Atrioventrikulärer Block – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Pathogenese eines AV-Blocks ist vielschichtig und umfasst sowohl degenerative als auch ischämische Ursachen. Die häufigsten Ursachen des atrioventrikulären Blocks (AV-Block) sind degenerative Prozesse des Erregungsleitungssystems des Herzens (50 %) sowie ischämische Schädigungen des Myokards (Herzmuskels) (40 %).

Degenerative Ursprünge

Die degenerativen Veränderungen sind in der Regel auf eine Fibrose (krankhafte Vermehrung von Bindegewebe) des Erregungsleitungssystems zurückzuführen. Diese Fibrosierung verläuft meist langsam und progredient und betrifft vorwiegend das His-Bündel und die distalen Anteile des AV-Knotens. Sie führt zu einer fortschreitenden Beeinträchtigung der elektrischen Signalübertragung im Herzen und damit zu einer verminderten Erregungsleitung.

Degenerative Veränderungen treten meistens im Rahmen einer altersbedingten Degeneration oder bei chronischen Herzerkrankungen auf, wie z. B. beim Lev-Syndrom (degenerative Fibrose des Erregungsleitungssystems im höheren Alter) oder beim Lenègre-Syndrom (angeborene, isolierte Degeneration des His-Bündels).

Ischämische Ursachen

Die zweithäufigste Ursache eines AV-Blocks sind ischämische Schädigungen des Myokards. Hierbei ist entweder eine ischämische Kardiomyopathie oder ein akutes Koronarsyndrom (ACS) die zugrunde liegende Ursache.

  • Ischämische Kardiomyopathie: Bei chronischer Minderdurchblutung des Myokards kommt es zur fortschreitenden Schädigung der Herzmuskulatur und der korrespondierenden Leitungsbahnen, was zu einem schrittweisen Verlust der Erregungsweiterleitung führt.
  • Akutes Koronarsyndrom (ACS): Insbesondere beim Verschluss der rechten Koronararterie (RCA), die den AV-Knoten versorgt, kann es akut zu einer Blockierung der Erregungsleitung zwischen Vorhof und Kammer kommen. Dies führt häufig zu einem AV-Block unterschiedlichen Grades.

Weitere Ursachen

Zusätzlich können auch entzündliche Erkrankungen wie eine Myokarditis (Herzmuskelentzündung), kardiomyopathische Veränderungen, infiltrative Erkrankungen (z. B. Sarkoidose) oder Autoimmunerkrankungen wie der systemische Lupus erythematodes (SLE) zu einem AV-Block führen. Medikamente wie Betablocker, Calciumantagonisten und Antiarrhythmika können ebenfalls durch die Blockade der Erregungsleitung das Auftreten eines AV-Blocks begünstigen.

Einteilung der AV-Blockgrade

Ein AV-Block wird in drei Schweregrade unterteilt:

  • AV-Block 1. Grades: Verzögerung der Erregungsleitung mit einer verlängerten PQ-Zeit > 200 ms (0,20 Sekunden) im EKG. Die Übertragung der Erregung auf die Kammern bleibt jedoch erhalten.
  • AV-Block 2. Grades: Hierbei unterscheidet man zwischen zwei Typen:
    • Typ Mobitz I (Wenckebach-Block): Die PQ-Zeit verlängert sich zunehmend, bis eine Vorhofaktion nicht mehr auf die Kammer übertragen wird. Dies führt zu einem intermittierenden Ausfall der Kammeraktion.
    • Typ Mobitz II (Mobitz-Block): Plötzliches, intermittierendes Ausbleiben der Kammeraktion ohne vorherige Verlängerung der PQ-Zeit. Jede 2., 3. oder 4. Vorhofaktion wird nicht auf die Kammer übertragen (z. B. 2:1-, 3:1- oder 4:1-Block). Dieser Typ hat eine schlechte Prognose und stellt eine Indikation zur Schrittmacherimplantation dar.
  • AV-Block 3. Grades (totaler AV-Block): Vollständige Unterbrechung der Erregungsleitung zwischen Vorhof und Kammer. Es kommt zur kompletten Dissoziation von Vorhof- und Kammerrhythmus. Hierbei übernehmen Ersatzrhythmen in der Kammerregion die Herzaktivität, was zu einer deutlichen Reduktion der Herzfrequenz und des Herzzeitvolumens führt. Auch dieser Zustand ist eine absolute Indikation zur Schrittmacherimplantation.

Prognose und Indikation zur Schrittmachertherapie

Ein wichtiger Parameter zur Abschätzung des Schweregrades eines AV-Blocks ist das HV-Intervall, das die Zeitspanne zwischen der Erregung des His-Bündels und der ersten Kammererregung beschreibt.

  • Patienten mit einem HV-Intervall ≥ 70 ms haben eine signifikant höhere Inzidenz von AV-Blockierungen 2. und 3. Grades als solche mit einer normalen HV-Zeit. Bei einem HV-Intervall von > 70 ms besteht daher eine absolute Indikation zur Schrittmacherimplantation, um das Risiko schwerwiegender Herzrhythmusstörungen zu minimieren.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Pathogenese des AV-Blocks umfasst sowohl degenerative als auch ischämische Mechanismen, die das Erregungsleitungssystem schädigen. Während degenerative Prozesse häufig langsam progredient verlaufen, sind ischämische Ursachen häufig akuter Natur. Die Differenzierung der verschiedenen Blockgrade hat unmittelbare therapeutische Konsequenzen, da insbesondere bei höhergradigen AV-Blockierungen eine Schrittmachertherapie indiziert ist, um die kardiovaskuläre Stabilität der Patienten zu gewährleisten.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung – kongenitaler (angeborener) Defekt; Familienanamnese (Eltern oder Geschwister) [2]: 
    • Kinder von Vätern mit AV-Block: knapp 2-fache Risikoerhöhung
    • Nachkommen von betroffenen Müttern: 2,2-Fache
    • Geschwister von Patienten mit der Erkrankung: 3,5-Fache
  • Lebensalter – höheres Alter (Hazard Ratio pro 5-Jahres-Abschnitt: 1,34) [1]

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Körperliche Aktivität
    • Sportler (erhöhter Parasympathikotonus; meist AV-Block I. Grades oder ein schwach ausgeprägter AV-Block II. Grades)

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Akutes Koronarsyndrom (ACS,  Acute coronary syndrome; Spektrum von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die durch den Verschluss oder die hochgradige Verengung eines Herzkranzgefäßes verursacht werden)
  • Akutes rheumatisches Fieber – entzündlich-rheumatische Systemerkrankung von Haut, Herz, Gelenk und Gehirn; Folgeerkrankung nach einer Infektion mit β-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A
  • Chronische Herzinsuffizienz (Herzschwäche) (Hazard Ratio 3,33) [1]
  • Hypertonie (Bluthochdruck) – systolischer Blutdruck (Hazard Ratio 1,22) [1]
  • Ischämische Kardiomyopathie (Herzmuskelerkrankung, die mit einer Minderdurchblutung des Herzmuskels einhergeht)
  • Koronarspasmus – Verkrampfung der Herzkranzgefäße; spontan bei Prinzmetal-Angina (Synonym: Variantangina oder vasospastische Angina), das ist eine Angina pectoris mit und ohne Koronarstenose, des Weiteren mechanisch durch die Katheterspitze, das heißt ein induzierter Koronarspasmus bei der Koronarangiographie (radiologisches Verfahren, das mithilfe von Kontrastmitteln das Lumen (Innenraum) der Koronararterien (Arterien, die kranzförmig das Herz umgeben und den Herzmuskel mit Blut versorgen) sichtbar macht)
  • Lenègre-Erkrankung – angeborene degenerative Erkrankung des Erregungsleitungssystems des Herzens. Die erworbene Form durch mechanische Verletzung wird Lev-Erkrankung genannt.
  • Lev-Erkrankung – degenerative Erkrankung des Erregungsleitungssystems des Herzens
  • Lyme-Borreliose mit kardialer Beteiligung (Karditis/Lyme-Karditis; AV-Block) – durch Zecken übertragene Infektionskrankheit; Komplikation kann innerhalb weniger Tage bis Monate nach einem Zeckenstich auftreten; Karditis-Rate liegt in Europa bei ca. 1 %
  • Mononukleose (Synonyme: Pfeiffer'sches Drüsenfieber, infektiöse Mononukleose, Mononucleosis infectiosa, Monozytenangina oder Kusskrankheit, (Student's) Kissing Disease, genannt) – häufige Viruserkrankung, die durch das Epstein-Barr-Virus hervorgerufen wird; dieses befällt Lymphknoten, kann aber auch Leber, Milz und Herz betreffen
  • Myokardinfarkt (Herzinfarkt) (Hazard Ratio 3,54) [1]
  • Myokarditis (Herzmuskelentzündung)
  • Neoplasien (bösartige Gewebeneubildungen)
  • Sarkoidose (Synonyme: Morbus Boeck; Morbus Schaumann-Besnier) – systemische Erkrankung des Bindegewebes mit Granulombildung (Haut, Lunge und Lymphknoten)

Labordiagnosen – Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten

  • Nüchternglucose (Nüchternblutzucker) ↑ (Hazard Ratio 1,22) [1]

Medikamente

  • Antiarrhythmika
    • Ia-Antiarrhythmika (Ajmalin, Chinidin, Disopyramid, Prajmalin)
    • Ic-Antiarrhythmika (Flecainid, Propafenon)
    • Klasse II-Antiarrhythmika (Betablocker: Atenolol, Bisoprolol, Metoprolol, Propranolol)
    • Klasse IV-Antiarrhythmika (Diltiazem, Verapamil)
    • Weitere Antiarrhythmika (Adenosin, Digitalis)
  • Calciumkanalblocker
    • Dihydropyridine (Diltiazem)
    • Benzothiazepine (Verapamil)

Operationen

  • Ethanolablation des Ventrikelseptums (Transcoronary ablation of septal hypertrophy, TASH) bei hypertropher obstruktiver Kardiomyopathie 
  • Herzchirurgische Eingriffe
  • Implantation eines Device, das Druck auf die AV-Knoten-Region ausüben kann
  • Interventioneller Aortenklappenersatz ("transcatheter aortic valve implantation", TAVI)
  • Katheterablation einer AV-Knoten-Reentrytachykardie (AVNRT; Risiko 0,2 bis 0,5 %)

Weiteres

  • Schlaf (erhöhter Parasympathikotonus; meist  AV-Block I. Grades oder ein schwach ausgeprägter AV-Block II. Grades)

Literatur

  1. Kerola T et al.: Risk Factors Associated With Atrioventricular Block JAMA Netw Open. 2019;2(5):e194176. doi:10.1001/jamanetworkopen.2019.4176
  2. Dyssekilde JR et al.: Familial risk of atrioventricular block in first degree relatives. Heart 2022; https://doi.org/10.1136/heartjnl-2021-320411