Quincke-Ödem – Einleitung
Das Quincke-Ödem, auch bekannt als Angioödem (AE), ist eine akute, meist schmerzlose Schwellung der Subkutis (Unterhaut) oder Submukosa (Unterschleimhautbindegewebe). Diese Schwellung betrifft typischerweise Lippen, Lider, Zunge oder andere Organe und kann in schweren Fällen zu lebensbedrohlichen Zuständen führen, insbesondere wenn die Atemwege betroffen sind.
Synonyme und ICD-10: Akutes essentielles Ödem; Akutes Quincke-Ödem der Haut; Akutes umschriebenes Ödem; Akutes zirkumskriptes Ödem; Allergisches angioneurotisches Ödem; Allergisches Angioödem; Allergisches Glottisödem; Angioneurotisches Ödem; Angioneurotisches Ödem mit Urtikaria; Angioödem mit Urtikaria; Bannister-Krankheit; Larynxurtikaria; Periodisches Ödem; Quincke-Syndrom; Urticaria gigantea; angioedema (AE); ICD-10-GM T78.3: Angioneurotisches Ödem
Man kann verschiedene Ursachen unterscheiden. In den meisten Fällen handelt es sich um eine allergische Reaktion oder die Nebenwirkung von Medikamenten.
Formen der Erkrankung
Nach Ursache
- Histamin-vermitteltes Angioödem
- Allergisches Angioödem; tritt in der Hälfte der Fälle im Zusammenhang mit Urtikaria (Nesselsucht) auf; häufigste Form
- Allergieähnliches Angioödem – im Rahmen von Infekten, Intoleranzen (Unverträglichkeitsreaktionen; meist ausgelöst durch Medikamente wie Acetylsalicylsäure, ASS) oder Autoimmunreaktionen (pathologische (krankhafte) Reaktion des Immunsystems gegenüber körpereigenem Gewebe)
- physikalisch-bedingt: z. B. Druck, Kälte, Licht etc.
- Idiopathisches Angioödem – ohne erkennbare Ursache (selten)
- Bradykinin-vermittelt Angioödem (Bradykinin ist ein Peptid- und Gewebshormon, das unter anderem vasoaktiv (blutgefäßverändernd) und an der Schmerzerzeugung beteiligt ist)
- Hereditäres (vererbtes) Angioödem (engl. hereditary angioedema, HAE; veraltet „hereditäres angioneurotisches Ödem“, HANE) – durch C1-Esterase-Inhibitor (C1-INH)-Mangel (Blutprotein-Mangel); ca. 6 % der Fälle:
- Typ 1 (85 % der Fälle) – verminderte Aktivität und Konzentration des C1-Inhibitors
- Typ II (15 % der Fälle) – verminderte Aktivität bei normaler bzw. erhöhter Konzentration des C1-Inhibitors
- RAAS-Inhibitor induziertes Angioödem (RAE) – durch Herz-Kreislauf-Medikamente: ACE-Hemmer (häufig: > 50 % der Fälle mit einem schweren Angioödem) oder AT1-Antagonisten (Angiotensin-II-Rezeptor-Subtyp-1-Antagonisten, AT1-Rezeptorantagonisten, AT1-Blocker, Angiotensin-Rezeptorblocker, „Sartane“) (selten)
- Erworbenes Angioödem:
- vor allem bei malignen Lymphomen (umgangssprachlich Lymphdrüsenkrebs) (Typ 1) oder
- C1-Inhibitor-Antikörper (Typ 2)
- vor allem bei malignen Lymphomen (umgangssprachlich Lymphdrüsenkrebs) (Typ 1) oder
- Hereditäres (vererbtes) Angioödem (engl. hereditary angioedema, HAE; veraltet „hereditäres angioneurotisches Ödem“, HANE) – durch C1-Esterase-Inhibitor (C1-INH)-Mangel (Blutprotein-Mangel); ca. 6 % der Fälle:
- Andere Angioödeme – die Entstehung lässt sich weder allein durch Histamin noch allein durch Bradykinin erklären; hier spielen andere körpereigene Substanzen eine Rolle
Ursachen
Die Ursachen des Quincke-Ödems sind vielfältig und umfassen allergische Reaktionen, Medikamentennebenwirkungen, genetische Defekte und andere, weniger häufige Mechanismen:
- Allergische Reaktionen: Oft auf Lebensmittel, Insektengifte oder Medikamente.
- Medikamentennebenwirkungen: Besonders durch ACE-Hemmer und, seltener, durch AT1-Antagonisten.
- Genetische Ursachen: C1-Esterase-Inhibitor-Mangel bei hereditärem Angioödem.
- Idiopathische Ursachen: Keine erkennbare Ursache, häufig bei chronischem Verlauf.
Epidemiologie
Geschlechterverhältnis: Das allergische Angioödem tritt häufiger bei Erwachsenen auf, während das hereditäre Angioödem oft im Kindes- und Jugendalter manifest wird. Das erworbene Angioödem betrifft mehrheitlich Personen nach dem 30. Lebensjahr.
Häufigkeitsgipfel: Das allergische Angioödem tritt vorwiegend im Erwachsenenalter auf, während die hereditäre Form meistens im Kindes- und Jugendalter erstmals auftritt. Die erworbene Form zeigt sich häufig erst nach dem 30. Lebensjahr.
Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Das hereditäre Angioödem hat eine Prävalenz von weniger als 1 % in Deutschland. Jährlich sind mehrere tausend Personen von rezidivierenden (wiederkehrenden) Quincke-Ödemen betroffen. Etwa 0,1-0,6 % der Patienten, die ACE-Hemmer einnehmen, entwickeln Angioödeme.
Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): Die Inzidenz für hereditäres Angioödem liegt bei 2-4 Fällen pro 100.000 Einwohner pro Jahr in Deutschland.
Verlauf und Prognose
Verlauf
- Das Quincke-Ödem tritt akut auf und ist meistens schmerzlos und selten juckend.
- Die Schwellung kann mehrere Stunden bis Tage andauern.
- Eine rasche Entwicklung des Ödems, insbesondere bei Befall der Rachenschleimhaut, stellt einen medizinischen Notfall dar, da es zu einer Verengung der Atemwege und Erstickungsgefahr führen kann.
Prognose
- Die meisten Formen des Quincke-Ödems klingen spontan ab, können jedoch rezidivieren.
- Bei hereditären Formen kann es wiederholt zu Schwellungsanfällen kommen, die lebensbedrohlich sein können.
- Eine frühzeitige Diagnose und gezielte Therapie sind entscheidend für die Prognose, insbesondere bei den genetisch bedingten und medikamenteninduzierten Formen.
Leitlinien
- S1-Leitlinie: Hereditäres Angioödem durch C1-Inhibitor-Mangel. (AWMF-Registernummer: 061-029), September 2018. Langfassung