Bauchaortenaneurysma (Abdominales Aortenaneurysma) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Das Bauchaortenaneurysma (abdominales Aortenaneurysma, BAA) ist eine lokale Erweiterung der Bauchschlagader (Aorta abdominalis), die durch eine Veränderung der Gefäßwandstruktur bedingt ist. Es handelt sich um eine segmentale Ausweitung, bei der der Durchmesser der Aorta um mindestens 50 % im Vergleich zum Normaldurchmesser vergrößert ist.

Häufigste Ursachen und Mechanismen

Die genaue Pathogenese des Bauchaortenaneurysmas ist komplex und multifaktoriell, wobei genetische, entzündliche und hämodynamische Faktoren eine Rolle spielen. In der Regel lassen sich folgende wesentliche Mechanismen unterscheiden:

  • Atherosklerose (Arteriosklerose, Arterienverkalkung): Die Atherosklerose ist die häufigste Ursache für die Entstehung eines Bauchaortenaneurysmas. Sie beginnt mit einer Schädigung des Endothels (Intimaläsion) und führt zu einer Ansammlung von Lipiden und Makrophagen in der Gefäßwand. Diese entzündlichen Prozesse verursachen eine Abnahme der glatten Muskelzellen und der elastischen Fasern in der Media (mittlere Gefäßschicht). Dadurch verliert die Aorta ihre mechanische Stabilität und dehnt sich aus.
  • Matrix-Metalloproteinasen (MMPs): Eine erhöhte Aktivität von Matrix-Metalloproteinasen (MMPs) wurde bei Patienten mit Bauchaortenaneurysmen nachgewiesen. Diese Enzyme sind für den Abbau der extrazellulären Matrix (EZM) verantwortlich und regulieren die Homöostase des Bindegewebes. Insbesondere die MMP-2 und MMP-9 spielen eine wichtige Rolle bei der Degradation der elastischen und kollagenen Fasern, was zu einer strukturellen Schwächung der Aortenwand führt und die Bildung eines Aneurysmas begünstigt.
  • Entzündliche Prozesse: Chronische Entzündungsreaktionen in der Gefäßwand, ausgelöst durch Makrophagen und Lymphozyten, tragen wesentlich zur Aneurysmenbildung bei. Es kommt zur Freisetzung proinflammatorischer Zytokine und einer erhöhten Produktion von MMPs. Dies fördert die Degradation der elastischen Lamellen und den Verlust von glatten Muskelzellen in der Gefäßwand.
  • Genetische Prädisposition: Studien haben gezeigt, dass eine genetische Prädisposition bei der Entstehung von Bauchaortenaneurysmen eine wichtige Rolle spielt. Es konnten mehrere Gene identifiziert werden, die bei der Regulation der Elastin- und Kollagensynthese sowie bei der entzündlichen Antwort eine Rolle spielen. Eine familiäre Häufung von Bauchaortenaneurysmen ist häufig.
  • Rauchen: Rauchen ist ein bedeutender Risikofaktor und beschleunigt die Degeneration der Aortenwand. Es führt zu einer vermehrten Produktion freier Radikale, die das Endothel schädigen und entzündliche Prozesse in Gang setzen. Raucher haben ein mehrfach erhöhtes Risiko, ein Bauchaortenaneurysma zu entwickeln, als Nichtraucher.

Lokalisation

Das Bauchaortenaneurysma befindet sich in den meisten Fällen im infrarenalen Abschnitt der Aorta (95 %), das heißt unterhalb der Nierenarterien (Arteriae renales). Diese Lokalisation ist möglicherweise auf die geringere mechanische Stabilität und die besondere Struktur der infrarenalen Aortenwand zurückzuführen.

  • Beckenarterienaneurysmen: Wenn die Erweiterung auf die Beckenarterien (Arteria iliaca communis und Arteria iliaca interna) übergeht, spricht man von einem iliakalen Aneurysma. Diese treten häufig in Kombination mit Bauchaortenaneurysmen auf und erfordern besondere Behandlungsstrategien.

Histologische Veränderungen

Die histologischen Veränderungen im Bereich des Bauchaortenaneurysmas sind durch eine Degeneration der elastischen Fasern und des glatten Muskelgewebes in der Media gekennzeichnet. Es kommt zu Entzündungsinfiltraten, einer Neovaskularisation (Neubildung kleiner Blutgefäße) und zur Umbildung der extrazellulären Matrix.

  • Fokale Zerstörung der elastischen Fasern
  • Kollagenablagerungen
  • Ansammlung von Makrophagen und Lymphozyten
  • Mediale Nekrose (Gewebsuntergang in der mittleren Gefäßwand)

Adventitielle Beteiligung

In neueren Studien rückt die Beteiligung der Adventitia (äußerste Schicht der Gefäßwand) zunehmend in den Fokus der Forschung. Entzündliche Veränderungen der Vasa vasorum (kleinste Gefäße, die die Aortenwand versorgen) können zu einer Minderversorgung der Media führen und die Schwächung der Gefäßwand weiter fördern.

Zusammenfassung

Die Pathogenese des Bauchaortenaneurysmas ist komplex und umfasst mechanische, biochemische, entzündliche und genetische Faktoren. Ein gestörtes Gleichgewicht zwischen Matrixauf- und -abbau sowie eine chronische Entzündung der Aortenwand führen zu einer strukturellen Instabilität und einer lokalen Ausweitung der Aorta. Das Verständnis dieser Mechanismen ist entscheidend für die Entwicklung von therapeutischen Ansätzen und der Prävention.

Manifestation und klinische Relevanz

Bauchaortenaneurysmen bleiben lange asymptomatisch, was sie besonders gefährlich macht. Die Gefahr eines Rupturereignisses (Gefäßzerreißung) steigt mit zunehmendem Durchmesser an. Eine rechtzeitige Diagnostik und Behandlung (z. B. durch endovaskuläre Eingriffe (Gefäßeingriffe) oder offene Operationen) ist entscheidend, um das Rupturrisiko zu minimieren.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung – erhöhtes Risiko bei erstgradig Verwandten
    • Genetisches Risiko abhängig von Genpolymorphismen:
      • Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
        • Gene: DAB2IP
        • SNP: rs7025486 im Gen DAB2IP
          • Allel-Konstellation: AG (1,2-fach)
          • Allel-Konstellation: AA (1,4-fach)
        • SNP: rs10757278 in einer intergenischen Region
          • Allel-Konstellation: GG (1,3-fach)
          • Allel-Konstellation: AA (0,77-fach)
    • Genetische Erkrankungen
      • Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) ‒ genetische Erkrankungen, die sowohl autosomal-dominant als auch autosomal-rezessiv sind; heterogene Gruppe, die durch eine Störung der Kollagensynthese bedingt sind; gekennzeichnet durch eine erhöhte Elastizität der Haut und ungewöhnliche Zerreißbarkeit derselbigen
      • Loeys-Dietz-Syndrom – Aortenaneurysma-Syndrom mit autosomal-dominantem Erbgang, welches durch eine Mutation des TGF-β-Rezeptors bedingt ist  (98-100 % dieser Patienten haben ein Aneurysma)
      • Marfan-Syndrom – genetische Erkrankung, die sowohl autosomal-dominant vererbt werden oder vereinzelt (als Neumutation) auftreten kann; systemische Bindegewebserkrankung, die vor allem durch Hochwuchs auffällt; 75 % dieser Patienten haben ein Aneurysma 
  • Geschlecht: männliches Geschlecht (Odds-Ratio 5,69) [S3-Leitlinie]

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Genussmittelkonsum
    • Alkoholkonsum – Menschen mit einer genetischen Neigung zum Alkoholkonsum erleiden 2,6-fach häufiger ein abdominales Aortenaneurysma (Beweisführung durch Mendelsche Randomisierung) [4].
    • Nikotinabusus (Odds-Ratio 2,41) [S3-Leitlinie]

Krankheitsbedingte Ursachen

Angeborene Fehlbildungen, Deformitäten und Chromosomenanomalien (Q00-Q99)

  • Anlagestörungen der Aortenklappe
  • Ehlers-Danlos-Syndrom (s. u. "Biographische Ursachen")
  • Loeys-Dietz-Syndrom (s. u. "Biographische Ursachen")
  • Marfan-Syndrom (s. u. "Biographische Ursachen")

Atmungssystem (J00-J99)

  • Asthma bronchiale (65-74 Jahre alte Männer) [1]

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Arterielle Hypertonie (Bluthochdruck) (+65 %) [3]
    • systolischer Blutdruck: jeder Anstieg um 20 mmHg war mit einem um 14 % höheren AAA-Risiko (abdominelles Aortenaneurysma, AAA) verknüpft
    • diastolischer Blutdruck: jeder Anstieg um 10 mmHg war mit einem um 28 % höheren AAA-Risiko (abdominelles Aortenaneurysma, AAA) verknüpft; diastolischer Druck um 110 mmHg: Risiko einer AAA rund fünfmal so hoch wie bei Werten um 70 mmHg;
  • Atherosklerose (Arteriosklerose, Arterienverkalkung)
  • Vaskulitis (Gefäßentzündung)

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Aortitis, z. B. durch Syphilis (Lues)

Labordiagnosen Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten

  • Hypercholesterinämie

Medikamente

  • Antiasthmatische Medikation (Beta-2-Sympathomimetika oder Glucocorticoide) (OR=1,46) [2]
  • Chinolone/Fluorchinolone/Gyrasehemmer (Ciprofloxacin, Moxifloxacin, Nalidixinsäure, Norfloxacin, Lomefloxacin, Levofloxacin, Ofloxacin) – Bei einer Verordnung innerhalb der letzten 60 Tage Erhöhung des relativen Risikos auf ein Aortenaneurysma oder eine Aortendissektion um den Faktor 2,43 [1].

Literatur

  1. Lee CC et al.: Risk of Aortic Dissection and Aortic Aneurysm in Patients Taking Oral Fluoroquinolone. JAMA Intern Med. Published online October 05, 2015. doi:10.1001/jamainternmed.2015.5389
  2. Liu CL, et al.: Asthma associates with human abdominal aortic aneurysm and rupture Arterio Thromb Vasc Biol 2016; doi: 10.1161/ATVBAHA.115.306497
  3. Kobeissi E et al. Blood pressure, hypertension and the risk of abdominal aortic aneurysms: a systematic review and meta‑analysis of cohort studies. Europ J Epidemiol 2019;34:547-555; https://doi.org/10.1007/s10654-019-00510-9
  4. Larsson SC et al.: Alcohol Consumption and Cardiovascular Disease: A Mendelian Randomization Study Circulation: Genomic and Precision Medicine. ;0 5 May 2020 https://doi.org/10.1161/CIRCGEN.119.002814

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Screening, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Bauchaortenaneurysmas. (AWMF-Registernummer: 004 - 014), Juli 2018 Langfassung