Zyanose – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Zyanose entsteht durch einen erhöhten Anteil an reduziertem Hämoglobin (nicht-oxygeniertes Hämoglobin) im Kapillarblut. Wenn die Konzentration des reduzierten Hämoglobins auf über 5 g/dL ansteigt, kommt es zu einer sichtbaren bläulichen Verfärbung der Haut und Schleimhäute.

Formen der echten Zyanose

Zentrale Zyanose

  • Ursache: Verminderte Sauerstoffanreicherung in der Lunge oder eine Vermischung von sauerstoffreichem und sauerstoffarmem Blut.
  • Unterteilung:
    • Pulmonale Zyanose: Entsteht bei gestörter Ventilation (Belüftung der Lunge), Diffusion (Sauerstoffaustausch) oder Perfusion (Durchblutung) in den Alveolen (Lungenbläschen).
    • Kardiale Zyanose: Verursacht durch die Vermischung von venösem und arteriellem Blut bei Herzfehlern (z. B. durch arteriovenöse Shunts oder Anastomosen).
  • Charakteristisch: Blaufärbung von Haut und zentralen Schleimhäuten (Lippen, Zunge).

Periphere Zyanose

  • Ursache: Erhöhte Sauerstoffausschöpfung in den peripheren Geweben aufgrund verringerten Blutflusses (z. B. Kälte, Herzinsuffizienz).
  • Typisch: Blaufärbung der Akren (Finger, Zehen, Nase, Ohren) bei rosigen zentralen Schleimhäuten.

Mischform von zentraler und peripherer Zyanose

  • Tritt auf, wenn sowohl zentrale als auch periphere Ursachen kombiniert vorliegen (z. B. schwere Herzfehler mit sekundären Durchblutungsstörungen).

Hämoglobinopathie-bedingte Zyanose

  • Ursache sind pathologische Hämoglobinformen, die eine verminderte Sauerstoffbindungskapazität aufweisen:
    • Methämoglobinämie: Methämoglobin kann keinen Sauerstoff binden. Ursachen sind Medikamente oder Gifte (z. B. Nitrite, Aniline).
    • Carboxyhämoglobinämie: Carboxyhämoglobin entsteht bei CO-Intoxikation (Kohlenmonoxidvergiftung) und kann Sauerstoff nicht transportieren.
    • Sulfhämoglobinämie: Sulfhämoglobin entsteht durch Hämoglobin-Oxidation (z. B. durch Medikamente oder Schwefelwasserstoff).

Abgrenzung zur Pseudozyanose

Die Pseudozyanose äußert sich durch eine bläuliche oder grau-bläuliche Hautverfärbung, die jedoch nicht auf eine Hypoxie (Sauerstoffmangel im Blut) zurückzuführen ist, sondern durch Pigmentablagerungen in der Haut entsteht. Häufige Ursachen sind Medikamentennebenwirkungen (z. B. Amiodaron, Chloroquin) oder Metallablagerungen (z. B. durch Silber, Gold).

Sonderform: Akrozyanose

  • Definition: Eine Zyanose, die auf die Akren (Finger, Zehen, Nase) begrenzt ist, meist symmetrisch auftritt und oft durch Kälte oder eine vasomotorische Dysregulation (Störung der Gefäßsteuerung) bedingt ist.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die genaue Unterscheidung der Zyanoseformen ist wichtig für die Diagnose und Therapie. Während die zentrale Zyanose oft auf schwerwiegende kardiopulmonale Erkrankungen hinweist, ist die periphere Zyanose häufig durch lokale Durchblutungsstörungen verursacht. Eine Pseudozyanose hingegen erfordert die Abklärung der zugrunde liegenden Ursache, um die Pigmentablagerungen zu identifizieren und ggf. die auslösenden Faktoren (z. B. Medikamente) abzusetzen.

Ätiologie (Ursachen)

Hämoglobinopathie-bedingte Zyanose

Zentrale Zyanose

Krankheitsbedingte Ursachen

Atmungssystem (J00-J99)

  • Akute und chronische respiratorische Insuffizienz (Atmungsschwäche)
  • ARDS (Acute Respiratory Distress Syndrome) – akutes Lungenversagen des Erwachsenen
  • Asthma bronchiale
  • Atemwegsobstruktion (z. B. Schlafapnoe, Pickwick-Syndrom)
  • Bronchiektasen (Synonym: Bronchiektasie) – dauerhaft bestehende irreversible sackförmige oder zylindrische Ausweitungen der Bronchien (mittelgroße Atemwege), die angeboren oder erworben sein kann; Symptome: chronischer Husten mit "maulvoller Expektoration" (großvolumiger dreigeschichteter Auswurf: Schaum, Schleim und Eiter), Müdigkeit, Gewichtsverlust und eine verringerte Leistungsfähigkeit
  • Chronische Bronchitis (Entzündung der Schleimhaut der Bronchien)
  • Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)
  • Interstitielle Lungenerkrankungen
  • Lungenemphysem (Lungenblähung)
  • Lungenödem – Wasseransammlung in der Lunge
  • Pneumonie (Lungenentzündung)
  • Pneumothorax (Lungenkollaps)
  • Wabenlunge (Zystenlunge)

Blut, blutbildende Organe – Immunsystem (D50-D90)

  • Kälteagglutinationskrankheit – erworbene Erkrankung, die durch die Bildung von Kälteagglutininen bedingt ist
  • Kryoglobulinämie – chronisch rezidivierende Immunkomplexvaskulitiden
  • Methämoglobinämie – erhöhte Konzentration von Methämoglobin in den Erythrozyten (rote Blutkörperchen)
  • Polyglobulie – durch gesteigerte Blutneubildung erhöhte Erythrozytenzahl (Erythrozytose) oder Hämoglobinkonzentration im Blut

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Herzklappenfehler wie Fallot´sche Tetralogie, Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt, Transposition mit großen Arterien 
  • Lungenembolie
  • Myokarditis (Herzmuskelentzündung)
  • Vitien (Herzfehler) mit Rechts-Links-Shunt (bei dieser Störung gelangt sauerstoffarmes venöses Blut unter Umgehung des Lungenkreislaufs direkt in den Körperkreislauf)
    • Double outlet right ventricle (DORV) – Gruppe kongenitaler (angeborener) Fehlbildung des Herzens bei der die Aorta (große Körperschlagader) und Arteria pulmonalis (Lungenarterie) ausschließlich aus dem rechten Ventrikel (Herzkammer) entspringen
    • Fallot́sche Tri- und Tetralogie – kongenitale Fehlbildung des Herzens und der herznahen Gefäße
    • Single Ventricle (Ein-Kammer-Herz)
    • Transposition der großen Gefäße – kongenitale Fehlbildung des Herzens, bei der die Aorta mit dem rechten und die Lungenarterie mit dem linken Ventrikel (Herzkammer) verbunden ist.
    • Truncus arteriosus communis (TAC) – kongenitale Fehlbildung des Herzens, bei der Aorta und Truncus pulmonalis (Lungenschlagader) während der fetalen (frühkindlichen) Entwicklung nicht vollständig getrennt wurden

Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)

  • Kardiogener Schock – Form des Schocks, der durch eine geschwächte Pumpleistung des Herzens verursacht wird

Medikamente

  • Antiarrhythmika – Medikamente gegen Herzrhythmusstörungen
  • Opiatvergiftung

Umweltbelastungen – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Kohlendioxidvergiftung
  • Pestizidvergiftung
  • Hypobare Hypoxie/Sauerstoffmangel (Höhenexposition)

Periphere, generalisierte Zyanose

Krankheitsbedingte Ursachen

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Herzinsuffizienz (Herzschwäche), bei:
    • Arrthythmien (Herzrhythmusstörungen)
    • ischämische oder dilatative Kardiomyopathie (DCM, Herzmuskelerkrankung)
    • Klappenvitien (Herzklappenfehler)
    • Perikardtamponade (Herzbeuteltamponade)

Periphere, lokalisierte Zyanose

Krankheitsbedingte Ursachen

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Arterielle Obstruktion (Verschluss von Arterien)
  • Endangiitis obliterans – segmentale Vaskulitis (Gefäßentzündung) kleiner und mittelgroßer Arterien und Venen überwiegend der unteren Extremität
  • Phlebothrombose – Verschluss einer Vene durch einen Thrombus (Blutpfropf)
  • Postthrombotisches Syndrom – chronische Venenstauung, die die untere Extremität als Folge einer tiefen Beinvenenthrombose betrifft.
  • Raynaud-Syndrom – Durchblutungsstörungen an den Händen oder Füßen, die durch Vasospasmen (Gefäßspasmen) bedingt sind.
  • Thrombose – Verschluss eines Gefäßes durch einen Thrombus (Blutpfropf)
  • Varikosis (Krampfadern)

Umweltbelastungen – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Kälte

Kombination von zentraler und peripherer Zyanose

Krankheitsbedingte Ursachen

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Dekompensiertes Cor pulmonale bei chronischen Lungenerkrankungen

Carboxyhämoglobinäme 

Umweltbelastungen – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • CO-Intoxikation (CO-Vergiftung)

Methämoglobinämie 

Krankheitsbedingte Ursachen

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Angeborene Methämoglobinämie – erhöhte Methämoglobin-Konzentration in den Erythrozyten (rote Blutkörperchen)
  • Methämoglobin-Reduktase-Mangel – führt zur Methämoglobinämie

Medikamente

  • Chloroquin (Malariamittel)
  • Benzocain – „Zahnungshilfen“ und andere OTC-Präparaten mit Benzocain
  • Dapson (Antirheumatikum mit antibiotischer Wirkung, das zur Gruppe der Sulfone gehört)
  • Lidocain (Lokalanästhetikum)
  • Metoclopramid (Antiemetikum)
  • Nitrofuran (Antibiotikum)
  • Nitroprussid (Antihypertensivum)
  • Phenacetin (Analgetikum)
  • Phenytoin (Antiepileptikum)
  • Prilocain (Lokalanästhetikum)
  • Primaquin (Malariamittel)
  • Sulfonamide (Antibiotikum)

Umweltbelastungen – Intoxikationen (Vergiftungen) 

  • Acetanilid
  • Anilin/Anilinfarbstoffe
  • Aminoverbindungen
  • Arsen
  • Benzol-Derivate
  • Chlorate
  • Cyanverbindungen
  • Dinitrophenol
  • Insektizide
  • Methylenblau
  • Natrium-Thiocyanat
  • Nitrate
  • Nitrite
  • Nitrobenzol
  • Nitrobenzole
  • Nitroglycerin
  • Nitroverbindungen
  • Nitrosegase
  • Paraquat (Kontaktherbizid)
  • Phenol
  • Rauchgas-Inhalation
  • Trinitrotoluol

Sulfhämoglobinämie

Krankheitsbedingte Ursachen

Medikamente

  • Intoxikation mit Phenacetin (Schmerzmittel)
  • Intoxikation mit Sulfonamiden – Vergiftung mit Wirkstoffen, die gegen bakterielle Infektionen wirken

Umweltbelastungen – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Schwefelwasserstoff

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Double Outlet Right Ventricle (DORV) im Kindes- und Jugendalter. (AWMF-Registernummer: 023 - 017), August 2013 Langfassung
  2. S2k-Leitlinie:Truncus arteriosus communis (TAC) – von der Fetalzeit bis zum Erwachsenenalter. (AWMF-Registernummer: 023 - 043), Februar 2020 Langfassung