Brustschmerzen (Thoraxschmerz) – Einleitung

Thoraxschmerz ist ein unspezifisches Symptom, das als Schmerz oder unangenehmes Druckgefühl im Brustbereich wahrgenommen wird. Die Ursachen können von harmlosen muskuloskelettalen Problemen bis zu lebensbedrohlichen kardiovaskulären oder pulmonalen Erkrankungen reichen. Aufgrund der Vielzahl potenzieller Ursachen ist Thoraxschmerz ein häufiges, aber ernst zu nehmendes Symptom, das eine sorgfältige klinische Abklärung erfordert.

Synonyme und ICD-10: Thoraxschmerzen; Brustkorbschmerzen; Thorakale Schmerzen; Thorakales Schmerzsyndrom; Thorakalgie; Thorakodynie; Thoraxbeschwerden; uncharakteristische Brustschmerzen; ICD-10-GM R07.4: Brustschmerzen, nicht näher bezeichnet

Die US-amerikanische Leitlinie weist darauf hin, dass der Begriff Brustschmerz nicht zu eng gefasst werden sollte. Angina pectoris-ähnliche Beschwerden wie ein Gefühl von Druck, Enge oder andere Missempfindungen in Brust, Schulter-Arm-Region, Nacken, Hals-Unterkiefer-Region, Rücken oder Oberbauch sowie Kurzatmigkeit und Müdigkeit sollten ebenfalls berücksichtigt werden.

Charakteristische Laborbefunde 

Es gibt keine spezifischen Laborbefunde, die allein für Thoraxschmerz charakteristisch sind, da dieser ein Symptom vieler verschiedener Erkrankungen sein kann. Jedoch können folgende Laborparameter bei der Abklärung der zugrunde liegenden Ursache hilfreich sein:

  • Troponin: Erhöhte Werte deuten auf einen akuten Myokardinfarkt (Herzinfarkt) hin.
  • D-Dimer: Erhöhte Werte können auf eine Lungenembolie oder tiefe Venenthrombose hindeuten.
  • BNP oder NT-proBNP: Erhöhte Werte können auf eine Herzinsuffizienz hinweisen.
  • CK-MB (Creatinkinase-MB): Erhöhte Werte deuten ebenfalls auf eine Myokardschädigung (Herzmuskelschädigung) hin.
  • Leukozytenzahl und C-reaktives Protein (CRP): Erhöhte Werte können auf eine infektiöse oder entzündliche Ursache wie Pneumonie oder Perikarditis hinweisen.
  • Blutgasanalyse: Hypoxämie (Sauerstoffmangel) oder Hypokapnie (verringerter Kohlenstoffdioxidpartialdruck (pCO2) im arteriellen Blut) kann auf eine respiratorische Ursache (atmungsbedingte Ursache), wie Lungenembolie oder Pneumothorax (Luft in den Pleuraraum ein, in den Spalt zwischen Lunge und Brustwand), hinweisen.

Formen des Thoraxschmerzes

Nach Ursache

  • Kardiale Ursache (8,5-16 (-30) %): Die Ursache liegt im Bereich des Herzens.
  • Nicht-kardiale Ursache: Beteiligt sind vor allem Lunge, Ösophagus (Speiseröhre) und Muskel- und Skelettsystem – letzteres stellt die häufigste Ursache von Thoraxschmerzen dar.

Fünf Ursachen des Thoraxschmerzes, die als "dramatisch" beschrieben werden:

  1. Akutes Koronarsyndrom (ACS): Spektrum von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, das von der instabilen Angina pectoris (iAP) bis zu den beiden Hauptformen des Myokardinfarkts (Herzinfarkt), dem Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und dem ST-Hebungsinfarkt (STEMI), reicht.
  2. Aortendissektion: Akute Aufspaltung (Dissektion) der Wandschichten der Aorta (Hauptschlagader).
  3. Boerhaave-Syndrom: Spontane Ösophagusruptur (Speiseröhrenriss) durch Erbrechen.
  4. Lungenembolie: Verschluss einer Lungenarterie durch einen Thrombus (Blutgerinnsel).
  5. Spannungspneumothorax: Ansammlung von Luft neben der Lunge, die zu einem gefährlichen Überdruck führt.

Diese fünf Ursachen werden auch als "big five" bezeichnet.

Im hausärztlichen Bereich ist die Ursache der Thoraxschmerzen meist im Bereich der muskuloskeletalen Erkrankungen (rund 49 %) zu finden. Danach folgen kardiovaskuläre (ca. 16 %) und psychogene (ca. 11 %) Störungen sowie andere. In der notärztlichen Versorgung stellen kardiovaskuläre Erkrankungen mit 60 % die Hauptursache für Thoraxschmerzen dar. Ca. 3-6 % aller Notfallpatienten stellen sich mit dem Leitsymptom "Thoraxschmerzen" (chest pain) vor.

Wichtigste Ursachen von Thoraxschmerz

  • Kardiovaskuläre Ursachen
    • Akuter Myokardinfarkt: Plötzlich auftretender, starker Brustschmerz, oft als drückend oder brennend beschrieben.
    • Angina pectoris: Brustschmerz bei körperlicher Anstrengung oder emotionalem Stress aufgrund einer koronaren Herzkrankheit.
    • Perikarditis: Entzündung des Herzbeutels, oft mit stechenden Brustschmerzen, die sich beim Liegen oder Atmen verschlimmern.
    • Aortendissektion: Plötzlicher, heftiger, reißender Schmerz, der häufig in den Rücken oder Bauch ausstrahlt.
  • Pulmonale Ursachen
    • Lungenembolie: Plötzlich auftretender Brustschmerz, oft verbunden mit Atemnot und einem erhöhten D-Dimer-Wert.
    • Pneumothorax: Plötzlich auftretender, scharfer Brustschmerz mit Atemnot, verursacht durch den Kollaps eines Lungenflügels.
    • Pneumonie: Entzündungsbedingter Brustschmerz, oft begleitet von Fieber, Husten und erhöhten Entzündungsparametern.
  • Gastrointestinale Ursachen
    • Refluxkrankheit (GERD): Brennender Schmerz hinter dem Brustbein, oft nach dem Essen.
    • Ösophagusspasmus: Schmerz durch krampfartige Kontraktionen der Speiseröhre, der Myokardinfarkt-ähnlich (Herzinfarkt-ähnlich) sein kann.
    • Gallenkolik: Schmerzen im rechten Oberbauch, die in die Brust ausstrahlen können.
  • Muskuloskelettale Ursachen
    • Rippenfraktur oder Prellung: Lokalisierter Schmerz, der durch Druck auf die betroffene Stelle verstärkt wird.
    • Interkostalneuralgie: Stechende Schmerzen entlang der Rippen, oft durch Bewegung verstärkt.
    • Kostochondritis: Entzündung des Knorpels, der die Rippen mit dem Brustbein verbindet, mit lokalem Druckschmerz.
  • Andere Ursachen
  • Panikattacken: Plötzlich auftretender Brustschmerz, oft begleitet von Hyperventilation, Herzklopfen und Angstgefühlen.
  • Herpes zoster: Schmerz und Hautausschlag entlang eines Dermatomes, oft auf einer Körperseite lokalisiert.

Thoraxschmerzen können viele verschiedene Ursachen haben, die je nach Ursprung in kardiovaskuläre, pulmonale, gastrointestinale, muskuloskelettale und andere Kategorien unterteilt werden können:

Thoraxschmerzen können Symptom vieler Erkrankungen sein (siehe unter "Differentialdiagnosen").

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.

Häufigkeitsgipfel: Das Symptom tritt vorwiegend im mittleren Lebensalter auf, das heißt um 59 Jahre herum (35-93 Jahre, Patienten unter 35 Jahre wurden ausgeschlossen). Auch Kinder leiden unter Thoraxschmerzen. So gaben 6,1 % der Jungen und 7,9 % der Mädchen im Alter zwischen 3 und 17 Jahren an, schon einmal Schmerzen im Brustkorb gehabt zu haben [1].

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) liegt bei 0,7 % (in Deutschland).

Thoraxschmerzen machen rund 1,5 % aller neuen Arzt-Patienten-Kontakte in der Primärversorgung (gesundheitliche Grundversorgung) aus.

Verlauf und Prognose

Verlauf

Thoraxschmerzen können sowohl akut als auch chronisch auftreten. Akute Thoraxschmerzen stellen einen medizinischen Notfall dar, der eine sofortige Diagnostik und Therapie erfordert. Chronische Thoraxschmerzen bedürfen einer detaillierten Abklärung, um die Ursache zu ermitteln und eine adäquate Therapie zu gewährleisten.

Prognose

Die Entscheidung zur stationären Überwachung und weiterführenden Diagnostik hängt von der Präsenz vitaler Bedrohungszeichen, der Verdachtsdiagnose und den verfügbaren diagnostischen Verfahren ab. Bei bestätigtem Verdacht auf ein akutes Koronarsyndrom (ACS) ist eine Einweisung in ein spezialisiertes Krankenhaus mit einer angeschlossenen Chest Pain Unit (CPU) zwingend erforderlich. Dabei muss auf dem Weg zur Notaufnahme eine lückenlose Überwachung sichergestellt sein.

Die Prognose der Thoraxschmerzen ist stark von der zugrunde liegenden Erkrankung abhängig. Am günstigsten ist sie, wenn die Ursache im Muskel- und Skelettsystem liegt.

Ein wichtiger Aspekt ist die Nachsorge von Patienten, die mit der Diagnose „unklarer Brustschmerz“ aus einer Klinik entlassen wurden. Studien haben gezeigt, dass bei etwa 30 % dieser Patienten innerhalb von 180 Tagen nach der Krankenhausentlassung bei einer kardiologischen Untersuchung eine kardiovaskuläre Erkrankung diagnostiziert wurde. Innerhalb eines Jahres starben Männer unter 65 Jahren infolge kardiovaskulärer und nicht kardiovaskulärer Erkrankungen um 53 % häufiger als die Allgemeinbevölkerung. Bei Frauen derselben Altersgruppe war die Gesamtsterberate um 45 % erhöht, wobei die Sterblichkeit durch kardiovaskuläre Erkrankungen unerwartet um 23 % niedriger war als erwartet [2].

Literatur

  1. Du Y, Knopf H, Zhuang W, Ellert U: Pain percieved in a national community sample of German children and adolescents. Eur J Pain 2011; 15 (6): 649-57
  2. Egeland GM et al.: Hospitalised patients with unexplained chest pain: incidence and prognosis J Itern Med. 19 July 2019 https://doi.org/10.1111/joim.12948

Leitlinien

  1. DEGAM-Leitlinie: Brustschmerz. DEGAM-Leitlinie Nr. 15. Januar 2011. Kurzfassung Langfassung
  2. S2k-Leitlinie: Thoraxschmerzen im Kindes- und Jugendalter. (AWMF-Registernummer: 023-003), April 2020 Langfassung
  3. Gulati M et al.: 2021 AHA/ACC/ASE/CHEST/SAEM/SCCT/SCMR Guideline for the Evaluation and Diagnosis of Chest Pain: A Report of the American College of Cardiology/American Heart Association Joint Committee on Clinical Practice Guidelines. Journal of the American College of Cardiology Okober 2021. doi.org/10.1016/j.jacc.2021.07.053