Quincke-Ödem – Medikamentöse Therapie

Therapieziele

  • Rückgang der Symptomatik
  • "Langzeitprophylaxe soll die Belastung der Erkrankung reduzieren, indem Attacken verhindert oder gelindert werden" [HAE-Leitlinie: s. u.]

Therapieempfehlungen

  • Patienten mit Ödemen im Kopfbereich sollten wegen der Erstickungsgefahr unverzüglich stationär aufgenommen werden. [In schweren Fällen ist vordringlich die Atemwegssicherung notwendig]
    Beachte: Frühe und fortlaufende Überprüfung der Indikation für eine Intubation (Einführen eines Endotrachealtubus (ETT; kurz Tubus genannt; es handelt sich dabei um den Beatmungsschlauch, einer Hohlsonde aus Kunststoff) über den Mund (oral) oder die Nase (nasal) und den Kehlkopf in die Trachea (Luftröhre)).
  • Bei jeder unklaren Schwellung sollte im Zweifelsfall immer zunächst eine antiallergische Therapie erfolgen.
    • Bei fehlendem Ansprechen oder Progress (Fortschreiten der Symptomatik/Erkrankung) → probatorische Off-label-Therapie mit Icatibant oder C1-INH-Konzentrat (s. u. Bradykinin-vermittelte Angioödeme)
  • Überprüfung der Dauermedikation wg. möglicher Auswirkung auf die vorhandene Krankheit
  • Akuttherapie des Histamin-vermittelten Mastzellen/Quincke-Ödem/Angioödem (Vorgehen nach Schema wie bei allergischen Reaktionen):
    • Adrenalin, 0,1 mg (Sympathomimetikum)
    • Dimetinden (H1-Anhistaminika): 4-8 mg i.v.; Cimetidin (H2-Antihistaminika), 200-600 mg i.v.
    • Prednisolonäquivalent,250-500 mg i.v. (Glucocorticoide)
    • Salbutamol (β-Symphatikomimetikum)
  • Beachte: Spricht das Angioödem weder auf Antihistaminika noch auf Glucocorticoide an, könnte es sich um eine Bradykinin-vermittelte Flüssigkeitsansammlung handeln (→ Off-label-Use mit C1-Inhibitor-Konzentrat oder Bradykinin-B2-Rezeptorantagonist (s.u.).
  • Bradykinin-vermittelte Angioödeme
    • Therapie des C1-Esterase-Inhibitor-Mangels (hereditäres Angioödem (HAE) mit C1-INH-Mangel bzw. erworbener C1-Esterase-Mangel*):
      • Akuttherapie: 
        • C1-Inhibitor-Konzentrat [bei HAE]
        • Icatibant (Bradykinin-B2-Rezeptorantagonist) [bei HAE und erworbener C1-Esterase-Mangel; kann ggf. als Stand-by-Therapie/Notfalltherapie verordnet werden]
      • Langzeitprophylaxe (LTP): Danazol (Androgenderivate), Tranexamsäure (Antifibrinolytika); nur in schweren Fällen: C1-Inhibitor-Konzentrat; des Weiteren: Icatibant (Bradykinin-B2-Rezeptorantagonist), Kallikreininhibitoren (Ecallantide; Lanadelumab (monoklonaler Antikörper); Berotralstat (Kallikrein-Inhibitor); Garadacimab (Faktor-XIIa-Inhibierung im ersten Schritt im Kallikrein-Kinin-System))
        *Bei einem erworbenen C1-Esterase-Mangel Ist die Therapie der paraneoplastischen/autoimmunen Grunderkrankung unabdingbar.
    • Medikamenteninduziert
      • Antihistaminikum/Glucocorticoide; C1-Inhibitor-Konzentrat (i.v.); Icatibant (Bradykinin-B2-Rezeptorantagonist) [Off-Label-Therapie]
  • Grundsätzlich sollte so schnell wie möglich das auslösende Agens entfernt werden!

Hinweise für HAE-Patienten:

  • Jeder HAE-Patient sollte immer eine ausreichende Bedarfsmedikation zur Behandlung von zwei Attacken bei sich haben.
  • Patienten und deren Angehörige sollten die Injektionstechnik erlernen, um sich so in die Lage zu versetzen, dass sie sich selbst versorgen können. 
  • In einer Phase-I/II-Studie konnte gezeigt werden, dass mittels der CRISPR/Cas9-Methode, die eine gezielte Zerstörung von Genen ermöglicht, Patienten mit hereditärem Angioödem (HAE) möglicherweise dauerhaft vor Krankheitsattacken geschützt werden können [1].
  • Phase-III-Studien:
    • Monatliche Gabe von Garadacimab (Faktor-XIIa-Inhibierung im ersten Schritt im Kallikrein-Kinin-System) verringerte signifikant die hereditären Angioödem-Attacken bei Patienten ab 12 Jahren im Vergleich zu Placebo und hatte ein günstiges Sicherheitsprofil [2].
    • Sebetralstat (oral verfügbarer Plasma-Kallikrein-Inhibitor) konnte akute Attacken frühzeitig beenden [3].
    •  Antisense-Oligonukleotid Donidalorsen hat eine vorbeugende Wirkung er­zielt und die Zahl der Attacken deutlich gesenkt [4].

Literatur

  1. Longhurst H et al.: In vivo CRISPR/Cas9 editing of KLKB1 in patients with HAE Session V Bradykinin Symposium, Berlin, Germany, Berlin, Germany 16 September 2022
  2. Craig TJ et al.: Efficacy and safety of garadacimab, a factor XIIa inhibitor for hereditary angioedema prevention (VANGUARD): a global, multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial Lancet February 28, 2023 doi:https://doi.org/10.1016/S0140-6736(23)00350-1
  3. Riedl MA et al.: Oral Sebetralstat for On-Demand Treatment of Hereditary Angioedema Attacks N Engl J Med 2024;391:32-43 doi: 10.1056/NEJMoa2314192
  4. Riedl MA et al.: Efficacy and Safety of Donidalorsen for Hereditary Angioedema N Engl J Med 2024;391:21-31 doi: 10.1056/NEJMoa2402478

Leitlinien

  1. S1-Leitlinie: Hereditäres Angioödem durch C1-Inhibitor-Mangel. (AWMF-Registernummer: 061-029), September 2018. Langfassung