Atemnot (Dyspnoe) – Anamnese

Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik der Dyspnoe (Atemnot) dar.

Familienanamnese

  • Wie ist der allgemeine Gesundheitszustand Ihrer Angehörigen?
  • Gibt es in Ihrer Familie Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems oder der Atemwege, wie z. B. Asthma, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) oder Herzinsuffizienz (Herzschwäche)?
  • Sind genetische Erkrankungen wie Lungenfibrose (chronische Erkrankung der Lunge, bei der das Lungengewebe durch die Bildung von Narbengewebe (Fibrose) verhärtet und verdickt) oder Mukoviszidose bekannt?

Soziale Anamnese

  • Beruf:
    • Welchen Beruf üben Sie aus?
    • Arbeiten Sie in einem Umfeld mit schädigenden Arbeitsstoffen wie Staub, Chemikalien oder Gasen?
  • Leben oder arbeiten Sie in einer Umgebung mit hoher Luftverschmutzung?
  • Gibt es Hinweise auf psychosoziale Belastungen oder chronischen Stress?

Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)

  • Wann und wie begann die Atemnot?

    • plötzlich aufgetreten [Blutdruckkrise, Hyperventilation, Lungenembolie, Myokardinfarkt (Herzinfarkt)]
    • episodisch [Asthma bronchiale (intermittierend), COPD-Exazerbation (remittierend)
    • langsam progredient (fortschreitend) [chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Anämie (Blutarmut), Lungenfibrose, Tumor]
    • rasch progredient [Azidose, Anämie, Pneumonie (Lungenentzündung)]
  • Graduierung pulmonaler Dyspnoe nach den modifizierten Vorschlägen des Medical Research Council (MRC):
    • Grad 0: „Ich habe nie Atemnot außer bei starker Anstrengung.“
    • Grad 1: „Ich habe Atemnot beim schnellen Gehen oder beim Bergaufgehen mit leichter Steigung.“
    • Grad 2: „Ich gehe beim Gehen in der Ebene langsamer als Gleichaltrige oder benötige bei selbst gewählter Geschwindigkeit Pausen.“
    • Grad 3: „Ich benötige eine Pause wegen Atemnot beim Gehen in der Ebene nach 100 m oder wenigen Minuten.“
    • Grad 4: „Ich bin zu kurzatmig, um das Haus zu verlassen oder mich an- oder auszuziehen.“
  • Merkmale der Atemnot:
    • Ist sie lageabhängig? Benötigen Sie mehrere Kissen zum Schlafen? Können Sie flachliegen, ohne zu wenig Luft zu bekommen? (Orthopnoe)
    • Besteht die Atemnot in Ruhe oder unter Belastung?
    • Ist sie anfallsweise, z. B. nachts (paroxysmale nächtliche Dyspnoe)?
    • Tritt sie beim Ein- oder Ausatmen stärker auf?
    • Gibt es ein Engegefühl in der Brust?*
  • Wobei besteht die Atemnot?
    • beim Einatmen [Rekurrensparese, Tumor der Trachea (Luftröhre), Verlegung der oberen Atemwege]
    • beim Ausatmen? [Asthma bronchiale, COPD, zentrales Bronchialkarzinom (Lungenkrebs)]
    • in Ruhe?
    • bei Belastung?
    • hustenabhängig? 
  • Ist die Atemnot von einem Atemzug auf den anderen aufgetreten?*
  • Wie stark ist die Atemnot?
  • Begleitsymptome:
    • Husten (trocken oder produktiv)?*
    • Zäher Auswurf? Blut im Auswurf?*
    • Fieber?*
    • Wadenschmerzen oder Schwellungen der Beine? [Waden-Druckschmerz: tiefe Beinvenenthrombose (TVT), Lungenembolie]
    • Herzklopfen, Schwindel oder Synkope (Hinweis auf kardiogene (das Herz betreffende) Ursache)?
  • Auslöser und Einflussfaktoren:
    • Gab es einen Auslöser, wie körperliche Anstrengung, Stress, allergische Reaktion oder eine Infektion?
    • Sind die Symptome abhängig von Jahreszeiten oder Umwelteinflüssen (Pollen, Luftfeuchtigkeit, Temperaturen)?
    • Hat sich die Atemnot nach einem kürzlichen Infekt der Atemwege verschlechtert?
    • Verstärkt sich die Atemnot nach dem Essen oder bei Stress?
  • Leiden Sie unter Schlafstörungen oder Schlafapnoe (z. B. Schnarchen)?

Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese

  • Haben Sie Appetitlosigkeit oder eine ungewollte Veränderung des Gewichts bemerkt?
  • Rauchen Sie? Wenn ja, wie viele Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen pro Tag?
  • Sind Sie Passivraucher?
  • Trinken Sie Alkohol? Wenn ja, welches Getränk und wie viele Gläser pro Tag?
  • Nehmen Sie Drogen? Wenn ja, welche und wie häufig?

Eigenanamnese

  • Bestehen Vorerkrankungen? (Asthma bronchiale, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), interstitielle Lungenerkrankung, Herzinsuffizienz (Herzschwäche), koronare Herzkrankheit (KHK/Erkrankung der Herzkranzgefäße), Anämie (Blutarmut), Schilddrüsenerkrankungen)
  • Hatten Sie Lungenoperationen, Herzoperationen oder andere Thoraxeingriffe?
  • Mussten Sie sich einer Strahlentherapie (Radiatio) unterziehen? (Bestrahlung im Bereich des Thorax (Brustkorb))
  • Haben Sie bekannte Allergien, z. B. gegen Pollen, Staubmilben oder Medikamente?

Medikamentenanamnese

  • Amiodaron (Antiarrhythmikum) → Interstitielle Pneumonitis (Sammelbegriff für jede Form der Lungenentzündung (Pneumonie), welche nicht die Alveolen (Lungenbläschen), sondern das Interstitium bzw. den Zellzwischenraum betrifft)
  • Antineoplastische Mittel (andere antineoplastische Mittel [z. B. Proteinkinase-Inhibitoren], Antimetabolite)
  • Betablocker, nichtselektive (Propranolol, Pindolol, Carvedilol)
  • Cox-Hemmer (z. B. Acetylsalicylsäure, Indometacin) – durch die Hemmung von Cyclooxygenasen (COX) wird Arachidonsäure verstärkt von der Lipoxygenase in Leukotriene umgewandelt, die einen Asthmaanfall auslösen können
  • Monoklonale Antikörper – Pertuzumab
  • mTOR-Inhibitoren (Everolimus, Temsirolimus)
  • Nitrofurantoin (Antibiotikum)
  • Opioide (Schmerzmittel, die eine schmerzdämpfende Wirkung an den sogenannten Opioidrezeptoren besitzen; z. B. Morphin)
  • Röntgenkontrastmittel (als Sofortreaktion)
  • Thrombozytenaggretationshemmer (z. B. Acetylsalicylsäure, Ticagrelor)

Umweltanamnese

  • Sind Sie Metallsalzen, Holz- oder Pflanzenstäuben oder anderen Chemikalien (beruflich oder privat) ausgesetzt?
  • Waren Sie kürzlich in einer Region mit bekannter Luftverschmutzung, wie Smog oder Feinstaub?
  • Arbeiten oder leben Sie in einem feuchten oder schimmelbelasteten Umfeld?

* Falls diese Frage mit "Ja" beantwortet worden ist, ist ein sofortiger Arztbesuch erforderlich! (Angaben ohne Gewähr)

Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.