Brustschmerzen (Thoraxschmerz) – Medizingerätediagnostik

Obligate Medizingerätediagnostik

  • Erhebung von Vitalparametern (Beachte die Kriterien der vitalen Bedrohung):
    • Wiederholte Blutdruckmessung an beiden Armen mit dem Armumfang angepasster Manschette.
      Beachte: 
      • Vitale Bedrohung, wenn schwere Blutdruckdysregulation (Blutdruck ≤ 90 mmHg systolisch oder ≥ 220/120 mmHg)
      • Blutdruckdifferenz und fokales neurologisches Defizit mit Brustschmerzen → denken an: Aortendissektion (akute Aufspaltung (Dissektion) der Wandschichten der Aorta (Hauptschlagader))
    • Bestimmung der Atemfrequenz und Pulsoxymetrie (Messung der Sauerstoffsättigung (SpO2des arteriellen Blutes sowie der Pulsfrequenz)
      Beachte:
      • Vitale Bedrohung, wenn
        • Tachykardie bzw. Bradykardie (Herzfrequenz > 100/min bzw. < 60/min)
        • Respiratorische Insuffizienz (Ateminsuffizienz/Atemschwäche) (SpO< 90 %)
      • Keine routinemäßige O2-Applikation (Sauerstoffgabe); O2-Gabe, wenn SpO2 ≤ 92 % bei fehlendem Risiko einer Hyperkapnie (erhöhter Kohlendioxidgehalt im Blut); O2-Gabe, wenn der Patient deutlich über Dyspnoe (Atemnot) klagt
    • Körpertemperaturmessung
      • Vitale Bedrohung, wenn Zentralisation, Kaltschweißigkeit
    • Weitere Kriterien der vitalen Bedrohung sind:
      • Bewusstseinsstörung
      • Therapierefraktäre Schmerzen ("nicht ansprechend auf eine Therapie")
  • Elektrokardiogramm (EKG; 12-Kanal-EKG; zusätzlich rechtsventrikuläre Ableitungen bei instabile Patienten und bei unauffälligem 12-Kanal-EKGAufzeichnung der elektrischen Aktivitäten des Herzmuskels) – zur Bestätigung einer kardialen Ischämie (Minderdurchblutung des Herzmuskels) [s. u. "Stadien eines Myokardinfarkts (Herzinfarkt) im EKG"; bei Nachweis einer ST-Hebung im EKG wird die Indikation zur invasiven Abklärung im Herzkatheterlabor gestellt.
    Beachte: 
    • Innerhalb der ersten 10 min nach Erstkontakt sollte unabhängig vom Patientenalter ein 12-Kanal-EKG abgeleitet werden (IB-Indikation)
    • Die benigne frühe Repolarisation ist eine prognostisch gutartige Normalvariante, die häufig bei jüngeren Männern zu finden ist.
    • Ein akutes Koronarsyndrom (AKS bzw. ACS, acute coronary syndrome; Spektrum von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, das von der instabilen Angina pectoris (iAP; engl unstable angina, UA; "Brustenge"; plötzlich auftretender Schmerz in der Herzgegend mit inkonstanter Symptomatik) bis zu den beiden Hauptformen des Myokardinfarkts (Herzinfarkt), dem Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und dem ST-Hebungsinfarkt (STEMI), reicht) kann nicht durch einmalige Bestimmung eines EKGs und Biomarkern (hochsensitives kardiales Troponin T, hs-CTnT) ausgeschlossen werden.]
    Wenn EKG und hs-cTnT negativ, dann werden nur 1,5 % aller Myokardinfarkte übersehen [2]
  • Röntgenaufnahme des Thorax (Röntgen-Thorax/Brustkorb), in zwei Ebenen – bei Verdacht auf pulmonalen Infekt (Lungeninfekt), Pleuritis (Rippenfellentzündung), Pneumothorax (Lungenkollaps, der noch durch einen Ventilmechanismus kompliziert wird), Rippenfraktur (Rippenbruch) etc.
    [Kardiomegalie/Herzvergrößerung?, Infiltrate oder eine pulmonale Stauung vor? Rippenfrakturen, Pleuraergüsse oder ein Pneumothorax]

Fakultative Medizingerätediagnostik in Abhängigkeit von den Ergebnissen der Anamnese, der körperlichen Untersuchung und den obligaten Laborparametern zur differentialdiagnostischen Abklärung

  • Echokardiographie (Echo; Herzultraschall) – bei instabilen Patienten [regionale Wandbewegungsstörungen (WBS) erkennbar?]; bei Verdacht auf Perikarditis/Herzbeutelentzündung, Perikardtamponade/Herztamponade (Komplikation einer Flüssigkeitsansammlung im Herzbeutel)
    [Notfallechokardiographie und Normalbefund: Herzhöhlen in normaler Weite; gute LV-Funktion; kein Perikarderguss; Aorta in normaler Weite]
  • Transösophageale Echokardiographie (TEE; Untersuchung erfolgt über die Speiseröhre (Ösophagus), die in einem Abschnitt direkt neben dem Herzen verläuft) bzw. Angio-Computertomographie (Synonyme: Angio-CT; CT-Angio; Gefäß-CT) – bei Verdacht auf akutes Aortensyndrom (AAS): Krankheitsbilder, die direkt oder indirekt über eine Aortendissektion (Aufspaltung (Dissektion) der Wandschichten der Aorta) zu einer Ruptur ("Riss") führen können.
  • Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD; Spiegelung von Speiseröhre, Magen und Zwölffingerdarm)/Endosonographie (endoskopischer Ultraschall (EUS); Ultraschalluntersuchung, die von innen durchgeführt wird, d. h., dass der Ultraschallkopf mittels eines Endoskops (optisches Instrument) direkt mit der inneren Oberfläche (beispielsweise der Schleimhaut des Magens/Darms) in Kontakt gebracht wird.) bei Verdacht auf:
    • Erkrankungen des Ösophagus (Speiseröhre; z. B. Perforation des thorakalen Ösophagus (iatrogen) nach endoskopischen Eingriff; Boerhaave-Syndrom, d.h. spontaner Einriss des Ösophagus; in der Regel nach massivem Erbrechen; evtl. bei Alkoholexzess)
    • Erkrankungen des Magens (Ulcus ventriculi/Magengeschwür)
    • Erkrankungen des Duodenums (Zwölffingerdarm)
  • Computertomographie des Thorax/Brustkorb (Thorax-CT) bei Verdacht auf Bronchialkarzinom (Lungenkrebs), Lungenembolie, Mediastinitis, Ösophagusruptur/Speiseröhrenriss (Perforation im Rahmen eines Boerhaave-Syndroms)
  • CT-Angiographie (bildgebendes Verfahren – auf der Basis einer Computertomographie – , mit dessen Hilfe Blutgefäße im Körper dargestellt werden) – bei Verdacht auf ein akutes Aortensyndrom
  • Koronar-CT (engl. Cardiac computed tomography angiography, (CCTA); nicht-invasive-Untersuchung, um die Durchgängigkeit der Koronar-Arterien zu untersuchen) – bei akutem Thoraxschmerz zur Erstdiagnostik bei Patienten mit stabiler Angina pectoris zum Ausschluss von Koronararterienstenosen bei intermediärer Vortestwahrscheinlichkeit [1]; des Weiteren bei Verdacht auf: Lungenembolie und Aortendissektion (Synonym: Aneurysma dissecans aortae): akute Aufspaltung (Dissektion) der Wandschichten der Aorta (Hauptschlagader), mit einem Einriss der inneren Schicht der Gefäßwand (Intima) und einer Einblutung zwischen der Intima und der Muskelschicht der Gefäßwand (äußere Media), im Sinne eines Aneurysma dissecans (krankhafte Ausweitung der Schlagader)
  • Magnetresonanztomographie (MRT) der Wirbelsäule (Wirbelsäulen-MRT) – bei Verdacht auf zervikale (die Halswirbelsäule betreffend) Bandscheibenläsion
  • Kardio-MRT (Magnetresonanztomographie des Herzens) – unklare Thoraxschmerzen
    Hinweis: Nicht bei allen Patienten mit den klinischen Zeichen eines Myokardinfarkts finden sich in der Herzkatheteruntersuchung Koronarstenosen (verschlossene Herzkranzgefäße). Ein Kardio-MRT kann in solchen Fällen bei neun von zehn Patienten zur richtigen Diagnose führen [Mitteilung der Deutschen Röntgengesellschaft E. V., 28. 05. 2014]
  • Lungenventilationsszintigraphie/Lungenperfusionsszintigraphie (nuklearmedizinische Untersuchungen) – bei Verdacht auf Lungenembolie
  • Röntgenaufnahmen von Wirbelsäule, Rippen bei Verdacht auf knöcherne Ursache
  • Abdomensonographie (Ultraschalluntersuchung der Bauchorgane) – bei Verdacht auf Cholezystitis (Gallenblasenentzündung) oder Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung)
  • Spirometrie (Basisuntersuchung im Rahmen der Lungenfunktionsdiagnostik) – bei Verdacht auf Asthma bronchiale

Weitere Hinweise

  • Bei Niedrigrisikopatienten helfen Stressecho, Kardio-MRT sowie Belastungs-EKG unnötige Maßnahmen zu vermeiden. Stressecho und Kardio-MRT mündeten deutlich seltener in eine invasive Koronarangiographie* als die initiale CT-Angiographie (Odds Ratio 0,28 bzw. 0,32) Für das Belastungs-EKG lag die OR bei 0,53. Im Vergleich funktionelle Tests versus CT-Angiographie als anatomiebasierter Test wurde hinsichtlich des Herzinfarktrisikos für die Niedrigrisiko-ACS-Patienten eine Number needed to harm von 133 errechnet. Keine der untersuchten Strategien hatte Einfluss auf die Rate der nachfolgenden Herzinfarkte.
    Entsprechend den Autoren und den US-amerikanischen Leitlinienempfehlungen sollten auch bei Patienten mit V. a. stabile Angina pectoris initial funktionelle Tests verwendet werden [3].
    *radiologisches Verfahren, das mit Hilfe von Kontrastmitteln das Lumen (Innenraum) der Koronararterien (Arterien, die kranzförmig das Herz umgeben und den Herzmuskel mit Blut versorgen) sichtbar macht

Stadien eines Myokardinfarkts im EKG

Stadium   Beschreibung Beginn/Dauer
Stadium 0   Überhöhte T-Welle ("Erstickungs-T") Nur kurzfristig zu Beginn des Infarktes darstellbar, daher in der Regel nicht nachweisbar
Stadium I "frisches Stadium" Typische ST-Hebung mit monophasischer Deformierung, T positiv, R klein Q noch klein Nachweisbar nach Minuten bis Stunden/bis eine Woche
Zwischenstadium   Leichte ST-Hebung, T spitz-negativ, Q groß, R klein Beginn/Dauer: 1.-10 Tag; kurz
Stadium II "reaktives Folgestadium" ST-Strecken isoelektrisch oder noch gering angehoben; T-Negativierung und Ausbildung einer Q-Zacke (> 1/4 der R-Zacke + Dauer > 0,03 sec. = Pardee-Q) 3.-7. Tag/6 Monate bis mehrere Jahre
Stadium III "End- oder Narbenstadium", "Restbefund" Pardee-Q sichtbar; ggf. R-Verlust sichtbar 6 Monate bis persistierend

Literatur

  1. Achenbach S et al.: Konsensusempfehlungen der DRG/DGK/DGPK zum Einsatz der Herzbildgebung mit Computertomographie und Magnetresonanztomographie. Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. German Cardiac Society, 2013
  2. Graff LG, Chern CH, Radford M: Emergency physicians’ acute coronary syndrome testing threshold and diagnostic performance: acute coronary syndrome critical pathway with return visit feedback[published Online First: 2014/07/26]. Crit Pathw Cardiol 2014;13:99-103. doi:10.1097/HPC.0000000000000021.
  3. Siontis GCM et al.: Outcomes of non-invasive diagnostic modalities for the detection of coronary artery disease: network meta-analysis of diagnostic randomised controlled trials. BMJ 2018; 360: k452; http://dx.doi.org/10.1136/bmj.k452