Aneurysma – Operative Therapie

Die operative Therapie eines Aneurysmas (krankhafte Erweiterung eines Blutgefäßes) hängt von der Lokalisation und Größe des Aneurysmas ab. Es gibt verschiedene chirurgische und interventionelle Verfahren, die je nach Risikoprofil und Patientenstatus angewandt werden.

Indikationen (Anwendungsgebiete) für operative Maßnahmen

Aneurysma der hirnversorgenden Gefäße

  • Clipping (offene mikrochirurgische Operation):
    • Das Aneurysma wird nach Eröffnung des Schädels mit einem Titanclip am Aneurysmahals isoliert, um eine Ruptur zu verhindern.

Thorakales Aortenaneurysma (TAA, krankhafte Erweiterung der Brustschlagader)

  • Konventionelle Operation mit Eröffnung des Thorax (Brustkorb) über eine Sternotomie (Längsdurchtrennung des Brustbeins) unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine (HLM).
    Mögliche Vorgehensweisen:
    • Aortenbogenersatz – teilweiser oder kompletter Ersatz des Aortenbogens
    • Compositeersatz – kombinierte Aortenklappen- und Aortengefäßprothese
    • David-Operation – Gefäßprothese mit Rekonstruktion der Aortenklappe
    • Suprakoronarer Ersatz – Gefäßprothese oberhalb der Herzkranzgefäße, ggf. mit Aortenklappenersatz

Abdominelles Aortenaneurysma (AAA, krankhafte Erweiterung der Bauchaorta)

  • Interventionelle Therapie (Endovaskuläre Aneurysmareparatur, EVAR):
    • Einführung einer Stentprothese (Gefäßstütze)
    • Geeignet für Patienten mit hohem OP-Risiko oder Kontraindikationen für offene Operationen
    • Erfordert lebenslange Nachkontrollen wegen möglicher Endoleckagen oder Stentmigration
    • Offenheitsraten der Stentprothesen: 93-98 %
  • Offene Aneurysmareparatur (OAR):
    • Eröffnung des Abdomens, Einnähen einer Gefäßprothese
    • Langfristig stabiler als EVAR, aber mit höherem Operationsrisiko
  • Operationsindikation bei nicht rupturiertem AAA (nrAAA):
    • ≥ 5,0-5,5 cm bei Männern
    • > 4,5 cm bei Frauen

Operative Maßnahmen bei Aortendissektion (Aufspaltung der Gefäßwand der Aorta)

Stanford-Klassifikation der Aortendissektion

  • Stanford Typ A (DeBakey I/II):
    • Betrifft die Aorta ascendens (aufsteigende Aorta) oder Aortenbogen
    • Absolute OP-Indikation, da hohes Rupturrisiko
  • Stanford Typ B (DeBakey III):
    • Betrifft die Aorta descendens (absteigende Aorta)
    • Konservative Therapie bevorzugt, außer bei drohenden Komplikationen

Operationsindikation bei Aortendissektion

  • Durchmesser > 55 mm
  • Symptomatische Dissektion mit starkem retrosternalem Thoraxschmerz (Brustschmerzen hinter dem Brustbein)
  • Wandernde Schmerzen mit Ausstrahlung zwischen Schulterblättern, Rücken und Abdomen
  • Malperfusion (Minderdurchblutung lebenswichtiger Organe)
  • Neurologische Symptome (z. B. Bewusstseinsstörungen, Lähmungen)
  • Hämatothorax (Blutansammlung im Brustkorb)
  • Größenzunahme des falschen Lumens > 6 cm

Therapie der Aortendissektion

  • Stanford Typ A → Sofortige Operation
  • Stanford Typ B ohne Komplikationen → Blutdrucksenkung und konservative Therapie
  • Stanford Typ B mit drohenden Komplikationen → Interventionelle oder chirurgische Therapie

Vergleich der operativen Verfahren bei Aneurysmen

Verfahren Indikation Vorteile Nachteile
Clipping Aneurysma der hirnversorgenden Gefäße Langfristige Sicherung des Aneurysmas Erfordert offene Schädeloperation
Aortenbogenersatz Thorakales Aneurysma Stabiler Gefäßersatz Hohe OP-Risiken durch HLM
Compositeersatz Aneurysma mit Aortenklappenbeteiligung Ersatz von Aortenklappe und Aorta Notwendigkeit lebenslanger Antikoagulation
David-Operation Aortenaneurysma mit erhaltbarer Aortenklappe Erhalt der eigenen Aortenklappe Technisch anspruchsvoll
EVAR (Stentprothese) Abdominelles Aortenaneurysma (hohes OP-Risiko) Minimalinvasiv, kürzere Erholungszeit Langfristige Nachsorge notwendig
OAR (offene Aneurysmareparatur) Abdominelles Aortenaneurysma Dauerhafter Gefäßersatz ohne Stentprobleme Längere Erholungszeit, höhere OP-Risiken
Operation bei Aortendissektion Akute Stanford A, komplizierte Stanford B Verhindert Ruptur und Organversagen Hohe perioperative Letalität

Prognose und Letalität (Sterblichkeit bezogen auf die Gesamtzahl der Erkrankten)

Therapie Letalität nach 24h Letalität nach 1 Monat Letalität nach 1 Jahr
Aortendissektion ohne OP 30-80 % 10 % Sehr hoch
Aortendissektion mit OP - 15-20 % 20 %

Weitere Hinweise

  • Kleine nicht rupturierte intrakranielle Aneurysmen ("innerhalb des Schädels") müssen nicht unbedingt behandelt werden, wenn der Durchmesser 7 mm nicht überschreitet. In solchen Fällen ist das Rupturrisiko sehr gering und liegt deutlich unter 1 %. Patienten mit Minianeurysmen können mit der Strategie, die keine Therapie und auch keine präventiven Nachkontrollen vorsah, noch mit 19,40 Lebensjahren bei voller Gesundheit rechnen (Quality Adjusted Life-Years, QALY). Die Therapieentscheidung "Coiling" (neurochirurgisches angiographisch gestütztes Verfahren zur endovaskulären Embolisation) führte zu 17,53 QALY [5].
  • Eine spätere Operation verschlechtert die ÜberlebenschanceIn England (Männer: 63,8 mm; Frauen: 61,7 Millimeter mm) wird ein abdominalen Aortenaneurysmas deutlich später operiert als in den USA (Männer: 58,2 mm; Frauen: 56,3 Millimeter mm) mit der Folge einer dreimal so hohen Mortalität (Sterberate) wie in den USA: Odds-Ratio 3,60 (3,55-3,64) [4].
  • Eine endovaskuläre Aneurysmaausschaltung (EVAR; Endovascular aneurysma repair) mittels Stentgraftsystemen ("Gefäßstütze") geht bekanntermaßen mit einer deutlich niedrigeren perioperativen Mortalität (Sterblichkeit im zeitlichen Umfeld des chirurgischen Eingriffs) einher als eine offene Operation. Dieser Überlebensvorteil blieb rund drei Jahre bestehen, danach glichen sich die Uberlebensraten in beiden Gruppen an, wie Langzeitergebnisse (Beobachtungsdauer: max. 8 Jahre) einer großen Studie belegen konnte [1].
  • Abdominelle Aortenaneurysmas (AAA): Vergleich endovaskuläre Aneurysmaausschaltung (Endovascular aneurysma repair, EVAR) versus Aneurysmareparatur (OAR) [2]:
    • 30-Tages-Mortalität: EVAR ca. 1,5 % versus OAR ca. 4,7 %
    • Nach 3 Jahren: bei beiden Verfahren ca. 19,9 % Mortalitätsrate; Re-Interventionen: EVAR 6,6 % versus OAR 1,5 %
  • Bauch­aorten-Aneu­rysmen: Die offene Operation (OAR) war in einer Langzeitstudie langfristig einer EVAR überlegen. Dieses wird darauf zurückgeführt, dass Gefäßprothesen langfristig häufiger zu Komplikationen neigen. Nach sechs Monaten waren keine Mortalitätsvorteile (Sterblichkeitsvorteile) der EVAR mehr nachweisbar. Im weiteren Verlauf stieg in diesem Kollektiv die Mortalität (Sterblichkeit) weiter an und erreichte im etwa achten Jahr das Signifikanzniveau. Nach im Mittel 12,7 Jahren ist die Gesamtmortalität nach EVAR um 25 % höher (adjustierte Hazard Ratio 1,25; 1,00-1,56). Die aneurysmabedingte Mortalität war sogar fast 6-fach höher (adjustierte Hazard Ratio 5,82; 1,64-20,65) [3].

Fazit

Die Wahl der operativen Therapie eines Aneurysmas hängt von Lokalisation, Größe und Patientenzustand ab. Während interventionelle Verfahren wie EVAR eine schonende Alternative zur offenen Operation darstellen, bieten chirurgische Eingriffe wie Clipping, Aortenbogenersatz oder Compositeersatz eine langfristige Sicherung des Gefäßsystems. Die Aortendissektion Typ A erfordert eine sofortige Operation, während bei Typ B eine differenzierte Indikationsstellung erfolgt. Regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen sind essenziell, um Komplikationen frühzeitig zu erkennen.

Literatur

  1. Schermerhorn ML et al.: Long-Term Outcomes of Abdominal Aortic Aneurysm in the Medicare Population. N Engl J Med. 2015;373(4):328-38
  2. Chang DC et al.: Survival After Endovascular vs Open Aortic Aneurysm Repairs. JAMA Surg. 2015 Dec;150(12):1160-6. doi: 10.1001/jamasurg.2015.2644.
  3. Patel R et al.: Endovascular versus open repair of abdominal aortic aneurysm in 15-years’ follow-up of the UK endovascular aneurysm repair trial 1 (EVAR trial 1): a randomised controlled trial. N Engl J Med 2010; 362:1863-1871 May 20, 2010 doi: 10.1056/NEJMoa0909305
  4. Karthikesalingam A et al.: Thresholds for Abdominal Aortic Aneurysm Repair in England and the United States. N Engl J Med 2016; 375:2051-2059 November 24, 2016 doi: 10.1056/NEJMoa1600931
  5. Malhotra A et al.: Tiny Unruptured Intracranial Aneurysms: A Comparative Effectiveness Analysis. JAMA Neurol. Published online November 20, 2017. doi:10.1001/jamaneurol.2017.3232