Quallenstich – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Ein Quallenstich kann zu verschiedenen pathologischen Reaktionen führen, die auf die chemische Zusammensetzung und die Wirkung der enthaltenen Toxine zurückzuführen sind. Der Stich einer Qualle erfolgt durch spezielle Nesselkapseln, die sich an den Tentakeln der Qualle befinden. Diese Kapseln setzen bei Kontakt schlagartig ihre toxischen Bestandteile frei, die dann in die Haut eindringen und dort die beschriebenen Reaktionen auslösen. Die Pathogenese variiert je nach Quallenart und Zusammensetzung der Toxine.
Urtikaria als Folge eines Quallenstichs:
- Typischerweise tritt nach einem Quallenstich eine lokale Urtikaria (Nesselsucht) auf, die durch ein Ödem (Wassereinlagerung) der Dermis (mittlere Hautschicht) gekennzeichnet ist.
- Die Erhöhung der Gefäßpermeabilität (Gefäßdurchlässigkeit) führt zur Bildung von Quaddeln und Juckreiz.
- Diese Reaktion wird durch die Freisetzung von Mediatoren wie Histamin, Prostaglandinen und Leukotrienen aus Mastzellen (Zellen der körpereigenen Abwehr) vermittelt. Histamin verursacht eine Erweiterung der Blutgefäße und erhöht die Durchlässigkeit der Gefäßwände, was die charakteristischen Hautreaktionen auslöst.
Unterschiede in der Pathogenese je nach Quallenart:
Würfelqualle (Cubomedusae; Synonym: Seewespe):
- Das Gift der Würfelqualle enthält Zytolysine, die die Zellmembranen durchdringen und die Zellwände schädigen, was zu einem schnellen Zelltod führt.
- Besonders betroffen sind Erythrozyten (rote Blutkörperchen), was eine Hämolyse (Auflösung der roten Blutkörperchen) verursacht.
- Der schnelle Zerfall der Erythrozyten führt zu einem raschen Anstieg der Kaliumkonzentration im Serum, was wiederum eine Hyperkaliämie (Kaliumüberschuss) zur Folge hat.
- Eine Hyperkaliämie führt zu einer Störung der Herzfunktion und kann zur Asystolie (vollständiges Aussetzen der elektrischen und mechanischen Herzaktion für mehr als 2 Sekunden) und schließlich zum Herzstillstand und Tod führen.
Portugiesische Galeere (Physalia physalis):
- Das Gift der Portugiesischen Galeere enthält ein hochkomplexes Toxingemisch mit Physaliatoxin als Hauptbestandteil.
- Dieses Toxin wirkt neurotoxisch (nervenschädigend), hämolytisch (blutauflösend) und zytolytisch (zellauflösend) durch verschiedene enzymatische Aktivität:
- Elastase: Zerstört elastische Fasern in Geweben.
- Endonukleasen: Schädigen die DNA der betroffenen Zellen.
- Kollagenasen: Bauen Kollagen, das strukturelle Protein im Bindegewebe, ab.
- AMPase und unspezifische Aminosäureester-Hydrolasen: Diese Enzyme greifen die Zellmembran direkt an und fördern die Zelllyse (Zellzerstörung).
- Die systemische Wirkung kann durch die Zerstörung von Zellen und Nerven zu einer Vielzahl von Symptomen führen, darunter neurologische Ausfälle, Muskelkrämpfe und schwere Allergiereaktionen bis zum anaphylaktischen Schock.
Immunologische und nicht-immunologische Mechanismen:
- Ein Quallenstich kann sowohl immunologisch als auch nicht-immunologisch vermittelt sein:
- Immunologischer Pathomechanismus: Bei einer wiederholten Exposition kann es zu einer IgE-vermittelten Sofortreaktion (Typ-I-Allergie) kommen, wobei die Freisetzung von Histamin und anderen Mediatoren eine verstärkte Reaktion hervorruft.
- Nicht-immunologischer Pathomechanismus: Das Quallengift selbst wirkt zellschädigend, was ohne Beteiligung des Immunsystems eine zytotoxische Reaktion auslöst.
Klinische Auswirkungen:
- Die lokalen Effekte eines Quallenstichs umfassen Schmerzen, Schwellungen, Juckreiz und Rötungen.
- Bei schweren Vergiftungen, insbesondere durch Würfelquallen oder die Portugiesische Galeere, kann es zu systemischen Reaktionen kommen, darunter Herzrhythmusstörungen, Atemnot und Schocksymptome.
- Langfristige Komplikationen umfassen Narbenbildung und neurologische Symptome, die auch nach Abklingen der akuten Phase bestehen bleiben können.
Zusammenfassung:
- Die Pathogenese von Quallenstichen ist abhängig von der Art des Quallengifts und der Empfindlichkeit des betroffenen Individuums.
- Während lokale Hautreaktionen meist durch eine erhöhte Gefäßpermeabilität und die Freisetzung von Histamin vermittelt werden, können schwere systemische Reaktionen durch die toxische Wirkung der enthaltenen Enzyme und Toxine ausgelöst werden.
- Eine schnelle und zielgerichtete Behandlung ist entscheidend, um schwere Komplikationen, insbesondere bei Stichen durch gefährliche Quallenarten, zu vermeiden.
Ätiologie (Ursachen)
Geographische Verbreitung der Quallen
Quallenart | Geographische Verbreitung | Saison |
Haar- oder Nesselquallen (gelbe Haarqualle; umgangssprachlich "Feuerqualle") Feuerquallen in der Nord- und Ostsee (Leuchtqualle (Pelagia noctiluca), die gelbe Haarqualle (Cyanea capillata), Kompassqualle (Chrysaora hysoscella)) |
Nord- und Ostsee | Die Feuerqualle wird besonders im Spätsommer, durch Wind und Strömung in die Ostsee getrieben. |
Feuer- und Leuchtquallen (Mittelmeerquallen) | Mittelmeer | Leuchtqualle in Schwärmen, vor allem im Hochsommer |
Feuerqualle/Gelbe Haarqualle (Cyanea capillata) | Atlantik, Ärmelkanal sowie Nord- und Ostsee | |
Fingerhutqualle (Linuche unguiculata) | tropischer und subtropischer westlicher Atlantik, vor allem rund um die Westindischen Inseln und den Bahamas | |
Kompassqualle (Chrysaora hysoscella | Atlantik, Mittelmeer, Nordsee und Kattegat | |
Leuchtqualle (Pelagia noctiluca) | Mittelmeer und im tropischen Atlantik | |
Portugiesische Galeere (Physalia physalis; engl. Man-o-War) | Pazifischen Ozean, aber auch vor den Kanarischen Inseln und vor Portugal (westliches Mittelmeer); Karibik (Küste Kubas); gelegentlich auch vor den spanischen Baleareninseln Mallorca und Formentera, spanische Atlantikküste, Atlantikküste von Florida | |
Würfelqualle (Cubomedusae; Synonym: Seewespe; engl. Box Jellyfish) | weltweit; meist in tropischen und subtropischen Gewässern von Indischem Ozean, Pazifik und Atlantik westlicher Indopazifik (Papua-Neuginea, Salomonen, Borneo, Malaysia, Philippinen) |
Sommermonate (November bis Juni) |