Angina pectoris – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Angina pectoris (AP) ist eine klinische Manifestation der myokardialen Ischämie (Minderdurchblutung des Herzmuskels) und äußert sich durch anfallsartige Brustschmerzen. Die Pathogenese ist komplex und umfasst sowohl atherosklerotische als auch nicht-atherosklerotische Ursachen. Es werden folgende Mechanismen unterschieden:

Atherosklerotische Angina pectoris

Die häufigste Ursache der Angina pectoris ist die Atherosklerose (Arteriosklerose, Arterienverkalkung) der großen epikardialen Koronargefäße (Herzaußenhaut versorgenden Herzkranzgefäße). Die Atherosklerose führt zu einer Verengung (Stenose) der Koronararterien (Herzkranzgefäßarterien), wodurch die Sauerstoffversorgung des Myokards beeinträchtigt wird.

  • Mechanismus:
    • Atherosklerotische Plaquebildung (Ablagerung) in den Koronararterien → Einengung des Gefäßlumens.
    • Plaqueruptur oder Plaqueerosion kann zu Thrombenbildung führen und damit eine vorübergehende oder dauerhafte Okklusion (Verschluss) der Koronargefäße verursachen.
    • Dies führt zu einem Missverhältnis zwischen Sauerstoffangebot und -bedarf des Herzmuskels und löst Angina-pectoris-Beschwerden aus.

Nicht-atherosklerotische Angina pectoris

Nicht-atherosklerotisch bedingte myokardiale Ischämien werden durch andere pathophysiologische Mechanismen als durch Plaquebildung verursacht. Hierzu zählen Vasospasmen (Gefäßverengungen), Mikroangiopathien (Erkrankungen der kleinen Blutgefäße) und allergische Reaktionen.

  • Prinzmetal-Angina (Spastische Angina)
    • Die Prinzmetal-Angina ist eine Sonderform der Angina pectoris, die durch Vasospasmen (Verkrampfungen) der Koronararterien ausgelöst wird.
    • Ursache ist eine lokale Überempfindlichkeit der glatten Muskulatur der Koronararterien gegenüber vasokonstriktiven Substanzen.
    • Diese Vasospasmen treten meist in Ruhe und ohne vorherige atherosklerotische Veränderungen auf.
    • Typische EKG-Veränderung: Reversible ST-Strecken-Hebungen ohne Troponin- und CK-Anstieg.
  • Kounis-Syndrom (Allergische Angina)
    • Das Kounis-Syndrom beschreibt eine allergisch bedingte Vasokonstriktion oder einen Myokardinfarkt (Herzinfarkt) als Folge einer Typ-I-Allergie.
    • Histamin, Leukotriene und andere Entzündungsmediatoren, die während der allergischen Reaktion freigesetzt werden, bewirken einen Vasospasmus der Koronararterien.
    • Auch kann es durch die allergische Reaktion zur Plaqueruptur und Thrombusbildung kommen, wodurch ein klassischer Myokardinfarkt entstehen kann.

Mikroangiopathische Angina pectoris (Small Vessel Disease)

Die mikroangiopathische Form betrifft vor allem die kleinen myokardialen Arterienäste (Koronarmikrogefäße). Diese Form wird auch als Ischemia and No Obstructive Coronary Arteries (INOCA) bezeichnet.

  • Mechanismus:
    • Endotheliale Dysfunktion und erhöhte Gefäßsteifigkeit der kleinen intramuralen (in der Muskelschicht verlaufenden) Gefäße.
    • Dies führt zu einer reduzierten Sauerstoffversorgung des Myokards, ohne dass eine signifikante Stenose (Verengung) der großen Koronararterien vorliegt.

Faktoren, die die Pathogenese beeinflussen

  • Endotheliale Dysfunktion: Die Endothelzellen regulieren normalerweise die Gefäßtonus (Gefäßspannung) und verhindern Thrombozytenaggregation (Zusammenlagerung von Blutplättchen). Eine Endothelschädigung durch Risikofaktoren wie Hypertonie (Bluthochdruck), Rauchen oder Hyperlipidämie (erhöhte Blutfettwerte) führt zur Dysfunktion und erhöht das Risiko für eine Angina pectoris.
  • Psychosoziale Faktoren: Psychischer Stress, Angst und Depressionen erhöhen die Katecholaminsekretion (Freisetzung von Stresshormonen), was zur Gefäßverengung und einem erhöhten myokardialen Sauerstoffbedarf führen kann [2].

Einteilung der Angina pectoris nach Ursache

  • Klassische stabile Angina pectoris: Durch körperliche Belastung oder emotionale Aufregung ausgelöst, meist durch eine stabile atherosklerotische Stenose bedingt.
  • Instabile Angina pectoris: Kann in Ruhe auftreten, häufig durch eine Plaqueruptur und Thrombenbildung bedingt.
  • Prinzmetal-Angina: Durch Vasospasmen verursacht, tritt häufig in Ruhe auf.
  • Mikroangiopathische Angina: Ischämie durch kleine Gefäßveränderungen, die mit normalen Koronarangiographien einhergehen.

Zusammenhang mit anderen Erkrankungen

Patienten mit nicht-koronarer Atherosklerose bzw. nicht-koronaren Gefäßkrankheiten (engl. Non Coronary Vascular Disease, NCVD) haben ein erhöhtes Risiko, dass pektanginöse Beschwerden (Brustschmerzen) durch ein chronisches Koronarsyndrom (engl. chronic coronary syndrome, CCS) verursacht werden [1]. Ebenso ist die Angina pectoris schwach mit koronarer Atherosklerose und stark mit soziodemografischen und psychischen Faktoren assoziiert [2].

Zusammenfassung

Die Pathogenese der Angina pectoris umfasst verschiedene Mechanismen, die zu einer Minderdurchblutung des Herzmuskels führen. Während atherosklerotische Veränderungen der großen Koronararterien die häufigste Ursache sind, spielen auch Vasospasmen, Mikroangiopathien und allergische Reaktionen eine bedeutende Rolle. Die genaue Pathogenese hängt von den zugrunde liegenden Mechanismen und der Lokalisation der Gefäßveränderungen ab. Eine differenzierte Betrachtung ist notwendig, um die Art der Angina pectoris und das individuelle Risiko zu bewerten.

Ätiologie (Ursachen)

Da die Angina pectoris typischerweise im Rahmen einer koronaren Herzkrankheit (KHK) auftritt, wird hier auf das Thema "Koronare Herzkrankheit/Ursachen" verwiesen.

Literatur

  1. Vemulapalli S et al.: Cardiovascular Risk and Outcomes in Symptomatic Patients with Suspected CAD and Non Coronary Vascular Disease: A Report from the PROMISE Trial American Heart Journal 2021 https://doi.org/10.1016/j.ahj.2021.07.010
  2. Schef KW et al.: Prevalence of angina pectoris and association with coronary atherosclerosis in a general population Heart 2023;109:1450-1459.