Narben
Narben (Cicatrix; scar) sind Ersatzgewebe, das der Körper bildet, um geschädigtes Gewebe nach einer Verletzung zu reparieren und die Wunde zu schließen. Sie entstehen als Endprodukt des Heilungsprozesses und bestehen aus faserigem Bindegewebe, das weniger elastisch und funktional ist als das ursprüngliche Gewebe.
Synonyme und ICD-10: ICD-10-GM L90.5: Narben und Fibrosen der Haut
Narbenklassifikation nach Mustoe (modifiziert nach [1])
- Reife Narbe – helle, flache und weiche Narbe im Hautniveau oder leicht unter dem Hautniveau
- Unreife Narbe – Narbenbildung bisher nicht abgeschlossen; es zeigt sich eine rötlich bis braune bzw. blaurötliche Narbe, die manchmal juckt und selten leicht schmerzend ist; ist minimal erhöht; sie stellt sich dar als Papel (Verdickung der Haut) oder Plaque (flächenhafte oder plattenartige Substanzvermehrung der Haut)
- Hypertrophe Narbe
- Lineare hypertrophe Narbe – strangartige Wulstbildung mit unregelmäßiger Oberfläche; es zeigt sich eine rote, erhabene, manchmal juckende und leicht schmerzende Narbe; verliert mit der Zeit an Farbe; es ist möglich, dass sich eine hypertrophe Narbe von selbst zurückbildet.
Wachstum ca. 3-6 Monate, danach Regression (Rückbildung) über 2 Jahre - Flächige hypertrophe Narbe (> 0,5 cm) – rot, unregelmäßig erhabene Narbe, auch knotig; im Regelfall deutlicher Juckreiz und Berührungsschmerz, gelegentlich auch spontaner Schmerz; initiale Wundränder werden respektiert; ggf. auch derbe Papeln, Plaque oder Knoten (Entstehung: flächige Verletzungen wie Verbrennungen und Verätzungen)
- Lineare hypertrophe Narbe – strangartige Wulstbildung mit unregelmäßiger Oberfläche; es zeigt sich eine rote, erhabene, manchmal juckende und leicht schmerzende Narbe; verliert mit der Zeit an Farbe; es ist möglich, dass sich eine hypertrophe Narbe von selbst zurückbildet.
- Keloid – dieses kommt als überschießende Narbenbildung zustande, wenn der Körper zu viel Kollagen im Wundbereich bildet. Die Neigung zur überschießenden Narbenbildung ist eine genetische Veranlagung. Sie tritt aber nicht selten nur in bestimmten Körperregionen auf. So kann es beispielsweise vorkommen, dass der Körper am Rumpf überschießende Narben bildet, an den Armen und Beinen jedoch „normale“ Narben, die kaum sichtbar sind.
- Kleines Keloid (< 0,5 cm) – rot, unregelmäßiges Oberflächenniveau, auch knotig, immer Juckreiz und Berührungsschmerz (hochempfindlich); ggf. auch spontaner Schmerz; initiale Wundränder werden überschritten
- Großes Keloid (> 0,5 cm) – rot, unregelmäßiges Oberflächenniveau, plaqueförmig, auch knotig und unregelmäßig höckerig, immer Juckreiz und Berührungsschmerz (hochempfindlich); spontaner Schmerz (rel. häufig)
Kontinuierliches Wachstum > 1 Jahr. Initiale Wundränder werden überschritten
- Atrophe Narbe – blasse, häufig multiple Hauteinsenkungen, wie sie unter anderem bei einer schweren Akne zurückbleiben kann, auch
- schmale tiefe (ice pick) Einsenkungen oder
- breite napfförmige (rolling) Einsenkungen oder
- breite, wie ausgestanzte (boxcar) Einsenkungen
Epidemiologie
Geschlechterverhältnis: Es gibt keine signifikanten Unterschiede im Auftreten von Narben zwischen Männern und Frauen. Allerdings können hormonelle Unterschiede, insbesondere während der Pubertät und Schwangerschaft, die Narbenbildung beeinflussen, insbesondere bei hypertrophen Narben und Keloiden.
Häufigkeitsgipfel:
- Kindheit und Jugend: Häufige Hautverletzungen durch Stürze, Unfälle und Akne führen in diesen Lebensphasen zu einer erhöhten Inzidenz von Narben.
- Erwachsenenalter: Chirurgische Eingriffe und Traumata sind Hauptursachen für Narbenbildung.
- Senioren: Die Narbenbildung kann durch die reduzierte Kollagenproduktion und verminderte Hautelastizität weniger ausgeprägt, aber länger sichtbar bleiben.
Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Narben sind eine sehr häufige Folge von Hautverletzungen und chirurgischen Eingriffen. Es wird geschätzt, dass nahezu jeder Mensch im Laufe seines Lebens mindestens eine Narbe entwickelt, sei es durch kleinere Verletzungen, Verbrennungen, chirurgische Eingriffe oder Hautkrankheiten wie Akne.
Geografische Unterschiede: In Regionen mit höherer Sonnenexposition und weniger Zugang zu adäquater medizinischer Versorgung können Narben häufiger und ausgeprägter auftreten. Insbesondere in tropischen und subtropischen Regionen ist das Risiko von Keloiden aufgrund von Hauttyp und Umweltfaktoren erhöht.
Risikofaktoren
- Hauttyp: Dunklere Hauttypen (Fitzpatrick-Typen IV-VI) haben ein höheres Risiko für die Bildung von hypertrophen Narben und Keloiden.
- Alter: Jüngere Menschen neigen dazu, aktivere Heilungsprozesse zu haben, was zu einer stärkeren Narbenbildung führen kann. Ältere Menschen haben aufgrund der verminderten Regenerationsfähigkeit der Haut oft weniger ausgeprägte, aber dennoch sichtbare Narben.
- Genetische Prädisposition: Eine familiäre Neigung zu hypertrophen Narben und Keloiden kann die Wahrscheinlichkeit ihrer Entstehung erhöhen.
- Wundheilung: Faktoren wie Infektionen, chronische Entzündungen, unzureichende Wundversorgung und wiederholte Verletzungen im gleichen Bereich können die Qualität der Narbenbildung negativ beeinflussen.
Symptome – Beschwerden
Die Narbenklassifikation nach Mustoe beschreibt zugleich das klinische Bild einer Narbe in seinen möglichen Zuständen.
In Abhängigkeit von der Art der Narbe (s. u. Narbenklassifikation) können Narben Juckreiz, Spannungsgefühl und Schmerzen verursachen, ggf. auch Bewegungseinschränkungen.
Pathogenese (Krankheitsentstehung) – Ätiologie (Ursachen)
Narben entstehen nach Verletzungen, Verbrennungen, Entzündungen – zum Beispiel durch Akne (z. B. Acne vulgaris) – nach Operationen oder Ähnlichem.
Der Prozess der Wundheilung wird Narbenbildung und Vernarbung genannt.
Die Wundheilung verläuft in folgenden Phasen:
- Exsudative Phase (Hämostase (Blutstillung)) – in den ersten Stunden bzw. bis zum 1. Tag nach der Verletzung
- Einwanderung und Aggregation (Zusammenballen von einzelnen Zellen zu Verbänden) von Thrombozyten (Blutplättchen)
- Freisetzung von Zytokinen (Proteine, die eine wichtige Rolle im Immunsystem spielen): Blutstillung
- Durch Exsudation (Absonderungen) von Fibrin (lat.: fibra ‚Faseŕ; „Klebstoff“ der Blutgerinnung) und koaguliertem (geronnenem) Blut wird der Wundspalt aufgefüllt. Es bildet sich Wundschorf, wodurch die Wunde nach außen gegen das Eindringen von Keimen geschützt ist.
- Inflammatorische Phase (Entzündungsphase) – 1. bis 3. Tag nach der Verletzung
- katabole Autolyse: Makrophagen ("Fresszellen") beseitigen die Blutkoagel (Blutgerinnsel) aus dem Wundgewebe
- Fibrinabbau
- Entzündungsreaktion und -zeichen
- Infektabwehr
- Proliferative Phase (Granulationsphase) – 4. bis 7. Tag nach der Verletzung
- Bildung von Granulationsgewebe durch Mediatoren, Angioblasten, Fibroblasten (Bindegewebszellen), Myofibroblasten
- Regeneration von Basalmembranzone und Epithel (oberflächliche Zellgrenzschicht)
- Reparative Phase (Narbenbildungsphase) – 8. bis 12. Tag nach der Verletzung
- Ausbildung kollagener Fasern
- Wundkontraktion: Reißfestigkeit nimmt zu
- Epithelialisierung (die Wunde wächst mit Epithelzellen zu)
- Differenzierungsphase – ab 2. bis 3. Woche oder bis zu 1 Jahr.
- Remodeling (Umbauvorgänge) spezifischen Gewebes: intakte narbenfreie Haut
oder - das Granulationsgewebe wird umgebaut in belastungsstabiles Bindegewebe; die Wunde zieht sich zusammen und wird reißfest; es entsteht eine Narbe – Narben sind zu Beginn gut durchblutet und erscheinen kräftig rot; allmählich werden die Blutgefäße abgebaut und die Narbe erscheint immer weniger rot, bis sie schließlich verblasst.
- Remodeling (Umbauvorgänge) spezifischen Gewebes: intakte narbenfreie Haut
Oberflächliche Schürfwunden hinterlassen selten Narben.
Besonders gefährdet für eine unschöne Narbenbildung sind Brust und Schulter.
Keloide treten häufig familiär auf. Des Weiteren haben dunkelhäutige Hauttypen ein erhöhtes Risiko für die Bildung von Keloiden.
Je tiefer eine Wunde ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit der Narbenbildung.
Narben sind meist zu Beginn gerötet und verblassen später.
Zurück bleiben mehrheitlich weiße Narben. Das liegt daran, dass Narben nicht, wie die übrige Haut in der Lage sind, Pigmente zu bilden.
Diagnostik
Narben werden durch Blickdiagnose erkannt.
Prävention
Einsatz von Narbensalben: Diese enthalten als aktive Inhaltsstoffe Silikone oder enzymatisch aktive Substanzen, die einer hypertrophen Narbenbildung entgegenwirken sollen (Allantoin, Heparin, Zwiebelextrakt).
Therapie
Narben können auf unterschiedlichste Weise entfernt werden:
- Zunächst ist es möglich, einzelne eingesunkene Narben mittels Fett oder Hyaluronsäure zu unterspritzen, um sie wieder dem Hautniveau anzupassen.
- Nicht alle Narben können unterspritzt werden, hervorstehende, also hypertrophe Narben kann man nicht unterfüttern, sie müssen ausgeschnitten, mittels Fräse abgetragen oder durch andere Methoden behandelt werden.
- Sind die Narben großflächig, zum Beispiel im gesamten Gesicht verteilt, werden flächendeckendere Methoden angewandt.
- Operative Methoden sind: Narbenkorrektur, Dermabrasion
- Durch Kryopeeling (Kältepeeling), Dermabrasio-Behandlung/Dermaroller (Microneedling) oder chemische Peelings können nicht nur einzelne Narben, sondern auch größere, mit Narben bedeckte Hautareale behandelt werden.
- Hypertrophe Narben und Keloiden
- Eine Injektionstherapie mit Triamcinolon und Verapamil (Calciumantagonist) (1:1 Mischung (Triamcinolon: 49 mg/ml); Verapamil: 2,5 mg/ml)) direkt in die Narbe zeigte nach insgesamt drei Injektionen ein gutes Ergebnis [2]:
- Bei den hypertrophen Narben verbesserten sich die POSAS-Werte (Patient and Observer Scar Assessment Scale) signifikant: Ausgangssituation (70,59) und Zeitpunkte 3-4 Monate (43,33), 4-6 Monate (48,80) und nach über zwölf Monaten (46,83)
- Bei den Keloiden reduzierten sich die POSAS-Werte im Vergleich zur Ausgangssituation (67,77) signifikant (3-4 Monate: 46,57; 4-6 Monate: 48,5; nach über zwölf Monaten: 39,0)
- Die intraläsionale Injektion ("innerhalb der Schädigung") von Triamcinolon plus Hyaluronsäure bei Keloiden zeigte eine gute Wirksamkeit bei gleichzeitig geringem Nebenwirkungsspektrum; ähnlich wirksam war die intraläsionale Radiofrequenztherapie (RFT) plus Triamcinolon [3].
- Die Kombination von topischem (äußere Anwendung) Clobetasolpropionat und einem Silikonverband zeigte die gleiche Wirksamkeit wie die intraläsionale Injektion von Triamcinolon [4].
- Eine Injektionstherapie mit Triamcinolon und Verapamil (Calciumantagonist) (1:1 Mischung (Triamcinolon: 49 mg/ml); Verapamil: 2,5 mg/ml)) direkt in die Narbe zeigte nach insgesamt drei Injektionen ein gutes Ergebnis [2]:
- Eine Entfernung des Keloids ist mittels Kryotherapie (Kältetherapie) möglich.
- Lasertherapie
- Narben können u. a. mit einem CO2-Laser, Erbium-Yag-Laser (Er:YAG-Laser) oder Argonlaser entfernt werden.
- Rote Narben: Durchblutungsreduzierung der obersten Hautschicht (Farbstofflaser; vaskuläre Laser)
- Braune Narben: Rubin-Laser, Neodym-Yag-Laser oder Fraxel-Laser
- Hypertrophe Narben und Keloide können zusätzlich mittels Farbstofflaser behandelt werden. Das Narbengewebe wird durch die Energie der Laserstrahlen verdampft.
Beachte: Eine Monotherapie bei Keloiden mit ablativen Lasern (Er:YAG- und CO2-Lasersysteme) ist nicht sehr erfolgreich. - Überschießendes Narbengewebe kann ebenfalls mit einem CO2-Laser verdampft werden. Allerdings besteht aufgrund der veranlagten Neigung die Gefahr, dass sich nach der Behandlung erneut überschießendes Narbengewebe bildet.
- Narben können u. a. mit einem CO2-Laser, Erbium-Yag-Laser (Er:YAG-Laser) oder Argonlaser entfernt werden.
- Extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) – zur Therapie pathologischer Narben (resultieren aus einer abnormen Wundheilung)
- EWST und eine umfassende Rehabilitation (CRT) zusammen konnten u. a. Schmerzen und Juckreiz stärker verringern als eine alleinige CRT [5].
- In der aktuellen S2k-Leitlinie sind des Weiteren die Therapieoptionen Calciumkanalblocker und Plasmamedizin zur Narbenbehandlung aufgenommen worden. Die Leitlinie gibt allerdings dazu aufgrund der geringen Datenlage für diese Behandlungsoptionen keine Empfehlung für oder gegen die Anwendung.
Je nachdem, wie tief die Narbe in der Haut liegt, ist es nicht immer möglich, eine Narbe vollständig zu entfernen. Dennoch kann das Aussehen und somit die Ästhetik in den meisten Fällen deutlich verbessert werden.
Eine Garantie für den dauerhaften Bestand einer Narbenkorrektur gibt es nicht.
Literatur
- Mustoe TA, Cooter RD, Gold MH et al.: International Advisory Panel on Scar Management. International clinical recommendations on scar management. Plast Reconstr Surg 2002 Aug;110: 560-571
- Kant SB et al.: A new treatment of hypertrophic and keloid scars with combined triamcinolone and verapamil: a retrospective study. Eur J Plast Surg (2018) 41:69-80
- Aggarwal A et al.: A comparative study of various modalities in the treatment of keloids. Int J Derm 2018; online 11. Juli 2018 https://doi.org/10.1111/ijd.14069
- Norazirah Md Nor et al.: A Randomized, Single-Blind Trial of Clobetasol Propionate 0.05 % Cream Under Silicone Dressing Occlusion Versus Intra-Lesional Triamcinolone for Treatment of Keloid. Clin Drug Investig (2017) 37:295-301
- Yang Y et al. Safety and efficacy of treating post-burn pathological scars with extracorporeal shock wave therapy: a meta-analysis of randomized controlled trials. Wound Repair Regen. 2022 Jun 12. doi: 10.1111/wrr.13037.
Leitlinien
- S2k-Leitlinie: Therapie pathologischer Narben (hypertrophe Narben und Keloide). (AWMF-Registernummer: 013 - 030), März 2020 Langfassung
- S2k-Leitlinie: Lasertherapie der Haut. (AWMF-Registernummer: 013-095), Januar 2022 Langfassung