Aneurysma – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Atherosklerose (Arteriosklerose; Arterienverkalkung) ist die häufigste Ursache für Aortenaneurysmen, insbesondere im Bereich der abdominellen Aorta (Bauchschlagader). Sie führt durch eine chronische Schädigung der Gefäßwand zu einer fortschreitenden Intima-Degeneration und einer strukturellen Schwächung der Media (mittlere Schicht der Gefäßwand). Dies äußert sich durch eine erhöhte Aktivität von Matrix-Metalloproteinasen (MMPs), Enzyme, die die Bindegewebshomöostase (Gleichgewicht des Bindegewebes) regulieren. Eine übermäßige MMP-Aktivität bewirkt einen vermehrten Abbau von Kollagen- und Elastinfasern, wodurch die Gefäßwand ihre Stabilität verliert.

  • Folgen:
    • Gefäßwandschwächung → Ausweitung des Gefäßdurchmessers
    • Gefahr der Dissektion (Einriss in der Gefäßwand) oder Ruptur (Gefäßzerreißung)

Entzündlich bedingtes Aneurysma

Bei entzündlichen Aneurysmen, wie dem mykotischen Aneurysma (durch Infektionen verursacht), führen entzündliche Prozesse zu einer Schädigung der elastischen Fasern und glatten Muskelzellen der Gefäßwand. Auch immunologische Erkrankungen wie die Takayasu-Arteriitis (Entzündung großer Blutgefäße) können zur Ausbildung von entzündlichen Aneurysmen führen.

  • Mechanismus:
    • Entzündungszellen (Makrophagen, Lymphozyten) setzen proteolytische Enzyme frei → Zerstörung der Bindegewebsstruktur
    • Infiltration der Gefäßwand mit Leukozyten (weiße Blutkörperchen) → Gefäßwandschwächung

Genetisch bedingtes Aneurysma

Einige Aneurysmen sind durch genetische Defekte bedingt, die zu einer Störung der Kollagensynthese oder einer Instabilität der Gefäßwand führen. Dies tritt typischerweise bei Erkrankungen wie dem Marfan-Syndrom oder dem Ehlers-Danlos-Syndrom auf.

  • Mechanismus:
    • Mutationen in Genen, die für elastische und kollagene Fasern der Gefäßwand kodieren, verursachen strukturelle Schwächen.
    • Erhöhte Dehnbarkeit der Gefäßwand → Entwicklung eines Aneurysmas bereits in jungen Jahren.

Pathogenese nach Lokalisation

  • Aneurysmen der thorakalen Aorta (Brustschlagader):
    • Betrifft zu 50 % die Aorta ascendens (aufsteigender Anteil) und zu 40 % die Aorta descendens (absteigender Anteil).
    • Ursache: Meist degenerative Erkrankungen wie die zystische Medianekrose (Degeneration der Media).
    • Weitere Ursachen: Genetische Syndrome (Marfan-Syndrom, Turner-Syndrom).
  • Aneurysmen der abdominellen Aorta (Bauchschlagader):
    • In 95 % der Fälle infrarenal (unterhalb der Nierenarterien).
    • Primär durch Atherosklerose verursacht.
    • Begünstigt durch Risikofaktoren wie Hypertonie (Bluthochdruck), Rauchen und Hyperlipidämie (erhöhte Blutfettwerte).
  • Zerebrale Aneurysmen (Hirnaneurysmen):
    • Hauptsächlich in der vorderen Zirkulation (vorderer Teil des Gehirnkreislaufs) lokalisiert.
    • Entstehen häufig an Gefäßverzweigungen durch hämodynamische (blutflussbedingte) Belastungen.
    • Genetische Prädisposition: Polyzystische Nierenerkrankung, familiäre Aneurysmen.

Risikofaktoren

  • Rauchen, Hypertonie (Bluthochdruck), fortgeschrittenes Alter, männliches Geschlecht und eine positive Familienanamnese (familiäres Auftreten) sind bedeutende Risikofaktoren.
  • Patienten mit genetischer Prädisposition oder entzündlichen Systemerkrankungen haben ein höheres Risiko für die Ausbildung eines Aneurysmas.

Zusammenfassung

Die Pathogenese des Aneurysmas umfasst verschiedene Mechanismen, die zur Schwächung der Gefäßwand führen. Atherosklerotische Veränderungen, entzündliche Prozesse, genetische Defekte sowie hämodynamische Belastungen können alle zur Ausbildung eines Aneurysmas beitragen. Die genaue Ursache hängt dabei stark von der Lokalisation und dem vorherrschenden Mechanismus ab. Eine differenzierte Betrachtung der zugrunde liegenden Faktoren ist notwendig, um das individuelle Risiko für die Entstehung eines Aneurysmas zu bewerten und geeignete präventive oder therapeutische Maßnahmen zu ergreifen.

Ätiologie (Ursachen)

Aneurysma der hirnversorgenden Gefäße

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung
    • Genetisches Risiko abhängig von Genpolymorphismen:
      • Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
        • SNP: rs10757278 in einer intergenischen Region [zerebrales Aneurysma und abdominales Aortenaneurysma]
          • Allel-Konstellation: GG (1,3-fach)
          • Allel-Konstellation: AA (0,77-fach)
  • Lebensalter zunehmendes Alter

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Alkoholabusus (Alkoholabhängigkeit)
  • Nikotinabusus (Nikotinabhängigkeit) (gilt für beide Geschlechter)
    • Anteil der Raucherinnen mit intrakraniellen ("innerhalb des Schädels lokalisierte") Aneurysmen ist rund viermal so hoch wie unter Frauen ohne Aneurysmen [4]

Krankheitsbedingte Ursachen

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Arterielle Hypertonie (Bluthochdruck) (gilt für beide Geschlechter)
    • Anteil der Hypertonikerinnen ist rund dreimal so hoch wie unter Frauen ohne Aneurysmen [4]

Medikamente

  • Lokale Anwendung eines intrakavitären Carmustin-haltigen Polymers [3]
    Beachte: Zur Vermeidung sollte auf einen ausreichenden Abstand zwischen eingelegten Plättchen und Gefäßen bei der operativen Gliombehandlung geachtet werden [3].

Thorakales Aortenaneurysma

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung – erhöhtes Risiko bei erstgradig Verwandten; 4-14 % dieser haben ein Aneurysma
    • Genetische Erkrankungen
      • Loeys-Dietz-Syndrom ‒ Aortenaneurysma-Syndrom mit autosomal-dominantem Erbgang (98-100 % dieser Patienten haben ein Aneurysma)
      • Marfan-Syndrom ‒ genetische Erkrankung, die sowohl autosomal-dominant vererbt werden oder vereinzelt (als Neumutation) auftreten kann; systemische Bindegewebserkrankung, die vor allem durch Hochwuchs, Spinnengliedrigkeit und Überstreckbarkeit der Gelenke auffällt; 75 % dieser Patienten haben ein Aneurysma (pathologische (krankhafte) Ausbuchtung der Arterienwand)
      • Turner-Syndrom (Synonyme: Ullrich-Turner-Syndrom, UTS) – genetische Erkrankung, die meist sporadisch auftritt; Mädchen/Frauen mit dieser Besonderheit haben lediglich ein funktionsfähiges X-Chromosom statt der üblichen zwei (Monosomie X); u. a. mit Anlagestörung der Aortenklappe (33 % dieser Patienten haben ein Aneurysma/krankhafte Aussackung einer Arterie); sie ist die einzige lebensfähige Monosomie beim Menschen und kommt ungefähr einmal bei 2.500 weiblichen Neugeborenen vor.
  • Männliches Geschlecht
  • Lebensalter zunehmendes Alter (ca. 4,6 % der über 60-Jährigen haben ein Aneurysma)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Nikotinabusus (Nikotinabhängigkeit)
  • Drogenkonsum
    • Kokain

Krankheitsbedingte Ursachen

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Anlagestörungen der Aortenklappe ‒ bicuspide-, unicuspide Aortenklappe, Turner-Syndrom
  • Aortitis ‒ Entzündung der Hauptschlagader (30-67 % dieser Patienten haben ein Aneurysma)
  • Arterielle Hypertonie (Bluthochdruck)
  • Atherosklerose (Arteriosklerose, Arterienverkalkung)
  • Gsell-Erdheim-Syndrom (idiopathische Medianekrose der Aorta) ‒ Gewebsuntergang unklarer Ursache der mittleren Gefäßwand der Hauptschlagader
  • Strukturschwäche der Media/mittlere Schicht der Gefäße (Mediadegeneration)
  • Syndrom der bicuspiden Aortenklappe: hier ist neben der Aortenklappe auch die Aorta ascendens (aufsteigende Aorta) mit eingezogen; Patienten mit dieser Erkrankung entwickeln in ca. 26 % der Fälle ein Aneurysma der Aorta ascendens
  • Takayasu-Arteriitis  – granulomatöse Vaskulitis (Gefäßentzündung) des Aortenbogens und der abgehenden großen Gefäße; fast ausschließlich bei jungen Frauen
  • Vaskulitis (Gefäßentzündung)

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Syphilis (Lues)

Medikamente

  • Antiasthmatische Medikation (Beta-2-Sympathomimetika oder Glucocorticoide) (OR=1,46) [2]
  • Chinolone/Fluorchinolone/Gyrasehemmer (Ciprofloxacin, Moxifloxacin, Nalidixinsäure, Norfloxacin, Lomefloxacin, Levofloxacin, Ofloxacin) – Bei einer Verordnung innerhalb der letzten 60 Tage Erhöhung des relativen Risikos auf ein Aortenaneurysma oder eine Aortendissektion um den Faktor 2,43 [1].
    Hinweis: Möglicherweise birgt die Infektion das Risiko für die Entstehung eines Aortenaneurysma und nicht die Behandlung mit Chinolone: Fluorchinolone waren im Vergleich zu kombiniertem Amoxicillin-Clavulanat oder kombiniertem Ampicillinsulbactam (OR, 1,01; 95 % CI, 0,82-1,24) oder mit Cephalosporinen mit erweitertem Spektrum (OR, 0,88; 95 % CI) nicht mit einem erhöhten AA / AD-Risiko verbunden 0,70-1,11) bei Patienten mit indizierten Infektionen [6].

Weitere Ursachen

  • Gravidität (Schwangerschaft) – Risiko für akute Aortendissektion (Aneurysma dissecans aortae: Aufspaltung der Wandschichten der Hauptschlagader (Aorta)): in 61, 5 % aller Fälle kurz nach der Geburt – zumeist innerhalb von 30 Tagen nach der Entbindung; vor der Geburt 15,1 %; in 23, 4 % der Fälle während der Entbindung; besonders hoch war die Mortalität, wenn die Dissektion (Aufspaltung) in der Aorta auftrat (8,6 %) [5]
  • Iatrogen (Herzkatheter)

Abdominelles Aortenaneurysma

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung – erhöhtes Risiko bei erstgradig Verwandten
    • Genetisches Risiko abhängig von Genpolymorphismen:
      • Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
        • Gene: DAB2IP
        • SNP: rs7025486 im Gen DAB2IP
          • Allel-Konstellation: AG (1,2-fach)
          • Allel-Konstellation: AA (1,4-fach)
        • SNP: rs10757278 in einer intergenischen Region
          • Allel-Konstellation: GG (1,3-fach)
          • genetische Erkrankungen genetische Erkrankungen Allel-Konstellation: AA (0,77-fach)
    • Genetische Erkrankungen
      • Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) ‒ genetische Erkrankungen, die sowohl autosomal-dominant als auch autosomal-rezessiv sind; heterogene Gruppe, die durch eine Störung der Kollagensynthese bedingt sind; gekennzeichnet durch eine erhöhte Elastizität der Haut und ungewöhnliche Zerreißbarkeit derselbigen
      • Loeys-Dietz-Syndrom – Aortenaneurysma-Syndrom mit autosomal-dominantem Erbgang, welches durch eine Mutation des TGF-β-Rezeptors bedingt ist  (98-100 % dieser Patienten haben ein Aneurysma)
      • Marfan-Syndrom – genetische Erkrankung, die sowohl autosomal-dominant vererbt werden oder vereinzelt (als Neumutation) auftreten kann; systemische Bindegewebserkrankung, die vor allem durch Hochwuchs auffällt; 75 % dieser Patienten haben ein Aneurysma 

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Nikotinabusus (Nikotinabhängigkeit)

Krankheitsbedingte Ursachen

Angeborene Fehlbildungen, Deformitäten und Chromosomenanomalien (Q00-Q99)

  • Anlagestörungen der Aortenklappe
  • Ehlers-Danlos-Syndrom (s. u. "Biographische Ursachen")
  • Loeys-Dietz-Syndrom (s. u. "Biographische Ursachen")
  • Marfan-Syndrom (s. u. "Biographische Ursachen")

Atmungssystem (J00-J99)

  • Asthma bronchiale (65-74 Jahre alte Männer) [1]

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Arterielle Hypertonie (Bluthochdruck)
  • Atherosklerose (Arteriosklerose, Arterienverkalkung)
  • Vaskulitis (Gefäßentzündung)

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Aortitis, z. B. durch Syphilis (Lues)

Labordiagnosen Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten

  • Hypercholesterinämie

Medikamente

  • Antiasthmatische Medikation (Beta-2-Sympathomimetika oder Glucocorticoide) (OR=1,46) [2]
  • Chinolone/Fluorchinolone/Gyrasehemmer (Ciprofloxacin, Moxifloxacin, Nalidixinsäure, Norfloxacin, Lomefloxacin, Levofloxacin, Ofloxacin) – Bei einer Verordnung innerhalb der letzten 60 Tage Erhöhung des relativen Risikos auf ein Aortenaneurysma oder eine Aortendissektion um den Faktor 2,43 [1].
    Hinweis: Möglicherweise birgt die Infektion das Risiko für die Entstehung eines Aortenaneurysma und nicht die Behandlung mit Chinolone: Fluorchinolone waren im Vergleich zu kombiniertem Amoxicillin-Clavulanat oder kombiniertem Ampicillinsulbactam (OR, 1,01; 95 % CI, 0,82-1,24) oder mit Cephalosporinen mit erweitertem Spektrum (OR, 0,88; 95 % CI) nicht mit einem erhöhten AA / AD-Risiko verbunden 0,70-1,11) bei Patienten mit indizierten Infektionen [6].

Literatur

  1. Lee CC et al.: Risk of Aortic Dissection and Aortic Aneurysm in Patients Taking Oral Fluoroquinolone. JAMA Intern Med. Published online October 05, 2015. doi:10.1001/jamainternmed.2015.5389
  2. Liu CL, et al.: Asthma associates with human abdominal aortic aneurysm and rupture Arterio Thromb Vasc Biol 2016; doi: 10.1161/ATVBAHA.115.306497.
  3. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft: Aneurysma der Arteria cerebri media nach lokaler Anwendung eines intrakavitären Carmustin-haltigen Polymers (Gliadel®). Ärzteblatt Sachsen-Anhalt Januar 2019
  4. Ogilvy CS et al.: Cigarette smoking and risk of intracranial aneurysms in middle-aged women J Neurol Neurosurg Psychiatry . 2020 Jul 28;jnnp-2020-323753. doi: 10.1136/jnnp-2020-323753.
  5. Beyer S et al.: Pregnancy-associated arterial dissections: a nationwide cohort study. Eur Heart J 30 July 2020 ehaa497, doi: 10.1093/eurheartj/ehaa497
  6. Dong YH et al.: Association of Infections and Use of Fluoroquinolones With the Risk of Aortic Aneurysm or Aortic Dissection. JAMA Intern Med. Published online September 8, 2020. doi:10.1001/jamainternmed.2020.4192