Bluthochdruck (Arterielle Hypertonie) – Anamnese

Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik der Hypertonie (Bluthochdruck) dar.

Familienanamnese

  • Haben Familienangehörige (z. B. Eltern, Großeltern) Hypertonie (Bluthochdruck)?
  • Gibt es in Ihrer Familie Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z. B. Myokardinfarkt (Herzinfarkt), Apoplex (Schlaganfall))?
  • Sind in Ihrer Familie Stoffwechselstörungen wie Diabetes mellitus oder Hyperlipidämien (Fettstoffwechselstörungen) bekannt?

Soziale Anamnese

  • Gibt es Hinweise auf psychosoziale Belastungen (z. B. beruflicher Stress, familiäre Konflikte)?
  • Leben Sie in einem belastenden Umfeld, z. B. mit Lärmexposition (Fluglärm, Straßenlärm)?
  • Haben Sie geregelte Arbeitszeiten oder arbeiten Sie im Schichtdienst?

Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)

  • Haben Sie selbst Blutdruckmessungen durchgeführt? Wenn ja:
    • Wie hoch waren Ihre Werte und über welchen Zeitraum haben diese bestanden?
  • Fühlen Sie sich häufig nervös, gereizt oder gestresst?
  • Haben Sie Kopfschmerzen (z. B. im Hinterkopf, morgens), Schwindel oder Sehstörungen bemerkt?
  • Tritt bei Ihnen Ohrensausen auf?
  • Haben Sie gelegentlich Nasenbluten?
  • Leiden Sie unter Herzklopfen, Herzrasen oder unregelmäßigem Herzschlag?
  • Haben Sie Atemnot? Ist diese belastungsabhängig oder auch in Ruhe vorhanden?*
  • Spüren Sie gelegentlich Brustenge (Angina pectoris)?*
  • Schnarchen Sie? Fühlen Sie sich tagsüber müde (Hinweis auf obstruktive Schlafapnoe)?
  • Haben Sie Schlafstörungen, z. B. häufiges Erwachen oder Ein- und Durchschlafprobleme?

Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese

  • Sind Sie übergewichtig? Geben Sie uns bitte Ihr Körpergewicht (in kg) und Ihre Körpergröße (in cm) an.
  • Haben Sie in der letzten Zeit unbeabsichtigt Gewicht verloren oder zugenommen?
  • Essen Sie salzhaltige Speisen (z. B. Fertiggerichte, Chips, Salzgebäck)?
  • Ernähren Sie sich ausgewogen und ballaststoffreich?
  • Wie hoch ist Ihr täglicher Konsum von koffeinhaltigen Getränken wie Kaffee oder Tee?
  • Bewegen Sie sich regelmäßig? Wie häufig treiben Sie Sport oder gehen spazieren?
  • Rauchen Sie? Wenn ja, wie viele Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen pro Tag?
  • Trinken Sie Alkohol? Wenn ja, welches Getränk und wie viele Gläser pro Tag?
  • Nehmen Sie Drogen? Wenn ja, welche Drogen (z. B. Amphetamine, Kokain) und wie häufig?

Eigenanamnese

  • Vorerkrankungen:
    • Haben Sie Hormonerkrankungen (z. B. Hyper- oder Hypothyreose (Schilddrüsenüber- oder unterfunktion))?
    • Leiden Sie an Nierenerkrankungen, Diabetes mellitus oder Hyperlipidämien (Fettstoffwechselstörungen)?
    • Wurde bei Ihnen eine Herzinsuffizienz (Herzschwäche) oder eine andere Herzerkrankung diagnostiziert?
  • Gab es in der Vergangenheit Operationen, die mit dem Herz-Kreislaufsystem oder den Nieren in Verbindung stehen?
  • Haben Sie Allergien gegen Medikamente oder andere Substanzen?
  • Gab es während Ihrer Schwangerschaft Probleme mit Bluthochdruck (z. B. Präeklampsie (Schwangerschaftskomplikation, die sich durch Bluthochdruck und oft durch Schäden an anderen Organen, wie den Nieren oder der Leber, auszeichnet))?

Medikamentenanamnese 

  • Adrenergika/Adrenozeptor-Agonisten (Dipivefrin, Epinephrin)
  • Anästhetika (Fentanyl, Ketamin (bei arterieller Hypertonie kontraindiziert), Naloxon, Pentazocin)
  • Analgetika
    • COX-2-Inhibitoren – Celecoxib, Etoricoxib,Rofecoxib
    • Essigsäurederivate – Diclofenac
    • Nicht-saure Analgetika (Paracetamol) – Die PATH-BP-Studie konnte nachweisen, dass sich nach statistischer Bereinigung unter Paracetamol-Einnahme im Vergleich zu Placebo ein mittlerer Blutdruckanstieg um 4,7 mmHg (95% KI: 2,6-6,6) systolisch und 1,6 mmHg (95% KI: 0,5–2,7) diastolisch ergab [6].
    • Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) – Coxibe, Diclofenac, Ibuprofen, Indometacin, Meloxicam, Naproxen, Piroxicam) [Acetylsalicylsäure (ASS) führt zu keiner signifikanten Blutdruckerhöhung]
  • Anorektikum (Appetitzügler) – Sibutramin
  • Antidepressiva
    • Trizyklische Antidepressiva (Amitriptylin, Amitriptylinoxid, Clomipramin, Desipramin, Doxepin, Imipramin, Opipramol, Nortriptylin, Trimipramin) [bei Langzeittherapie]
  • Antiglutamaterge Medikamente/NMDA (n-Methyl-D-Aspartat)-Rezeptorantagonisten  (Memantin)
  • Antisympathotonika (Clonidin/Rebound-Hypertonie (bei abruptem Absetzen))
  • Ergotamin
  • Hormone
    • Adrenalin
    • Anabolika (anabole Steroide)
    • Androgene (Testosteron, Testosteronenantat, Testosteronundecaonat)
    • Erythropoetine (Synonyme: Erythropoietin, EPO) – Epoetin ß, Darbepoetin
    • Glucocorticoide (Betamethason, Budenosid, Fluticason, Prednisolon) [Mineralocorticoid-Hypertonie; Mineralocorticoid-Hypertonie]
    • Östrogene/Gestagene
      • Ovulationshemmer (Antikonzeptiva, orale): Kombinationspräparate aus Östrogen und Gestagen führen zu einer durchschnittlichen Blutdrucksteigerung von ca. 5-7 mmHg systolisch und 2 mmHg diastolisch (im Vergleich zu einem Kontrollkollektiv)
      • Hormonersatztherapie (HRT): oral verabreichte Östrogene sowie 17α-Hydroxyprogesteron-Derivate  (z. B. Chlormadinonacetat, Cyproteronacetat und Medroxyprogesteronacetat), 17α-Methylprogesteron-Derivate (z. B. Medrogeston) und Norpregnanderivate (z. B. Nomegestrolacetat und Promegeston) waren mit Hypertonie assoziiert [5].
        Nebenbei: Für mikronisiertes Progesteron und Dydrogesteron gab es keinen Zusammenhang mit Hypertonie; die alleinige Verwendung eines Östrogens hatte ebenfalls keinen Einfluss auf das Hypertonierisiko.
    • Schilddrüsenhormone (Levothyroxin in L-Thyroxin)
    • Vasopressin (Terlipressin)
  • Immunsuppressiva (Ciclosporin (Cyclosporin A), Leflunomid, Methotrexat, MTX)
  • Immuntherapeutika (Fingolimod)
  • Multi-Tyrosinkinaseinhibitor (Vandetanib)
  • Sympathomimetika
    • Adrenalin, Etilefrin
    • Indirekte Sympathomimetika ("Stimulanzien") – Methylphenidat
  • Zytostatika (Methotrexat, MTX)

Umweltanamnese

  • Exposition gegenüber Schadstoffen:
    • Bisphenol A (BPA) sowie Bisphenol S (BPS) und Bisphenol F (BPF)
    • Blei – Anstieg des relative relativen Risikos mit jeder Erhöhung um 15 μg/g Blei um 19 % (RR 1,19; 95-%-Konfidenzintervall 1,01-1,41; p = 0,04); kumulative Bleibelastung, gemessen am vertikalen Knochen der Tibia (Schienbein), ist ein Risikofaktor für eine arzneimittelresistente Hypertonie [3]
      Hinweis: Eine potentielle Bleiquelle kann Trinkwasser aus Bleirohren sein.
    • Cadmium
    • Feinstaub (PM2,5) und andere Luftschadstoffe (Stickstoffdioxid (NO2)) [1]
    • Kohlenmonoxid
    • Pestizide (Organophosphate) [4]
    • Thallium
  • Nächtlicher Fluglärm (Leben in der Flugschneise; tagsüber 45 dB und nachts über 55 dB Fluglärm) [2]
  • Witterungseinflüsse:
    • Extreme Hitze
    • Extreme Kälte
    • Heiße Sommer
    • Strenge Winter

* Falls diese Frage mit "Ja" beantwortet worden ist, ist ein sofortiger Arztbesuch erforderlich! (Angaben ohne Gewähr) 

Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt. 

Literatur

  1. Cai Y et al.: Associations of Short-Term and Long-Term Exposure to Ambient Air Pollutants With Hypertension A Systematic Review and Meta-Analysis. Hypertension. 2016 Jul;68(1):62-70. doi: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.116.07218. Epub 2016 May 31
  2. Dimakopoulou K et al.: Is aircraft noise exposure associated with cardiovascular disease and hypertension? Results from a cohort study in Athens, Greece. Occup Environ Med Published Online First: 13 June 2017. doi: 10.1136/oemed-2016-104180
  3. Zheutlin AR et al.: Low‐Level Cumulative Lead and Resistant Hypertension: A Prospective Study of Men Participating in the Veterans Affairs Normative Aging Study Journal of the American Heart Association. published 24 Oct 2018 2018;7:e010014
  4. Suarez_lopez JR et.: Blood pressure after a heightened pesticide spray period among children living in agricultural communities in Ecuador. Environmental Research 2019 https://doi.org/10.1016/j.envres.2019.05.030
  5. Madika A-L et al.: Menopausal hormone therapy and risk of incident hypertension: role of the route of estrogen administration and progestogens in the E3N cohort. Menopause 2021; https://doi.org/10.1097/GME.0000000000001839
  6. Macintyre IM et al.: Regular Acetaminophen Use and Blood Pressure in People With Hypertension: The PATH-BP Trial Circulation. 2022;145:416-423 https://doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.121.056015