffenen Organ
Ausstrahlung in die linke Schulter, linker Arm (ca. 50 % der Fälle) und linker Hand; ebenso möglich Hals-, Kiefer- und Oberbauchschmerzen häufig präzise lokalisierbar
  wandernd (bei Aortendissektion)
Dauer Minuten (selten ≥ 20 min) sehr variabel (Sekunden bis Stunden)

 Siehe dazu auch unten unter Warnzeichen (red flags).

Der "Marburger Herz-Score" unterstützt bei der differentialdiagnostischen Abklärung des Thoraxschmerzes in einer hausärztlichen Praxis [1]*

Marburger Herz-Score [3]

Merkmal Punktezahl 
Geschlecht und Alter
(Männer ≥ 55 Jahre; Frauen ≥ 65 Jahre)
1
Bekannte vaskuläre Erkrankung 1
Beschwerden belastungsabhängig 1
Schmerzen sind durch Palpation nicht reproduzierbar. 1
Patient vermutet Herzkrankheit als Ursache. 1

 

Punkte  Wahrscheinlichkeit KHK  
 0-1  < 1 %  sehr gering
 2  5 %  gering
 3  25 %  mittel
 4-5  65 %  hoch

Bei 0 - 2 Punkten: nichtkardiale Ursachen annehmen!

Weitere Hinweise

  • Einengender retrosternaler Druckschmerz ("hinter dem Brustbein") mit Ausstrahlung in Schulter, Arme oder Rücken → denken an: Myokardinfarkt (Herzinfarkt)
    Hinweis: Die Ausstrahlung in den rechten oder beider Arme weist eine höhere Spezifität auf als die Ausstrahlung in die linke Schulter/Arm (ca. 50 % der Fälle) [2]
  • Pleuritischer Schmerz (scharf) und Verstärkung bei Husten und tiefer Inspiration (Einatmung) → denken an: pulmonale (lungenbedingte) bzw. extrakardiale ("außerhalb des Herzens") Genese (Lungenembolie, Pneumothorax (Lungenkollaps, der noch durch einen Ventilmechanismus kompliziert wird), Pneumonie (Lungenentzündung), Pleuritis (Rippenfellentzündung), Perikarditis (Herzbeutelentzündung))
  • Beachte: Kriterien einer vitalen Bedrohung des Patienten (s. u. "Körperliche Untersuchung").

Warnzeichen (red flags)

  • Anamnestische Angaben:
    • Thoraxschmerzen zwischen Mitternacht und 9 Uhr morgens → akutes Koronarsyndroms* (ACS) (12 %); ST-Hebungsinfarkt (STEMI) (25 %), Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) (ca. 50 %); Effekt der Tageszeit bei den Männern war deutlicher ausgeprägt: Die frühen Anrufer hatten 2,3-mal so oft ein ACS wie Anrufer nach 9 Uhr morgens; bei den Frauen war ein ACS vor 9 Uhr nur 1,3-mal so häufig [5].
    • Heftiges Erbrechen/Bluterbrechen (Hämatemesis→ denken an: Ösophagusruptur (Speiseröhrenriss; war ein endoskopischer Eingriff?)/Boerhaave-Syndrom* (Ruptur des distalen, zumeist thorakalen Ösophagus nach heftigem Erbrechen?)
    • Hypertonie (Bluthochdruck) → denken an: Aortendissektion* (akute Aufspaltung (Dissektion) der Wandschichten der Aorta (Hauptschlagader)), Myokardinfarkt (Herzinfarkt)
    • Lange Immobilisation, Z. n. Operation; bekannte Thrombophilie → denken an: Lungenembolie*
    • Schmerzen:
      • Angina pectoris ("Brustenge"; plötzlich auftretender Schmerz in der Herzgegend) → denken an: Akutes Koronarsyndrom (AKS bzw. ACS, acute coronary syndrome; Spektrum von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, das von der instabilen Angina pectoris (iAP; engl unstable angina, UA) bis zu den beiden Hauptformen des Myokardinfarkts (Herzinfarkt), dem Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und dem ST-Hebungsinfarkt (STEMI), reicht)*, Koronare Herzkrankheit/Herzkranzgefäßerkrankung (KHK)
      • Bluterbrechen/Kaffeesatzerbrechen (Hämatemesis), Hautemphysem (freie Luft unter der Haut) → denken an: Ösophagusperforation 
      • Schmerzausstrahlung (Hals, Kiefer, Schulter, Arm(e), Oberbauch) → denken an: ACS, KHK
    • Trauma → denken an: Spannungspneumothorax* (lebensbedrohliche Form des Pneumothorax, bei der es durch einen erhöhten Druck im Pleuraraum zu Problemen mit dem Blutfluss zum Herzen sowie zur eingeschränkten Ausfaltung der gegenseitigen Lunge kommt)
  • Klinische Zeichen:
    • Atmung
      • Ruhedyspnoe (Atemnot unter Ruhebedingungen)
        • in Kombination mit atemsynchronen Schmerz → denken an: Lungenembolie
      • Tachypnoe (> 20 Atemzüge/min) + feuchte Rasselgeräusche (RGs) → denken an: Linksherzinsuffizienz (Herzschwäche), Pneumonie (Lungenentzündung)
      • Tachypnoe (> 20 Atemzüge/min) + einseitige fehlendes Atemgeräusch → denken an: Pneumothorax (Lungenkollaps, der noch durch einen Ventilmechanismus kompliziert wird), Pleuraerguss (abnorme Flüssigkeitsansammlung in der Pleurahöhle), Atelektase (fehlende Belüftungen von Lungenabschnitten)
      • Atemabhängige Schmerzen → denken an: Pleuritis (Rippenfellentzündung)
    • Kardial (Herzkreislauf)
      • Herzfrequenz (< 40 bzw. > 100) → denken an: siehe unter Differentialdiagnosen "Herzkreislaufsystem"
    • Haut
      • Blässe → denken an: Schock, Akutes Koronarsyndrom (ACS)
      • Zyanose (Blausucht) → denken an: Hypoxie/Sauerstoffmangel (schwere kardiopulmonale Erkrankung)
    • Zentrales Nervensystem (ZNS)
      • Somnolenz bzw. Sopor (Eintrübung) → denken an: Schock, Hypoxie (Mangelversorgung des Gewebes mit Sauerstoff)

*"big five" (die "großen Fünf")

Beachte: Patienten mit unklarem Thoraxschmerz (Brustschmerzen) zeigten in den fünf Jahren der Nachverfolgung eine deutlich höhere Rate an kardiovaskulären Ereignissen als die Gruppe mit identifizierter nicht koronarer Ursache [4].

Literatur

  1. DEGAM-Leitlinie: Brustschmerz. DEGAM-Leitlinie Nr. 15. Januar 2011. Kurzfassung Langfassung
  2. Body R et al.: The value of symptoms and signs in the emergent diagnosis of acute coronrary syndromes. Resuscitation 2010 Mar;81(3):281-6. doi: 10.1016/j.resuscitation.2009.11.014. Epub 2009 Dec 29.
  3. Bösner S, Haasenritter J, Becker A, Karatolios K, Vaucher P, Gencer B et al.: Ruling out coronary artery disease in primary care: development and validation of a simple prediction rule. CMAJ. 2010 Sep 7;182(12):1295-300. doi: 10.1503/cmaj.100212.
  4. Jordan KP et al.: Prognosis of undiagnosed chest pain: linked electronic health record cohort study. BMJ 2017; 357 doi: https://doi.org/10.1136/bmj.j1194 (Published 03 April 2017)
  5. Wouters LT et al.: Chest discomfort at night and risk of acute coronary syndrome: cross-sectional study of telephone conversations. Family Practice 30 January 2020, cmaa005, https://doi.org/10.1093/fampra/cmaa005

Leitlinien

  1. DEGAM-Leitlinie: Brustschmerz. DEGAM-Leitlinie Nr. 15. Januar 2011. Kurzfassung Langfassungng