AV-Knoten-Reentrytachykardie – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Die AV-Knoten-Reentrytachykardie (AVRT) ist eine Herzrhythmusstörung, bei der es durch die Anwesenheit einer oder mehrerer akzessorischer Leitungsbahnen zwischen den Herzvorhöfen und den Herzkammern zu einer kreisenden Erregung (Reentry-Kreislauf) und somit zu einer Tachykardie (Herzfrequenzbeschleunigung) kommt. Die Pathogenese ist gekennzeichnet durch das Phänomen der Reentry-Erregung, bei der sich die elektrische Erregung im Herzen kreisend bewegt und dadurch das Herz immer wieder neu erregt, ohne dass der normale Sinusrhythmus greift.
Die Frequenz dieser Tachykardien liegt typischerweise zwischen 160 und 250 Schlägen pro Minute. Die Symptomatik reicht von Herzklopfen (Palpitationen) und Schwindel (Vertigo) bis zu Synkopen (kurzzeitiger Bewusstseinsverlust) bei ausgeprägter Tachykardie.
Reentry-Mechanismus und akzessorische Leitungsbahnen
Der Reentry-Mechanismus ist die Grundlage der AVRT. Normalerweise wird die elektrische Erregung aus den Vorhöfen über den AV-Knoten (Atrioventrikularknoten) auf die Kammern übertragen. Liegt jedoch eine zusätzliche Leitungsbahn vor, so kann die Erregung auch außerhalb des AV-Knotens über diese akzessorische Bahn zurück in den Vorhof geleitet werden und eine kreisende Erregung auslösen.
Diese akzessorischen Leitungsbahnen sind in der Regel bereits bei der Geburt vorhanden (kongenital), können aber im Rahmen struktureller Herzerkrankungen auch später entstehen. Sie ermöglichen eine abnormale Erregungsleitung, die zu einer verkürzten AV-Überleitungszeit und damit zu einer Tachykardie führen kann.
Unterteilung der AVRT in zwei Haupttypen:
- AVRT mit Präexzitation: Diese Form tritt bei Vorliegen eines Wolff-Parkinson-White-Syndroms (WPW-Syndrom) auf. Das WPW-Syndrom ist gekennzeichnet durch das Vorhandensein einer akzessorischen Bahn (Kent-Bündel), die die elektrische Erregung vom Vorhof auf den Ventrikel unter Umgehung des AV-Knotens überträgt. Hierbei unterscheidet man:
- Anterograde Leitungsbahnaktivität: Die Erregung wird zuerst über die akzessorische Bahn (Kent-Bündel) und anschließend über den AV-Knoten weitergeleitet, was zu einer verkürzten PR-Zeit und einem Delta-Wellen-Phänomen im EKG führt.
- Retrograde Leitungsbahnaktivität: Die Erregung geht über den AV-Knoten in die Kammer und kehrt über die akzessorische Bahn in den Vorhof zurück. Dies führt zu einer kreisenden Erregung und einer anhaltenden Tachykardie.
- Diese Form der AVRT kann durch Triggerfaktoren wie körperliche Belastung, Stress, Koffein oder strukturelle Herzerkrankungen ausgelöst werden.
- AVRT ohne Präexzitation: Bei dieser Form fehlen die typischen Merkmale einer Präexzitation im EKG, es handelt sich jedoch ebenfalls um eine kreisende Erregung, die durch zusätzliche Leitungsbahnen verursacht wird. Eine genetisch bedingte Anomalie des Reizleitungssystems oder strukturelle Herzerkrankungen wie ein Mitralklappenprolaps (Fehlbildung des Mitralklappenapparates) können hier als Ursache vorliegen. Die kreisende Erregung entsteht durch unterschiedlich schnell leitende Bahnen, die für die Entstehung eines funktionellen Reentry-Kreislaufs verantwortlich sind.
Ätiologie (Ursachen)
Die Ursachen der AVRT können je nach Typ sehr unterschiedlich sein und umfassen:
Angeborene Ursachen
- Präexzitationssyndrome wie das WPW-Syndrom (Wolff-Parkinson-White-Syndrom)
- Akzessorische Leitungsbahnen (Kent-Bündel, James-Fasern) als kongenitale (angeborene) Anomalien des Erregungsleitungssystems
- Genetisch bedingte Reizleitungsanomalien, die zu veränderten Bahnen führen
Erworbene Ursachen
- Mitralklappenprolaps: Fehlbildung der Mitralklappe, die zur Entstehung von zusätzlichen Leitungsbahnen führen kann
- Kardiale Erkrankungen (Herzerkrankungen): Hypertrophe Kardiomyopathie, dilatative Kardiomyopathie, Myokarditis (Herzmuskelentzündung)
- Strukturelle Herzerkrankungen wie ischämische Herzerkrankungen, die sekundär zu einer Anomalie im Reizleitungssystem führen
- Veränderte Myokardarchitektur: z. B. durch postinflammatorische oder postoperative Veränderungen, die zusätzliche Leitungswege im Myokard bilden
Triggerfaktoren
- Vegetative Dysregulation: Stress, Angst oder gesteigerter Vagotonus (erhöhter Einfluss des parasympathischen Nervensystems)
- Elektrolytstörungen: Hypokaliämie (niedrige Kaliumwerte), Hypercalcämie (erhöhte Calciumwerte)
- Medikamente: Antiarrhythmika, Digitalispräparate, die die Erregungsleitung beeinflussen können
Diagnostik und klinische Relevanz
Die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Formen der AVRT ist klinisch relevant, da die therapeutischen Ansätze variieren. Bei WPW-assoziierten Tachykardien kann eine Ablation der akzessorischen Bahn kurativ sein, während bei anderen Formen ggf. eine medikamentöse Therapie im Vordergrund steht.
Der Einsatz von EKG-Kriterien wie der Präexzitation (Delta-Welle) und der Elektrophysiologischen Untersuchung (EPU) zur Identifizierung der Leitungsbahnen ist essenziell, um die Diagnose sicherzustellen.
Durch die Kenntnis der zugrunde liegenden Pathogenese können Therapieentscheidungen zielgerichtet getroffen und das Risiko für lebensbedrohliche Arrhythmien minimiert werden.