Bluthochdruck (Arterielle Hypertonie) – Einleitung
Arterielle Hypertonie (aHT), auch bekannt als Bluthochdruck und häufig nur kurz als Hypertonie bezeichnet, liegt vor, wenn der Blutdruck dauerhaft Werte von über 140 mmHg systolisch und/oder über 90 mmHg diastolisch erreicht oder überschreitet. Diese Erhöhung kann zu einer erheblichen Belastung des Herz-Kreislauf-Systems führen und das Risiko für schwerwiegende gesundheitliche Komplikationen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Nierenschäden erhöhen.
Synonyme und ICD-10: Arterieller Hochdruck; arterielle Hypertonie; Bluthochdruck; Hypertension; Hypertensive Krankheit; Hypertonie - arterielle; Hypertonus; essentielle Hypertonie; ICD-10-GM I10.-: Essentielle (primäre) Hypertonie
Von einem "Bluthochdruck" kann erst bei Messung pathologischer (krankhafter) Werte nach mindestens dreimaliger Blutdruckmessung zu verschiedenen Zeitpunkten gesprochen werden.
Zu den unterschiedlichen Definitionen der Hypertonie siehe unter der Klassifikation.
Formen der arteriellen Hypertonie
- Primäre (essentielle oder idiopathische) Hypertonie – bei dieser Form ist die Ursache nicht bekannt; bis zu 95 % der Hypertonien werden zu dieser Gruppe gezählt
- Sekundäre Hypertonie – bei dieser Form des Bluthochdrucks gibt es sehr viele mögliche Ursachen; meist liegt dann jedoch eine Störung der Hormonsekretion oder Nierenschäden vor (5 % der Fälle)
- Hypertensive Krise (maligne Hypertonie, hypertensiver Notfall) – Erhöhung des Blutdrucks auf Werte von > 230/120 mmHg; bei kurzer Dauer treten keine Organschädigungen auf; bei längerer Dauer ist mit Organschäden (Hochdruckenzephalopathie mit Sehstörungen, Bewusstseinsveränderungen, neurologische Ausfälle und Konvulsionen/Muskelkrämpfe; intrakranielle Blutung (Blutung innerhalb des Schädels; parenchymatöse, subarachnoidale, sub- und epidurale sowie supra- und infratentorielle Blutungen)/intrazerebrale Blutung (ICB; Hirnblutung), Vertigo (Schwindel) bzw. Bewusstseinsstörung, Papillenödem (Stauungspapille i. R. beidseitig) am Augenhintergrund, Lungenödem (Wassereinlagerungen in der Lunge), instabiler Angina pectoris ("Brustenge" mit inkonstanter Symptomatik), Myokardinfarkt (Herzinfarkt) und deszendierende Aortenaneurysma/Gefäßaussackungen) zu rechnen
- Isolierte systolische Hypertonie (ISH) – bei dieser Form liegt der systolische Blutdruckwert > 140 mmHg liegt, während der diastolische Blutdruckwert im normalen Bereich liegt; Hauptmerkmal für einen erhöhten isolierten systolischen Blutdruck ist die arterielle Steifheit; ein niedriger diastolischer Blutdruck gilt bei Patienten mit ISH als Indikator für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko
- Isolierte diastolische Hypertonie (IDH) – bei dieser Form liegt der systolische Blutdruckwert < 140 mmHg und der diastolische Wert > 90 mmHg
Eine weitere Sonderform der Hypertonie ist die "maskierte Hypertonie" (engl. masked hypertension). Dabei handelt es sich um das Phänomen normaler Blutdruckwerte in der Praxis und erhöhter Werte im Alltag, vor allem im Berufsalltag [1].
Epidemiologie
Menschen mit hohem beruflichem oder privatem Stresslevel, oft auch im jüngeren Lebensalter, sind meistens betroffen [4]. Männer sind häufiger als Frauen betroffen [5].
Ca. 50 % der Hypertoniker wissen gar nichts von ihrer Erkrankung, die anderen werden nicht ausreichend oder gar nicht behandelt.
Geschlechterverhältnis: Studien und Gesundheitsberichte zeigen, dass:
- Vor dem 50. Lebensjahr Männer häufiger von Hypertonie betroffen sind als Frauen.
- Im mittleren Alter und besonders nach der Menopause steigt das Risiko für Frauen, an Hypertonie zu erkranken, an, was teilweise auf hormonelle Veränderungen zurückgeführt wird.
- Im höheren Lebensalter (über 65 Jahre) haben Frauen eine höhere Prävalenz von Hypertonie als Männer.
Häufigkeitsgipfel: Der systolische Blutdruck korreliert mit dem Alter. Der diastolische Blutdruck erreicht sein Maximum bei Männern ca. zum 60. Lebensjahr und bei Frauen ca. zum 70. Lebensjahr. Danach sinkt der diastolische Blutdruck wieder ab.
Die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) liegt bei 50-60 % bei älteren Menschen (in Deutschland). Bei den über 75-Jährigen leiden bis zu 70 % an einer Hypertonie.
In Westdeutschland beträgt die Prävalenz 24 Prozent, in Ostdeutschland 30 Prozent [3].
Die Prävalenz für die sekundäre Hypertonie liegt bei ca. 5 %.
In Europa liegt die Prävalenz für die Hypertonie bei ca. 50 %.
Rund 25 % der Männer und etwa 15 % der Frauen wissen nicht, dass sie unter Hypertonie leiden. Auch nur etwa 25 % der männlichen und etwa 40 % der weiblichen Hochdruckpatienten wiesen in den Studien eine befriedigende Behandlung mit Blutdruckwerten von weniger als 160/95 mmHg auf, das heißt hatten den Zustand einer "kontrollierten" Hypertonie erreicht. Der große Rest der sich in Behandlung befindenden Patienten war nur unzureichend behandelt worden.
Hochdruck im Kindes- und Jugendalter sowie in der Adoleszenz wird mit 2-12 % angegeben. Im Gegensatz zu älteren Hypertonie-Patienten ist bei jüngeren in 50-60 % die Blutdruckerhöhung sekundärer Natur, sodass in dieser Patientengruppe stets weiterführende Diagnostik zur Aufdeckung von Primärerkrankungen notwendig ist.
Verlauf und Prognose
Verlauf
Der Verlauf einer Hypertonie kann individuell sehr unterschiedlich sein und ist abhängig von verschiedenen Faktoren wie der Schwere der Erkrankung, dem Lebensstil und der Therapieadhärenz. Typischerweise verläuft die Hypertonie in mehreren Stadien:
- Frühes Stadium: Oft asymptomatisch. Hypertonie wird häufig erst bei Routineuntersuchungen diagnostiziert. Betroffene können jahrelang ohne erkennbare Symptome leben.
- Progression: Bei fehlender Behandlung kann die Hypertonie fortschreiten und zu Organschäden führen. Die Betroffenen können Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel, Sehstörungen oder Atemnot entwickeln.
- Komplikationen: Langfristig führt unbehandelte Hypertonie zu schwerwiegenden Komplikationen wie Apoplex (Schlaganfall), Myokardinfarkt (Herzinfarkt), Herzinsuffizienz (Herzschwäche), Nierenversagen und Sehbehinderungen. Auch die Entwicklung einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) ist möglich.
Prognose
Die Prognose bei Hypertonie ist stark von der Früherkennung und konsequenten Therapie abhängig:
- Gut kontrollierte Hypertonie: Bei frühzeitiger Diagnose und adäquater Therapie können viele Betroffene ein weitgehend normales Leben führen. Eine gute Blutdruckkontrolle reduziert das Risiko von Folgeerkrankungen erheblich.
- Schlecht kontrollierte oder unbehandelte Hypertonie: Erhöhtes Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse und Organschäden. Das Mortalitätsrisiko ist deutlich erhöht.
Spezifische Risiken und Komorbiditäten
- Therapierefraktäre Hypertonie: Etwa 5-15 % der Patienten sprechen nicht ausreichend auf die Therapie an, was das Risiko für Komplikationen und Mortalität erhöht.
- Kardiovaskuläre Komplikationen: Dazu gehören Atherosklerose (Arteriosklerose; Arterienverkalkung), Myokardinfarkt und Apoplex. Männer mit Hypertonie haben ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, das im höheren Alter auch bei Frauen ansteigt.
- Nierenschäden: Chronische Hypertonie kann zur Niereninsuffizienz führen, was in schweren Fällen eine Dialyse erforderlich machen kann.
- Augenerkrankungen: Hypertonie kann eine Retinopathie (Netzhauterkrankung) verursachen, die zu Sehstörungen und in schweren Fällen zur Erblindung führen kann.
Einfluss von Diagnosealter und Geschlecht auf die Prognose
- Frühe Diagnose: Ein Diagnosealter unter 45 Jahren ist mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko (Sterberisiko) verbunden. Diese Patienten haben ein höheres Risiko für hämorrhagische Schlaganfälle und kardiovaskuläre Erkrankungen.
- Geschlechterunterschiede: Vor dem 50. Lebensjahr sind Männer häufiger betroffen. Nach der Menopause steigt das Risiko für Frauen, an Hypertonie zu erkranken, an, und sie haben im höheren Alter eine höhere Prävalenz und eine schlechtere Prognose hinsichtlich kardiovaskulärer Ereignisse.
Mortalitätsrisiko
- Mortalitätsrisiko (Sterberisiko) in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Diagnose:
- Patienten mit einer Hypertonie-Diagnose vor dem 45. Geburtstag haben ein 2,59-fach erhöhtes Mortalitätsrisiko im Vergleich zu Normotonen gleichen Alters.
- Nach dem 65. Lebensjahr erkrankte Hypertonie-Patienten haben ein um 29 % erhöhtes Mortalitätsrisiko im Vergleich zu Normotonen gleichen Alters.
- Patienten mit einer Hypertonie-Diagnose vor dem 45. Geburtstag haben ein 5,85-fach erhöhtes Risiko für einen hämorrhagischen Infarkt (Schlaganfall aufgrund einer spontanen Gefäßruptur/Zerreißung eines Blutgefäßes) [6].
Achtung!
Diastolische Blutdrucksteigerungen bei jüngeren Patienten sind ein ernst zu nehmender Risikofaktor und weisen auf eine erhöhte Mortalität (Sterberate) hin [2].
Komorbiditäten
Begleiterkrankungen, die das CV-Risiko (Herz-Kreislauf-Risiko) bei Hypertonie erhöhen: Schlafstörungen (inkl. OSAS), chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), chronische inflammatorische Erkrankungen, nicht alkoholische Fettlebererkrankung (NASH), chronische Infektionen (inkl. COVID-19) sowie Migräne und depressive Erkrankungen [ESH 2023].
Literatur
- Pickering TG, Davidson K, Gerin W, Schwartz JE: Masked hypertension. Hypertension. 2002;40:795-96
- SundströmJ et al.: Association of blood pressure in late adolescence witrh subsequent mortality: cohort study of Swedish male conscripts.BMJ 2011, 342; d643 doi: 10.1136/bmj.d643
- Holstiege J, Akmatov MK, Steffen A, Bätzing J: Diagnoseprävalenz der Hypertonie in der vertragsärztlichen Versorgung – aktuelle deutschlandweite Kennzahlen. Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi). Versorgungsatlas-Bericht Nr. 20/01. Berlin 2020. https://doi.org/10.20364/VA-20.01
- Munakata M. Clinical significance of stress-related increase in blood pressure: current evidence in office and out-of-office settings. Hypertens Res. 2018 Aug;41(8):553-569. doi: 10.1038/s41440-018-0053-1.
- Banegas JR et al.: High prevalence of masked uncontrolled hypertension in people with treated hypertension. Eur Heart J. 2014 Dec 7;35(46):3304-12. doi: 10.1093/eurheartj/ehu016.
- Wang C et al.: Association of Age of Onset of Hypertension With Cardiovascular Diseases and Mortality Journal of the American College of Cardiology 2020;75,23 doi: 10.1016/j.jacc.2020.04.038
Leitlinien
- Guidelines Committee: 2003 European Society of Hypertension-European Society of Cardiology guidelines for the management of arterial hypertension. J Hypertens. 2003 Jun;21(6):1011-53. Erratum in: J Hypertens. 2003 Nov; 21(11):2203-4. J Hypertens. 2004 Feb; 22(2):435
- Leitlinie: ESH/ESC-Leitlinie zum Management der arteriellen Hypertonie. Published: 19 December 2013. Kommentar zur 2013-ESH/ESC-Leitlinie zum Management der arteriellen Hypertonie. Published: 15 June 2014
- Mancia G et al.: 2013 ESH/ESC Guidelines for the management of arterial hypertension: The Task Force for the management of arterial hypertension of the European Society of Hypertension (ESH) and of the European Society of Cardiology (ESC). Journal of Hypertension: July 2013 - Volume 31 - Issue 7 - p 1281-1357 doi: 10.1097/01.hjh.0000431740.32696.cc
- Salzmann S et al.: Arterielle Hypertonie im Kindes- und Adoleszentenalter. Pädiatrie 3/13 Schweiz
- Piepoli FM, Hoes AW, Agewall S et al.: 2016 European Guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice: The Sixth Joint Task Force of the European Society of Cardiology and Other Societies on Cardiovascular Disease Prevention in Clinical Practice (constituted by representatives of 10 societies and by invited experts) Developed with the special contribution of the European Association for Cardiovascular Prevention & Rehabilitation (EACPR). Eur Heart J. 2016 Aug 1,37(29):2315-81. doi: 10.1093/eurheartj/ehw106. Epub 2016 May 23.
- Williams B, Mancia G et al.: 2018 ESC/ESH Guidelines for the management of arterial hypertension. Eur. Heart J., 2018, pp 3021-3104. doi.org/10.1093/eurheartj/ehy339
- 2023 ESH Guidelines for the management of arterial hypertension. The Task Force for the management of arterial hypertension of the European Society of Hypertension Endorsed by the European Renal Association (ERA) and the International Society of Hypertension (ISH). J Hypertens. 2023 Jun 21. doi: 10.1097/HJH.0000000000003480. Epub ahead of print. PMID: 37345492.
https://journals.lww.com/jhypertension/Abstract/9900/2023_ESH_Guidelines_for_the_management_of_arterial.271.aspxv - Nationale VersorgungsLeitlinie Hypertonie (2023). Abrufbar unter https://www.leitlinien.de/themen/hypertonie
- McEvoy et al.: 2024 ESC Guidelines for the management of elevated blood pressure and hypertension: Developed by the task force on the management of elevated blood pressure and hypertension of the European Society of Cardiology (ESC) and endorsed by the European Society of Endocrinology (ESE) and the European Stroke Organisation (ESO). European Heart Journal August 2024. doi.org/10.1093/eurheartj/ehae178