Bauchaortenaneurysma (Abdominales Aortenaneurysma) – Operative Therapie
Das Bauchaortenaneurysma (AAA, Erweiterung der Hauptschlagader im Bauchraum) ist eine potenziell lebensbedrohliche Gefäßerkrankung, die durch eine pathologische Erweiterung der Bauchaorta (Bauchschlagader) gekennzeichnet ist. Die operative Therapie umfasst offene chirurgische Eingriffe und minimalinvasive Verfahren.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Asymptomatisches AAA (ohne Beschwerden auftretendes Aneurysma) ≥ 5,5 cm – Empfehlung zur elektiven Versorgung (geplante Operation) [S3-Leitlinie]
- Asymptomatisches AAA bei Frauen ≥ 5,0 cm – Invasive Versorgung (operativer Eingriff) erwägen [S3-Leitlinie]
- Größenzunahme des AAA > 10 mm/Jahr – Indikation zur OP unabhängig vom Ausgangsdurchmesser [S3-Leitlinie]
- Rupturiertes AAA (gerissenes Aneurysma) – Notfalloperation erforderlich [S3-Leitlinie]
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
- Schwere kardiovaskuläre Erkrankungen (Herz-Kreislauf-Erkrankungen), die eine Operation unmöglich machen
- Ausgeprägte Komorbiditäten (begleitende Erkrankungen), die das perioperative Risiko erheblich erhöhen
- Unzureichende anatomische Gegebenheiten (ungeeignete Gefäßstruktur) für endovaskuläre Verfahren
Operationsverfahren
Endovaskuläre Aneurysmaausschaltung (EVAR, minimalinvasive Aneurysma-Behandlung mit Stentprothese)
- Indikation: Anatomisch geeignete Patienten mit akzeptablem Operationsrisiko
- Vorteile: Minimalinvasiv (geringerer Eingriff), kürzere Hospitalisationsdauer (Krankenhausaufenthalt)
- Nachteile: Regelmäßige Nachkontrollen erforderlich, Risiko für Endoleckagen (undichte Stellen am Stent)
Offene Aneurysmareparatur (OAR, offene chirurgische Entfernung des Aneurysmas mit Gefäßersatz)
- Indikation: Patienten mit ungünstiger Gefäßanatomie für EVAR
- Vorteile: Langfristig stabile Lösung, keine Stentmigration (Verrutschen der Gefäßstütze)
- Nachteile: Höhere perioperative Morbidität (Krankheitsrisiko) und Mortalität (Sterblichkeitsrisiko)
Mögliche Komplikationen
- Endoleckagen (Leckstellen in der Stentprothese) – Unzureichende Abdichtung nach EVAR
- Stentmigration (Verschiebung der Gefäßstütze) – Dislokation der Prothese
- Protheseninfektion (Infektion des Gefäßersatzes) – Seltene, aber schwerwiegende Komplikation
- Nierenfunktionsstörungen (Beeinträchtigung der Nierenleistung) – Durch Kontrastmittel oder hämodynamische Veränderungen
- Nachblutungen (postoperative Blutungen) – Durch Undichtigkeit der Nahtstellen
Vergleich der Operationsmethoden
Verfahren | Indikation | Vorteile | Nachteile |
---|---|---|---|
EVAR (minimalinvasiv mit Stentprothese) | Patienten mit geeigneter Gefäßanatomie | Geringer Eingriff, schnellere Erholung | Langfristige Nachkontrollen erforderlich |
OAR (offene Operation mit Gefäßersatz) | Patienten mit ungünstiger Anatomie oder jungen Patienten | Dauerhafte Lösung, kein Stentversagen | Höheres Operationsrisiko |
Perioperative Maßnahmen
- Statin-Therapie (medikamentöse Cholesterinsenkung) sollte präoperativ begonnen werden (mind. 2 Wochen vor OP) [S3-Leitlinie]
- Thrombozytenaggregationshemmer (Blutplättchenhemmer) empfohlen bei Patienten mit kardiovaskulärer Komorbidität [S3-Leitlinie]
Weitere Hinweise
- Eine spätere Operation verschlechtert die Überlebenschance: In England (Männer: 63,8 mm; Frauen: 61,7 Millimeter mm) wird ein abdominalen Aortenaneurysmas deutlich später operiert als in den USA (Männer: 58,2 mm; Frauen: 56,3 Millimeter mm) mit der Folge einer dreimal so hohen Mortalität (Sterberate) wie in den USA: Odds-Ratio 3,60 (3,55-3,64) [4].
- Eine endovaskuläre Aneurysmaausschaltung (EVAR; Endovascular aneurysma repair) mittels Stentgraftsystemen ("Gefäßstütze") geht bekanntermaßen mit einer deutlich niedrigeren perioperativen Mortalität (Sterblichkeit im zeitlichen Umfeld des chirurgischen Eingriffs) einher als eine offene Operation. Dieser Überlebensvorteil blieb rund drei Jahre bestehen, danach glichen sich die Uberlebensraten in beiden Gruppen an, wie Langzeitergebnisse (Beobachtungsdauer: max. 8 Jahre) einer großen Studie belegen konnte [1].
- Abdominelle Aortenaneurysmas (AAA): Vergleich endovaskuläre Aneurysmaausschaltung (Endovascular aneurysma repair, EVAR) versus Aneurysmareparatur (OAR) [2]:
- 30-Tages-Mortalität: EVAR ca. 1,5 % versus OAR ca. 4,7 %
- Nach 3 Jahren: bei beiden Verfahren ca. 19,9 % Mortalitätsrate; Re-Interventionen: EVAR 6,6 % versus OAR 1,5 %
- Bauchaorten-Aneurysmen (BAA): Die offene Operation (OAR) war in einer Langzeitstudie langfristig einer EVAR überlegen. Dieses wird darauf zurückgeführt, dass Gefäßprothesen langfristig häufiger zu Komplikationen neigen. Nach sechs Monaten waren keine Mortalitätsvorteile (Sterblichkeitsvorteile) der EVAR mehr nachweisbar. Im weiteren Verlauf stieg in diesem Kollektiv die Mortalität (Sterblichkeit) weiter an und erreichte im etwa achten Jahr das Signifikanzniveau. Nach im Mittel 12,7 Jahren ist die Gesamtmortalität nach EVAR um 25 % höher (adjustierte Hazard Ratio 1,25; 1,00-1,56). Die Aneurysma-bedingte Mortalität war sogar fast 6-fach höher (adjustierte Hazard Ratio 5,82; 1,64-20,65) [3].
- Im Gegensatz dazu steht eine US-Langzeitstudie, bei der die endovaskuläre Aneurysmaausschaltung gleich gute Ergebnisse erzielte wie eine offene Operation. In den ersten 4 Jahren der Nachsorge war die Mortalität (Sterberate) nach der offenen Operation höher; zwischen dem vierten und achten Jahr kam es bei den stentversorgten Patienten (Versorgung mittels einer Gefäßbrücke) zu einer höheren Mortalität; danach kehrte der Trend um, inzwischen liegt die Mortalitätsrate in der Gruppe mit Gefäßstent etwas niedriger [5].
Fazit
Die Wahl zwischen EVAR (minimalinvasive Stentbehandlung) und OAR (offene chirurgische Reparatur) richtet sich nach der Gefäßanatomie und dem individuellen Risikoprofil des Patienten. Während EVAR eine weniger invasive Option mit kürzerer Erholungszeit darstellt, bietet die OAR eine langfristig stabile Lösung mit erhöhtem Operationsrisiko. Bei rupturiertem AAA ist die sofortige invasive Versorgung essenziell.
Literatur
- Schermerhorn ML et al.: Long-Term Outcomes of Abdominal Aortic Aneurysm in the Medicare Population. N Engl J Med. 2015;373(4):328-38
- Chang DC et al.: Survival After Endovascular vs Open Aortic Aneurysm Repairs. JAMA Surg. 2015 Dec;150(12):1160-6. doi: 10.1001/jamasurg.2015.2644.
- Patel R et al.: Endovascular versus open repair of abdominal aortic aneurysm in 15-years’ follow-up of the UK endovascular aneurysm repair trial 1 (EVAR trial 1): a randomised controlled trial. N Engl J Med 2010; 362:1863-1871 May 20, 2010 doi: 10.1056/NEJMoa0909305
- Karthikesalingam A et al.: Thresholds for Abdominal Aortic Aneurysm Repair in England and the United States. N Engl J Med 2016; 375:2051-2059 November 24, 2016 doi: 10.1056/NEJMoa1600931
- Lederle FA et al.: Open versus Endovascular Repair of Abdominal Aortic Aneurysm N Engl J Med 2019; 380:2126-2135 doi: 10.1056/NEJMoa1715955
Leitlinien
- S3-Leitlinie: Screening, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Bauchaortenaneurysmas. (AWMF-Registernummer: 004 - 014), Juli 2018 Langfassung